Gegen Spitzenreiter wie die Adler fliegen

Die HSG Wetzlar will sich am Sonntag gegen Bundesliga-Spitzenreiter SC Magdeburg von über 4000 Zuschauern ebenso zu einer Glanzleistung treiben lassen wie die Eintracht-Adler am Donnerstag im Europacup gegen den FC Barcelona.
Auch wenn der Rhythmus wegen des zerfletterten Spielplanes fehlt. Auch wenn das Zuschauer-Heimspielcomeback gegen den Bergischen HC daneben ging. Auch wenn der SC Magdeburg turmhoher Favorit ist - die HSG Wetzlar glaubt im Bundesliga-Heimspiel am Sonntag um 14 Uhr in der Buderus-Arena gegen den spielstarken Spitzenreiter an ihre Chance. So wie Fußball-Bundesligist Eintracht Frankfurt vor zwei Tagen in der Europa League gegen den ruhmreichen FC Barcelona. Mithilfe von über 4000 Zuschauern soll an die vielen guten Leistungen im bisherigen Saisonverlauf sowie an die zahlreichen Überraschungen der Vergangeheit eben gegen den ehemaligen Champions League-Sieger angeknüpft werden.
Die Historie: Die Erstliga-Duelle zwischen den Grün-Weißen und den Bördestädtern zählen seit dem Bundesliga-Aufstieg 1998 zu den ereignisreichsten jeder Saison - vor allem in den Heimspielen in Dutenhofen und in Wetzlar. In der Premieren-Saison wurde der SCM mit einem entnervten Stefan Kretzschmar gleich mal mit 22:19 niedergekämpft, in der Magdeburger Meistersaison 2000/2001 gab es kurz vor Nikolaus ebenfalls ein 27:25 - unvergessen jedoch das 30:29 am 2. Juni 2007 mit dem damals erst am letzten Saisonspieltag dank 18 Matosevic-Paraden und dank dieser Sensation geschafften Klassenerhalt in einer überfüllten Arena. Mit Weltstar Ivano Balic gab es in den Spielzeiten 2014 und 2015 sogar zwei Wetzlarer Heimerfolge in Serie - die Heimbilanz ist mit 24:18 Zählern positiv. Der SCM weiß, was ihn erwartet, zumal die Buderus-Arena bei bereits bis Freitag 4000 verkauften Tickets höchstwahrscheinlich ausverkauft sein wird. Es gibt nur noch Stehplatzkarten.
Die Formkurve des SC Magdeburg: Der SC Magdeburg hat am Dienstag als einziger deutscher Klub das Viertelfinale der European League erreicht. Der Tabellenführer der Handball-Bundesliga zog durch ein erzittertes 36:35 gegen Sporting Lissabon in die Runde der letzten Acht ein, im Hinspiel hatten sich beide Klubs 29:29 getrennt. Magdeburg tat sich gegen den portugiesischen Tabellenführer lange Zeit schwer, Lukas Mertens erzielte erst 15 Sekunden vor Schluss den Siegtreffer. Überragender Akteur war aber Omar Ingi Magnusson mit seinen zehn Toren. Vor zwei Wochen allerdings hatte das Team von Trainer Bennet Wiegert den Liga-Gipfel in eigener Halle gegen Rekordmeister THW Kiel mit 25:30 verloren und liefe im Falle einer weiteren Niederlage bei der HSG Wetzlar Gefahr, den Fünf-Punkte-Vorsprung auf Verfolger Füchse Berlin einzubüßen. Dementsprechend konzentriert und fokussiert wird das Team um den Ex-Wetzlarer Philipp Weber an die Aufgabe in der Buderus-Arena herangehen.
Das Personal: Die HSG Wetzlar kann den bis Saisonende verpflichteten ukrainischen Nationaltorhüter Gennadiy Komok aufbieten und muss somit effektiv nur auf die langzeitverletzten Alexander Feld und Patrick Gempp verzichten. »Es gibt zwar ein paar Wehwehchen, aber nichts Gravierendes«, kann die Matschke-Truppe personell Vollgas geben.
Der SC Magdeburg hat nach dem wegen des 12:1-Zeitstrafenvorteils (!?) umstrittenen Ein-Tore-Erfolges über Sporting Lissabon noch keine Personalaussagen getroffen, wohl aber erst auch mal Wunden zu lecken und zu regenerieren.
