FC Gießen: Trainer- Entscheidung bis zum nächsten Wochenende?

Die 20. Saison-Niederlage im abschließenden Heimspiel von Regionalliga-Absteiger FC Gießen gerät zur Nebensache. Die Fan-Plakate und die Trainer-Frage bestimmen die Diskussionen.
Wenn es noch der Bestätigung eines notwendigen Umbruchs im Kader des FC Gießen bedurfte, wurde sie am Samstag im Waldstadion geliefert. Der 20. Saison-Niederlage des Tabellenletzten der Fußball-Regionalliga Südwest ging eine für Gießener Verhältnisse seltene Fan-Botschaft voraus.
»Kein Kampf, kein Sieg, kein Wille = Abstieg!«, stand auf großen Lettern auf einem Plakat der verbliebenen FC-Fans in Richtung Mannschaft. Nach dem 1:2 (1:0) gegen die TSG Hoffenheim II vor 320 Besuchern knirschte es damit nun auch zwischen Anhängern und Mannschaft selbst.
»Wir sind sehr, sehr enttäuscht über diese Plakate«, erklärte Trainer Daniyel Cimen nach der Partie. »Bis auf diese eine Halbzeit gegen den FSV Frankfurt kann ich der Mannschaft nichts vorwerfen. Ein Abstieg ist nie schön, aber man sollte das Team fair bewerten. Das sind schon harte Vorwürfe. Wir wurden nie 0:5, 0:6 auseinandergenommen. Deswegen habe ich den Jungs gesagt, dass sie sich nicht bei den Fans bedanken sollen.«
Fraglich, ob es in der von Zwist und Misstrauen geprägten Kultur von Notvorstand Turgay Schmidt überhaupt noch eine Ebene im Verein gibt, in der keine Risse zu erkennen sind.
Die nächste wegweisende Entscheidung nach dem Abstieg in die Hessenliga jedenfalls darf bis zum Wochenende erwartet werden: Bleibt Daniyel Cimen, seit viereinhalb Jahren auf dem Trainerstuhl, oder geht der FC mit einem neuen Übungsleiter in die Saison 2022/23?
Es gibt durchaus nachvollziehbare Argumente für einen Tapetenwechsel in Liga fünf, in der der Fokus mehr auf regionalen Spielern liegen sollte - die Tendenz aber geht in Richtung Verbleib von Cimen, der zudem einen gültigen Kontrakt bis Sommer 2023 besitzt. »Ich fahre am kommenden Sonntag in den Urlaub. Es wäre schön, wenn ich mit Planungssicherheit in diesen Urlaub fahre - egal in welche Richtung es geht.«
Dem Notvorstand dürfte viel daran gelegen sein, die größte sportliche Baustelle ohne weitere Mühe erledigt zu haben - und nicht über seinen Sportlichen Leiter Christian Memmarbachi einen neuen Trainer suchen zu müssen. Ihre Verträge bereits aufgelöst haben Giuseppe Burgio, Niclas Mohr und Nejmeddin Daghfous - viele weitere Abgänge werden folgen, ein (sich jährlich wiederholender) Radikalumbruch steht bevor.
Gegen die Bundesliga-Reserve aus dem Kraichgau legte der FC im 51. Regionalliga-Spiel der Vereinsgeschichte und der letzten Heimpartie der Saison vielversprechend los.
Dem Führungstreffer von Takero Itoi in der 17. Minute folgte nur zwei Minuten später fast das 2:0 durch Japaner Nummer zwei, Ko Sawada. Der dritte Asiate im FC-Bunde, Ryunosuke Takehara, musste mit ansehen, wie in Minute 24 aus der verteidigenden Viererkette, der er angehörte, zwangsläufig eine Dreierkette wurde.
Ex-Profi Marian Sarr vertändelte in Strafraumnähe den Ball gegen Hoffenheims Nick Breitenbücher und brachte diesen umgehend zu Fall - Schiesdrichter Dennis Meinhardt sah eine Notbremse und zückte Rot.
Cimen widersprach später: »Michael Fink hätte eingreifen können. Zu diesem frühen Zeitpunkt des Spiels muss es eine klare Notbremse sein. Schade.« Trotzdem besaß der Platzverweis zunächst wenig Einfluss aufs Spielgeschehen.
Die Wende kam in Hälfte zwei: Direkt nach Wiederanpfiff führte ein Fehlpass von Dennis Owusu zum TSG-Konter, den Breitenbücher nach schöner Quervorlage von Nick Proschwitz zum direkten Ausgleich nutzte (46.).
»In den letzten Minuten haben die Kräfte nachgelassen«, wusste Cimen, der bis auf den Lattentreffer von Gästeakteur Gautier Ott (83.) wenig Möglichkeiten sah. Unter den Augen des an den Hüften operierten und abwandernden Donny Bogicevic fiel in der 85. Minute dann noch der Hoffenheimer Siegtreffer. Max Geschwill beförderte den Ball nach einer Ecke ins Gießener Netz.
Auf die Frage, ob der letzte heimische Regionalliga-Auftritt vor dem Abstieg etwas Besonderes gewesen sei, antwortete Cimen: »Nein. Emotional war es nicht« - vielleicht ein (Teil-) Grund für den Fan-Eindruck, der FC habe sich nicht ausreichend gegen den Abstieg gestemmt.
FC Gießen: Löhe - Gaudermann, Fink, Sarr, Takehara - Münn (64. Fisher), Trkulja - Owusu, Sawada (36. Kling), Itoi (74. Sevim) - Öztürk (64. dos Santos).
TSG Hoffenheim II: Noll - Szarka, Boras (66. Agha), Geschwill, Ott - Casar (66. Zeller), Zaiser - Hagmann, Breitenbücher (88. Ludwig), Bouthakrit (46. Gollnack) - Proschwitz (70. Kang)
Im Stenogramm: Tore: 1:0 (17.) Itoi, 1:1 (46.) Breitenbücher, 1:2 (85.) Geschwill. - Bes. Vork.: Rot: Sarr (24., Notbremse / Gießen). - Z.: 320. - SR: Dennis Meinhardt (Flieden).
