Junge Wilde und Routiniers

(mro). Es war ein ungewohntes Bild, was sich den Kiebitzen beim öffentlichen Trainingsauftakt des Handball-Zweitligisten TV 05/07 Hüttenberg am Montag bot. Zwar tummelten sich alle 20 Vertragsspieler im Hüttenberger Sportzentrum. Und es war auch Stefan Kneer mit auf dem Feld - jedoch nur noch als Co-Trainer. Dafür aber kein Christian Rompf und Tobias Hahn (beide Karriereende) und kein Dominik Mappes, den es bekanntlich zum Erstliga-Aufsteiger VfL Gummersbach zog.
Torwart Simon Böhne komplettierte zwar das Torhüter-Quartett, ist aber in der kommenden Spielzeit als Nummer eins beim benachbarten Drittligisten HSG Dutenhofen/Münchholzhausen eingeplant.
Die Blau-Weiß-Roten treiben die Verjüngung weiter voran - und gehen damit den in der letzten Saison überaus erfolgreichen Weg weiter. So wird das Original aus Mittelhessen mit einem Altersdurchschnitt von 23 Jahren in die Saison gehen, nachdem man bereits im Vorjahr das jüngste Team der Liga mit am Ende einem Schnitt von 24,8 Jahren stellte. Zudem ist man zu Recht stolz auf den heimischen Bezug. Die Hälfte des Kaders kommt aus dem eigenen Verein, 16 Spieler aus Hessen! Und ein weiterer positiver Aspekt war, dass der die gesamte Rückrunde wegen einer Herzmuskelentzündung nach Corona-Erkrankung ausgefallene Vit Reichl auch wieder mitmischen konnte.
Trainer Johannes Wohlrab freute sich aber nicht nur über die Rückkehr des tschechischen Nationalspielers, sondern konnte neben drei jungen Neuverpflichtungen auch zwei Rückkehrer und somit fünf Akteure mit Erstliga- und sogar internationaler Erfahrung im Kader begrüßen.
Keeper Grazioli mit Doppelspielrecht
Torhüter Leonard Grazioli startete bereits mit 19 Jahren als Profi für den HSC Suhr Aarau. Sein Talent führte ihn schnell in die »Nati«. Mit Suhr Aarau schaffte es der 21-Jährige diese Saison im EHF European Cup sogar bis in das Viertelfinale. »Ich möchte erst einmal im deutschen Handball ankommen. Es freut mich sehr, dass ich meine ersten Auslandserfahrungen bei einem Traditionsverein wie dem TVH machen darf. Die Lösung mit der HSG Wetzlar und dem TV Hüttenberg hat mich absolut überzeugt«, freut sich der Schweizer Nationalspieler über das Zweitspielrecht beim TVH. Die Freude ist aber auch aufseiten der Sportlichen Leitung des TVH. »Mit der Leihe von Leonard ist es uns gelungen, einen Spieler mit internationaler Erfahrung zu uns nach Hüttenberg zu bekommen. Diese Entwicklung zeigt, dass unsere Leistungen wahrgenommen werden. Wir wollen junge, talentierte Spieler gerne weiterentwickeln und dabei attraktiven Handball zeigen. Leo wird eine sofortige Verstärkung auf der so wichtigen Torhüterposition sein«, so Florian Laudt über den 1,93 Meter großen Keeper. Sollte der Schweizer beim Nachbarn in Wetzlar gebraucht werden, »ist er oben«, betont Wohlrab die klare Absprache. Die beinhaltet, dass für diesen Fall Simon Böhne ebenso wieder zum TVH hochrutscht.
Ihre ersten Erfahrungen in der Bundesliga konnten in der letzten Saison die beiden ehemaligen Jugendnationalspieler David Kuntscher und Paul Kompenhans bei der MT Melsungen sammeln. Der 20-jährige Wiesbadener Kuntscher wird mit dem noch ein Jahr jüngeren Niklas Theiß das wohl jüngste Duo im rechten Rückraum aller Bundesligisten stellen. »Manche mögen es als Risiko bezeichnen, mit zwei solch jungen Spielern in eine zweite Bundesliga-Saison zu gehen. Wir betrachten es eher als Chance und freuen uns schon sehr, die nächsten Entwicklungsschritte beobachten zu können. Davids Spielweise unterscheidet sich in vielen Belangen zu der von Niklas, sodass sich beide perfekt ergänzen werden«, freute sich Geschäftsführer Fabian Friedrich bei der Vertragsunterzeichnung. Und der sportliche Leiter Florian Laudt ergänzt: »Wir sind sehr glücklich, dass wir die entstandene Lücke im rechten Rückraum nach langer Sondierung schließen können. Wir gehen mit der Verpflichtung von David unbeirrt unseren Weg weiter, auf hoffnungsvolle Talente zu setzen. Wir wissen, dass wir nun wenig Erfahrung, aber dafür unfassbar viel Talent auf dieser Position haben.«
Kuntscher und Kompenhans für rechten Rückraum
Der 19-jährige Paul Kompenhans soll helfen, die Lücke zu schließen, die durch den Abgang von Dominik Mappes entstanden ist. »Paul war mein Wunschspieler für die offene Position im Rückraum. Er ist sehr talentiert, äußerst flexibel und hilft uns dabei, taktisch variantenreicher agieren zu können«, erklärt Florian Laudt, der den gebürtigen Fuldataler beim letztjährigen Linden-Cup bereits begutachtete. Der Student der Wirtschaftswissenschaften schaut auf die neue Herausforderung wie folgt: »Ich freue mich sehr über die neue Aufgabe beim TVH. Das Konzept des Vereins, in Verbindung mit der jungen und talentierten Mannschaft, hat mich sehr beeindruckt, und ich bin glücklich, ein Teil dieses Teams zu werden.« Beide betonen zwar, dass sie als Spieler des Anschlusskaders beim Training mit dem Melsunger Bundesligateam viel lernen konnten, aber »den Wettkampf auf diesem Niveau kann das nicht ersetzen«.
