Eine Frage der Denkart

(lab). Seit knapp einer Woche ist Jana Becker im Besitz eines schmucken Stücks aus Silber: Ihre Medaille, die sie bei den U18-Europameisterschaften über 800 m in Jerusalem geholt hat. Auf den letzten Metern packte Becker ihren Schlussspurt aus, den sie ihren starken Leistungen auf den Unterdistanzen verdankt. Und auf der Tribüne jubelten neben einer »gelben Wand« aus deutschen Teamkameraden auch ihre Eltern mit.
Wenige Tage vorher war die Anreise des deutschen Teams wegen eines Flugausfalls in Frankfurt allerdings noch fraglich. Wie es die Mannschaft dennoch nach Jerusalem geschafft hat und wie sie das Rennen erlebt hat, erzählt die Läuferin der LG Wettenberg im Interview.
Seit einiger Zeit sind Sie jetzt wieder in Deutschland und hatten Zeit, das Ganze etwas zu reflektieren. Wir hat denn Ihr Umfeld auf den Erfolg reagiert?
Schon im Vorhinein waren alle super glücklich und stolz, dass ich da mitfliegen darf und dass wir im Endeffekt überhaupt hingekommen sind. Denn das war wirklich kritisch am Anfang und sah gar nicht so gut aus, sodass dann alle sehr erleichtert waren, als wir es nach Jerusalem geschafft hatten.
Das heißt, das Ankommen stand wirklich auf der Kippe?
Ja. Uns wurde auch erzählt, dass den Betreuern, die sich um neue Flüge gekümmert haben, gesagt wurde, wir können es abhaken. Wir wurden dann auf Flieger aufgeteilt, deswegen kamen wir alle nach und nach am Sonntag an. Dort hat man dann schon gemerkt, dass einen noch mal mehr Leute unterstützen als »nur« bei deutschen Meisterschaften. Meine Eltern waren vor Ort, mein Papa ist nicht so oft dabei, weshalb es für ihn, denke ich, noch mal sehr besonders war, beim Höhepunkt der Saison dabei zu sein.
Auch innerhalb des deutschen Teams wirkt es bei Jugendmeisterschaften immer so, als würde ein besonderer Zusammenhalt entstehen.
Genau, man kannte sich unter den Läufern schon ein bisschen, aber solche von den anderen Disziplinen nicht so richtig. Dadurch, dass wir alle hier (In Frankfurt, Anm. d. Red.) gestrandet sind, sind wir schon mal enger zusammengewachsen. Im Stadion ist es einfach unvorstellbar, wie gut dann der Zusammenhalt war. Bei meinem Finale saß eine ganze gelbe Wand auf der Tribüne, die mich alle angefeuert haben. Mittlerweile sind wir ein echt gutes Team geworden.
Noch mal zu dem Finallauf: Ihnen scheint es zu gelingen, in besonderen Situationen cool zu bleiben. Wodurch kommt das?
Die Erfahrung, die ich schon habe, macht auf jeden Fall was aus. Mein Trainer hat mir immer gesagt, wie wichtig es ist, cool zu bleiben. Man muss sich im Klaren sein mit seinem Mindset. Während des Rennens an sich habe ich tatsächlich gar nicht gemerkt, dass ich an letzter Stelle bin. Ich wusste, dass es gerade taktisch ist und gleich noch schnell wird. Ich hätte vielleicht etwas früher antreten können, aber man lernt ja aus so etwas.
Also, dass Sie sich eher hinten im Feld aufhalten, war nicht die Taktik?
Nein, wir haben eigentlich alle gedacht, es wird ein schnelles Rennen. Aber manchmal kommt es eben anders als gedacht, in dem Moment war ich vielleicht etwas zu überrascht. Beziehungsweise ich habe mir davor auch nicht zugetraut, um Gold mitzurennen.
Generell fällt auf, dass Sie noch kein schwächeres Rennen in dieser Saison hatten? Woher kommt diese Konstanz?
Ich glaube, das hat auch etwas mit dem Mindset zu tun, dass ich mir in den letzten Jahren aufgebaut habe. Letztes Jahr hatte ich schon ein paar Rennen, wo es nicht perfekt lief. Aber ich hatte das Gefühl, dass ich dieses Jahr an sich etwas entspannter an die Wettkämpfe vor der EM rangegangen bin.
Welche Ziele setzen Sie sich für die Zukunft? Wie geht es schulisch weiter?
Ich habe dieses Jahr die Realschule beendet und jetzt erst mal lange Ferien. Ich mache aber weiter und komme dann nächstes Schuljahr in die Oberstufe. Sportlich stehen am Wochenende noch die »Deutschen« an, danach mache ich noch ein paar kleine Sachen und laufe einige andere Strecken. Nächstes Jahr stehen in der U18 leider keine internationalen Meisterschaften an. Dafür sind wieder U20-Europameisterschaften. Und dafür möchte ich mich qualifizieren.