Die Einschätzung: Wenn bei Wetzlar beide Abwehrsystem sitzen. Wenn gegen die höher stehende Magdeburger Deckung die Rückraum-Halben Lenny Rubin und Stefan Cavor effektive Fernwurf-Lösungen finden. Wenn das Eins-gegen-eins-Spiel in die Tiefe auf Wetzlarer Seite mehr als ein Option ist - dann müssen Bezjak, Damgaard, Weber und Co. schon alles abrufen, um nicht in die Bredouille zu geraten. »Dafür müssen wir«, wie Trainer Matschke einräumt, »die Bälle aber auch reinmachen.«
Das sagt Benjamin Matschke: »Da kommt ein Team, das erst zweimal in dieser Saison verloren hat. In der Bundesliga: Das sagt alles!« Neben der spielerischen Klasse »mit zwei kompletten Rückraumreihen auf höchstem Niveau« und der seit Jahren gewachsenen mannschaftlichen Geschlossenheit verweist der Wetzlarer Trainer auf einen weiteren, für ihn noch bedeutenderen Umstand: »Da ist diese unfassbare Gier nach dem Titel« bei den Magdeburgern, die 2001 den ersten und bislang letzten gesamtdeutschen Titel mit ihrer Kuleschow-Abatai-Kretzschmar-Wiegert-Startruppe unter der Regie von Alfred Gislasson gewannen.
Dennoch sieht Matschke die Grün-Weißen nicht chancenlos. »Wenn mir einer vor Saisonbeginn gesagt hätte, dass wir am 26. Bundesliga-Spieltag das Topspiel bestreiten würden, wäre ich lachend in den Schlaf gesunken.«
(jl). Handball-Bundesligist HSG Wetzlar ist kurzfristig nochmal auf dem Transfermarkt aktiv geworden. Die Mittelhessen haben Kreisläufer Tomislav Kusan mit sofortiger Wirkung nach Katar abgegeben. Im Gegenzug haben die Grün-Weißen den ukrainischen Torhüter Gennadiy Komok bis Saisonende auf Leihbasis verpflichtet. Der 34-Jährige befand sich bereits mit der ukrainischen Nationalmannschaft in Deutschland und wurde nach bestandenem Medizincheck als Ersatz für den am Innenband verletzten, mindestens noch sechs Wochen fehlenden Anadin Suljakovic verpflichtet.
Komok spielt seit 2015 für den ukrainischen Top-Club HC Motor Saporoschje und nahm mit dem Team in den vergangenen Jahren regelmäßig an der Champions League teil. Dazu bestritt der 1,97 Meter große Keeper über 50 Länderspiele für die Ukraine und nahm zuletzt an der Handball-Europameisterschaft in Ungarn und der Slowakei teil. Da seit Kriegsbeginn in der Ukraine der Trainings- und Spielbetrieb komplett lahmgelegt ist, besteht für Spieler von dortigen Vereinen die Möglichkeit, sich neuen Clubs im Ausland anzuschließen - auch nach dem Ende der jeweiligen Transferperiode.
»Wir freuen uns sehr, dass sich Gennadiy für unser Angebot entschieden hat und wir ihm, seiner Frau und seinen beiden Kindern hier in den kommenden Wochen und Monaten ein geordnetes Leben in Sicherheit bieten können«, so HSG-Geschäftsführer Björn Seipp. »Gennadiy wird mit seiner Erfahrung und Qualität die sportliche Lücke, die der längerfristige Ausfall von Anadin Suljakovic hinterlässt, vollumfänglich schließen. Zudem hält seine Verpflichtung auch Till Klimpke in vielerlei Hinsicht den Rücken frei.«
Komok befindet sich seit etwas mehr als zwei Wochen in Deutschland, nachdem das ukrainische Sportministerium der Nationalmannschaft die Ausreise genehmigt hatte. Gemeinsam mit ihren Frauen und Kindern reisten die Spieler und Trainer über Ungarn nach Deutschland. Bis vor zwei Tagen absolvierte das Team ein Trainingslager in Großwallstadt. Jetzt ist der Tross nach Rostock weitergereist, allerdings ohne Gennadiy Komok, der ab sofort mit der Rückennummer 55 für die HSG Wetzlar aufläuft und schon am Sonntag im Heimspiel gegen den Tabellenführer SC Magdeburg zum Einsatz kommen wird. Die internationale Transferfreigabe liegt vor.
Dann nicht mehr mit dabei ist Kreisläufer Tomislav Kusan. Die Mittelhessen haben sich mit dem katarischen Topclub Al Arabi Sports Club auf einen Wechsel des 27-Jährigen geeinigt. Kusan hat dort nach bestandenem Medizincheck einen Vertrag bis Saisonende unterzeichnet. Ursprünglich hatten sich Kusan und die HSG Wetzlar auf einen Vertrag bis 30. Juni 2023 geeinigt, allerdings mit einer beidseitigen Ausstiegsklausel zum Ende der laufenden Saison. Diese hatte der Kroate jedoch bereits im Dezember vergangenen Jahres gezogen, um ab diesem Sommer doch zum ambitionierten französischen Erstligisten Limoges Handball zu wechseln.