Neben viel Talent ist es den TVH-Machern aber auch gelungen, zwei Ex-Spieler zur Rückkehr zu bewegen. Der 26-jährige Jannik Hofmann, der ebenfalls für zwei Jahre unterschrieben hat, wird sich gemeinsam mit dem weiteren Eigengewächs Philipp Schwarz die Position auf Linksaußen teilen und bringt mittlerweile auch schon die Erfahrung aus fast 200 Erstligaspielen mit.
»Jannik ist ein waschechter Hüttenberger Bub. Wir freuen uns sehr, dass er den Weg in die Heimat gefunden hat und sind uns sicher, dass er uns sportlich als auch menschlich sehr bereichern wird«, ließ Friedrich verlauten. Mit der legendären Mannschaft um Spielmacher Tomáš Sklenák gelang Hofmann der Durchmarsch von der 3. Liga bis in die Beletage des deutschen Handballs, was in den bisherigen Geschichtsbüchern einmalig ist. Mit seiner offenen und herzlichen Art entwickelte er sich nicht nur zum Publikumsliebling, sondern wuchs auch zur Identifikationsfigur heran, ehe ihn das Studium nach Mannheim zog. Dort spielte der gebürtige Rechtenbacher zunächst in der ersten Liga bei den Eulen Ludwigshafen und in der letzten Saison gegen den Heimatverein TV 05/07 Hüttenberg in der 2. Liga. »Mit der Verpflichtung von Jannik konnten wir unsere Wunschlösung für die Rompf-Nachfolge verwirklichen. Mit Jannik bekommen wir einen Spieler, der sich bestens in Hüttenberg auskennt, der Erfahrungen auf allerhöchstem Niveau gesammelt hat und den Prototyp der Hüttenberger Tugenden darstellt. Wir freuen uns auf seine Abwehrstärke und seinen Kampfgeist«, sagt Laudt. Geschäftsführer Friedrich schlägt in dieselbe Kerbe: »Uns war es wichtig, dass wir neben unseren Youngster Philipp Schwarz einen Mann mit Erfahrung stellen. Diese bringt Jannik reichlich mit, ihm stehen zugleich mit seinen 26 Jahren noch gute Jahre als Profi bevor.«
Viel Erfahrung durch Hofmann und Schneider
Die Freude liegt jedoch nicht nur bei den Verantwortlichen, sondern auch beim kommenden TVH-Neuzugang: »Ich freue mich sehr, ab Sommer ein Teil dieser Mannschaft zu sein und unter Johannes Wohlrab zu trainieren. An die Leistungen der letzten Saison anzuknüpfen, ist ein schwieriges Ziel. Wo wir aber definitiv nicht aufhören sollten, ist begeisternden und leidenschaftlichen Handball zu spielen. Ich wünsche mir, dass die Fans das anerkennen, wir die Halle immer mehr füllen können, in den Trikots und Farben des TVH die Halle anheizen und wir gemeinsam erfolgreich Handball spielen können.«
Noch mehr Erfahrung bringt Timm Schneider mit. Zwei A-Länderspiele, fast 400 Bundesligapartien mit knapp 900 Toren stehen in seiner Vita. Nach zehn Jahren kehrt er nun zum TV 05/07 Hüttenberg zurück. Mit der Verpflichtung des Aufstiegshelden von 2011 ist den TVH-Verantwortlichen ein wahrer Transfercoup gelungen. »Mit Timm konnten wir unseren absoluten Wunschspieler verpflichten, der mit seiner Erfahrung, seinen handballerischen Qualitäten und seinem starken Charakter einen absoluten Mehrwert für unser junges Team darstellen wird«, freut sich Friedrich.
Auch der 34-jährige Familienvater hat einen Zwei-Jahres-Vertrag beim TVH unterschrieben und soll eine wichtige Rolle im jungen Wohlrab-Team einnehmen. »Mit Timm bekommen wir einen Spieler, der in allen Spielsituationen weiß, was zu tun ist. Er soll der Fels in der Brandung sein, an dem sich unsere junge Truppe orientieren kann. Timm ist äußerst flexibel und kann sowohl im Angriff als auch in der Abwehr nahezu jede Position bespielen. Er kennt Hüttenberg, die Halle, die Fans und einige Mitspieler, sodass er keine Eingewöhnungszeit benötigen wird«, ließ Laudt verlauten.
Der 1,96-Meter-Mann begann seine Karriere bei seinem Heimatverein HSG Pohlheim, ehe er 2007 zur HSG Wetzlar wechselte. Zwei Jahre spielte der kräftige Allrounder dann für den TVH, wo er 2011 den Aufstieg in die erste Liga schaffte und im Nachgang sagte, dass es sich um die schönste Zeit in seiner Karriere gehandelt hat. Seine weiteren Stationen waren der TBV Lemgo, MT Melsungen und zuletzt der VfL Gummersbach.
»Als ich damals 2012 gegangen bin, habe ich gesagt, dass ich wiederkommen werde. Im Profi-Sport laufen Dinge manchmal anders als man sich das vor einigen Jahren vielleicht ausgemalt hat, aber ich danke da vor allem Lothar Weber, dass er nie vergessen hat, was ich damals gesagt habe. Ich möchte auf und neben dem Feld das in mich gesteckte Vertrauen zurückzahlen. Ein großer Dank geht auch an Vit Reichl, der so nett war und mir seine Nummer 19 abgegeben hat.«
