»Gibt fast keinen Unterschied«

Thorsten Balser aus dem Vorstand der TSF Heuchel- heim erklärt, wie die zweite Fußballmannschaft über den Umzug von der A-Liga Gießen in die A-Liga Wetzlar diskutierte und weshalb die Vorfreude auf die neue Herausforderung bei Weitem überwiegt.
Nüchtern betrachtet sparen die TSF Heuchelheim II mit ihrem Umzug in die Fußball-Kreisliga A Wetzlar bei den längsten Auswärtsfahrten der Saison künftig sogar im Vergleich zur A-Liga Gießen: Während es nach Cleeberg und Waldsolms von Heuchelheim aus rund 25 Kilometer sind, müssten nach Hungen rund 30 und zur FSG Horlofftal gar 35 Kilometer zurückgelegt werden.
»Nachdem wir uns das Ganze angesehen und alle Argumente abgewogen haben, war klar: Wir brechen uns damit keinen Zacken aus der Krone. Es gibt fast keinen Unterschied. Das ist eher eine emotionale Geschichte«, weiß Thorsten Balser, stellvertretender Vorsitzender und stellvertretender Fußball-Abteilungsleiter der TSF Heuchelheim.
Mit ihrem Umzug von der Gießener in die Wetzlarer A-Liga haben die TSF ihren lokalen Nachbarn einen Gefallen getan: Keiner der 19 Vereine wollte in einen Nachbarkreis wechseln, genauso wenig aber sollten es 36 Spieltage werden. Im Gespräch schildert Balser den Weg zur Entscheidungsfindung und weshalb er der neuen Herausforderung optimistisch entgegenblickt.
Herr Balser, wie sahen die ersten Gedankenspiele hin zu einem Wechsel der TSF Heuchelheim II in die A Wetzlar aus?
Nun, im Juni gab es ja mit allen Vereinsvertretern Gespräche. Es war klar, dass wir eine Lösung brauchen und mindestens eine Mannschaft umziehen muss. Da wären die FSG Bessingen/Ettingshausen/Langsdorf oder die Hungener FSG sicherlich aufgrund ihrer Lage infrage gekommen. Dort gab es aber ebenso wenig ein Bestreben wie in Fernwald oder Großen-Buseck, wo man einen direkten Autobahnanschluss gehabt hätte.
Und dann sagten Sie sich: ›Gut, schauen wir uns das mal für Heuchelheim an?‹
Zunächst wurden weitere Ideen besprochen: Können wir Gießener Vereine aus Alsfeld zurückholen? Damit hätte man dem Alsfelder Fußball sicherlich keinen Gefallen getan. Auch mit einem Losentscheid konnte sich keiner so recht anfreunden. Wir haben in Gießen Glück mit unserem Kreisfußballauschuss. Henry Mohr und seine Kollegen arbeiten sehr transparent und beziehen alle Vereine offen mit ein. Da gibt es keinen Grund zum Meckern. Und da wird auch nicht einfach etwas entschieden. Das ist sehr gut. In einem Gespräch mit Hans Kloß aus Großen-Buseck sind wir dann das Modell, in die A Wetzlar zu wechseln, mal konkret durchgegangen. Und wir haben festgestellt: Das ist gar kein großer Mehraufwand für uns.
Was haben Sie dann gemacht?
Alle Trainer der ersten und zweiten Mannschaft wurden einbezogen. Ich habe Ulrich Faßl nach seiner Meinung gefragt und wir kamen zum Schluss: Es ist einen Versuch wert. Vielleicht locken wir durch neue, attraktivere Gegner mehr Zuschauer an? Vielleicht ist diese Entscheidung auch mit einer sportlich anderen Aussicht verbunden. Immerhin steigen nur drei statt sechs Mannschaften ab. In der Folge haben wir eine Spielersitzung an einem trainingsfreien Dienstag einberufen.
Wie lief diese ab?
Wir haben alles vorgestellt, die Gegner, die Kilometer, die Veränderungen. Und wir haben klar betont, dass das Ganze auf ein Jahr begrenzt wäre und wir in der kommenden Saison wieder in der A Gießen spielen können. Dann entstand eine lebendige Diskussion innerhalb der Mannschaft. Ein älterer Akteur sagte: ›In Gießen weiß ich, was ich habe.‹ Ein Jüngerer entgegnete: ›Lass uns doch mal was Neues probieren, ist doch cool!‹ Es ging offen hin und her. Klar ist, dass wir in der A Gießen bis zum Jahresende an jedem Wochenende gespielt hätten, inklusive dem 3. Oktober. Irgendwann haben wir abgestimmt. Das hat dazu geführt, dass wir jetzt in der Kreisliga A Wetzlar auflaufen. Bisher hat diese Entscheidung jeder zu 100 Prozent getragen. Es gab seit diesem Tag keine negative Äußerung. Im Gegenteil: Die Reaktionen sind positiv. Manch älterem Mitglied müssen wir das Ganze noch mal erklären, aber die Vorfreude auf das Neue überwiegt eindeutig.
Was bedeutet der Umzug konkret?
Von den Entfernungen gibt es kaum Unterschiede. Ob ich nach Cleeberg oder Hungen fahre, bleibt gleich. Mit drei Wetzlarer Mannschaften, dazu Dutenhofen, Blasbach, Dorlar und Hohenahr liegt ja schon fast die Hälfte der Kontrahenten im direkten Umfeld. Das wird klasse. Wir haben organisatorisch keinen wirklichen Mehraufwand, die Verlegungswünsche sind ebenfalls bereits geklärt. Es ist eben ein anderer Fußballkreis, wo du selbstverständlich noch nicht überall die gleichen kurzen Dienstwege wählen kannst wie im vertrauten Kreis. Aber auch das legt sich und funktioniert.
Der Ausflug nach Wetzlar ist auf ein Jahr begrenzt?
Ich gehe davon aus, dass wir in der Saison 2023/24 wieder in der Kreisliga A Gießen spielen werden. Ob wir am Ende der Saison noch einmal diskutieren, kann ich jetzt noch nicht sagen.
Gehen Sie davon aus, dass kreisübergreifende Lösungen in Zukunft öfter vonnöten sein werden?
Auf jeden Fall. Im Fußballkreis Gießen sind wir mit über 100 Vereinen verhältnismäßig gut aufgestellt. Wer sich aber die Entwicklung in Alsfeld oder Marburg/Biedenkopf ansieht, ahnt, dass es bald kreativere Ansätze braucht. Dafür plädiere ich seit einem Jahrzehnt: Wir brauchen Spielreformen und einen Spielplan, der sich nach dem Kalenderjahr und damit dem geänderten Verhalten der Menschen richtet. Um eine engere Zusammenarbeit der Kreise kommen wir nicht herum.
