Eine ultimative Partie

Nach einem Jahrzehnt in der Sicherheitszone der Bundesliga-Tabelle, prickelt es wieder bei der HSG Wetzlar. Eine Region scheint geweckt. Zum ultimativen Thriller im Abstiegskampf gegen GWD Minden werden wieder 4000 Zuschauer erwartet.
Die obligatorische Pressekonferenz vor dem Bundesliga-Kellerduell der HSG Wetzlar am Samstag um 18.30 Uhr in der Buderus-Arena gegen GWD Minden fand wegen der terminlichen Überschneidung mit der »Messe W3+ FAIR« - selbst für die Verantwortlichen unbewusst - an historischer Stätte statt. Im kleinen Besprechungsraum der altehrwürdigen Sporthalle Dutenhofen schworen just vor 25 Jahren Rainer Dotzauer als Sportlicher Leiter und Horst Spengler als Trainer auf das Aufstiegs-»Endspiel« beim EHV Aue ein. Am 4. April 1998 siegten die Grün-Weißen sicher mit 29:22 im Erzgebirge und schafften den lange ersehnten Aufstieg. Diesmal standen Geschäftsführer Björn Seipp, Sportlicher Leiter Jasmin Camdzic und Trainer Hrvoje Horvat den Medienvertretern von Presse, Funk und Fernsehen Rede und Antwort. Wenn das mal kein gutes Omen für diese ultimative Partie im Erstliga-Abstiegskampf für die Grün-Weißen ist…
Die Ausgangssituation: Mit elf Punkten rangiert die HSG Wetzlar als Tabellen-16. vier Zähler vor Samstag-Gast GWD Minden (7/17.) auf dem ersten Abstiegsplatz. Im Falle eines Heimerfolgs könnten sich die Grün-Weißen somit bereits auf sechs Punkte von den Mindenern absetzen, die zwar noch zwei Nachholpartien in der Hinterhand haben, dort aber sowohl beim HC Erlangen als auch gegen die SG Flensburg/Handewitt klare Außenseiter sind.
Wie ist die aktuelle Verfassung von Kontrahent GWD Minden? Das Team von Trainer Frank Carstens, dessen Vertrag nach acht Spielzeiten von den Ostwestfalen nicht verlängert wird, hat bislang in dieser Saison mit dem 29:26 im vergangenen November bei Frisch Auf Göppingen erst einen Auswärtssieg einfahren können. In der heimischen Kampa-Halle, die fortan wegen Renovierungsarbeiten nicht mehr zur Verfügung steht, wurden in den beiden vergangenen Wochen die erhofften Befreiungsschläge verpasst. Gegen den TVB Stuttgart setzte es eine 23:29-Niederlage, gegen Frisch Auf Göppingen reichte es nur zu einem 27:27-Unentschieden. Das letzte Mindener Erfolgserlebnis datiert ebenfalls aus dem vergangenen November, als das Heimspiel gegen Neuling ASV Hamm-Westfalen mit 32:23 gewonnen wurde.
Die Personalsituation: Wetzlars Trainer Hrvoje Horvat kann wieder auf den zuletzt erkrankten Torhüter Till Klimpke und somit auf seinen kompletten Kader bauen. Bei Minden fehlen auf jeden Fall der Rückraumlinke Fynn Hermeling (Knieverletzung), auch Kreisläufer Timo Stoyke und Mittelmann Magnus Holpert stehen Trainer Frank Carstens weiterhin aufgrund ihrer Schulter- bzw. Knieverletzung nicht zur Verfügung. Die Aufbau-Rekonvaleszenten Max Janke und Doruk Pehlivan sollen mit kurzen Einsatzzeiten wieder in das Team zurückgeführt werden.
Auf wen müssen die Wetzlarer bei den Ostwestfalen achten? Die Last im Mindener Spiel ist auf wenige Schultern verteilt. Auf Torhüter Malte Semisch ist meist Verlass, Linksaußen Mats Korte und Rechtsaußen Tomas Urban bestechen durch ihre Gegenstoßstärke, aus dem Rückraum sorgen der frühere Leipziger Niclas Pieczkowski und der während der Saison von den Rhein-Neckar Löwen gekommene Philipp Ahouansou für Gefahr, derweil der Tunesier Mohamed Amine Darmoul die Fäden zieht.
Welche Erkenntnisse hat der erlösende Wetzlarer 30:28-Erfolg in Stuttgart geliefert? Die lange Zeit verletzt fehlenden Stefan Cavor und Magnus Fredriksen finden immer besser zurück zu ihrer Form und verleihen der Aufbaureihe zusammen mit Lenny Rubin die erhoffte Stabilität. Die Anzahl der technischen Fehler wurde - bis auf die hektische Schlussphase - stark in Grenzen gehalten. Erik Schmidt erfüllt seine Aufgaben am Kreis offensiv wie defensiv so, wie es sich Trainer Horvat vorstellt. Dazu kommt, dass Domen Novak als ungestümer, couragierter Außenspieler Akzente setzt sowie die Neuzugänge Filip Kuzmanovski und Nikita Pliuto in den Eins-gegen-eins-Aktionen die erwartete körperliche »Unverrückbarkeit« an den Tag legen. Das Wetzlarer Spiel hatte im Schwäbischen sowohl mehr Breite zu den Flügeln als auch mehr Tiefe im Durchbruch und zum Kreis.
Die Konsequenzen für das Minden-Match: Ex-Kapitän Adam Nyfjäll, auf der Suche nach der Form der Vorsaison, muss sich am Kreis hinten anstellen. Hendrik Wagner, offensiv seit Monaten auf der Suche nach sich selbst, ist auf Halblinks die Nummer drei hinter Rubin und Kuzmanovski. Lars Weissgerber, lange im Schatten von Kristian Björnsen, steht aktuell im eigenen Schatten. Die Youngster Jonas Schelker und Jovica Nikolic müssen sich gedulden, auf und neben dem Spielfeld.
Das sagen die HSG-Verantwortlichen: »Wir müsssen den guten 55 Minuten von Stuttgart 60 starke gegen Minden folgen lassen«, erwartet Trainer Horvat eine weitere Steigerung. »Wir müssen alle helfen, dass die Mannschaft erfolgreich ist«, setzt Geschäftsführer Björn Seipp auf Umfeld und Zuschauer. »Die Steine, die vom Herzen fallen, werden größer, wenn wir gewinnen«, ergänzt der Sportliche Leiter Jasmin Camdzic vom Wetzlarer Führungstrio an - wie gesagt - historischer Stätte, wo vor 25 Jahren der Erstliga-Aufstieg beschworen wurde.