»Ein richtiger Rückschlag«

Im Kampf um die Playoff-Qualifikation in der 2. Basketball-Bundesliga ProA kassierten die Gießen 46ers am Samstagabend einen Rückschlag. Die Gäste der Nürnberg Falcons entführten die Punkte aus der Osthalle vor 2531 Fans mit einem 82:74 (32:42).
Sechs Spieltage vor Ende der Hauptrunde ist das fatal, weil die Gießen 46ers mit Paderborn und Bremerhaven zwei direkte Konkurrenten vor der Brust haben. Zudem geht es für den Tabellensiebten noch gegen das Spitzenduo der Basketball-ProA - Vechta und Tübingen. Ein Grund für die 74:82-Niederlage gegen Nürnberg war die Verletztenmisere der 46ers. »Irgendwann zahlst du die Rechnung dafür. Wir haben unter der Woche teils nur zu sechst trainiert,« sagte Gießens Headcoach »Frenki« Ignjatovic.
Der Serbe war kurz zuvor als einer der ersten aus der Halle marschiert. Wie blank die Nerven nach diesem Punktverlust lagen, verdeutlicht eine Szene, die sich direkt nach Ignjatovis Kabinengang ereignete. Diverse Spieler ließen sich zu diesem Zeitpunkt interviewen, nicht zuletzt Jordan Barnes, der im Livestream des Vereins Rede und Antwort stand. Assistenztrainer Nikola Stanic ging das nicht schnell genug. Energisch sammelte er seine Spieler ein, die erst nach der Kabinenpredigt mit den Reportern sprechen sollten. Normalerweise ist der Stimmenfang nach der Partie Usus, wie natürlich auch Stanic weiß. Aber: Es war eben keine normale Niederlage, die die 46ers zu quittieren hatten. Die Verletzungssorgen haben Spuren hinterlassen.
Roland Nyama (Muskelriss) und Nico Brauner (Bänderriss) waren zum Zusehen verdammt. »Ich war froh, dass Stefan Fundic und Igor Cvorovic gespielt haben«, verteidigte Ignjatovic die ausbaufähigen Leistungen zwei anderer Schützlinge. Bei 100 Prozent seien sie aber nicht annähernd gewesen.
»Daran hat es nicht gelegen«, will Fundic die Gründe für die Niederlage nicht mit seinem fetten Bluterguss am Oberschenkel assoziiert wissen. Fakt ist aber, dass der Wühlbüffel durch die Verletzung, die er sich zuletzt in Münster zugezogen hatte, stark beeinträchtigt war. Zwölf Rebounds und zehn Punkte schrieb sich der Center ins Scoringbuch. Bei der Masse an Fehlwürfen, die sich die Gießener leisteten, hätte der passionierte Offensivrebounder normalerweise deutlich mehr Abpraller aufgesaugt. Fundic kämpfte nach allen Regeln der Kunst. Aber es reichte nicht.
»Hoffentlich kommt bis zum nächsten Spiel wenigstens noch ein weiterer Spieler zurück«, legte Ignjatovic den Finger in die größte Wunde: die Offensivflaute seines Teams. Die 46ers könnten es sich nicht leisten, regelmäßig Totalausfälle bei Leistungsträgern zu verkraften. 22 Prozent von der Dreipunktelinie, 38 Prozent aus allen Distanzen und nur 63 Prozent der Freiwürfe trafen das Ziel. Brauner und auch Justin Martin, der zwar 19 Minuten auf dem Parkett stand, seine Krise aber längst nicht überwunden hat (vier Punkte), fehlten an allen Ecken und Enden. Vor allem der Dreier - Gießens schärfste Waffe im Saisonverlauf - wollte nicht fallen. Neben Barnes (4/9) traf alleine Enosch Wolf von jenseits des Perimeters (1/2). Nürnberg - angereist mit acht Niederlagen in Folge - machte es kaum besser, traf dafür aber am Brett hochprozentig.
Es war ein defensiver Abnutzungskampf. Und das garniert mit einigen »kuriosen Szenen« an den Pfeifen (Ignatovic), die sich das Schiedsrichtergespann, allen voran Nicolai Bohn, erlaubte. Dabei führten die 46ers zu keinem Zeitpunkt. Regelmäßig kämpfte man sich nach zweistelligen Rückständen zurück: 8:12 (7.), 26:30 (16.), 38:44 (23.). Als Barnes einen der wenigen Dreier einstreute und Luis Figge nach Nürnberger Auszeit einen Stop erzwang, sangen die Fans hoffnungsfroh »Jetzt geht’s los«. Die Gäste fanden aber stets die richtige Antwort.
So auch im Schlussviertel: Über fünf Minuten hatte Gießen keine Korb aus dem Feld zugelassen und den Rückstand auf 70:74 schmelzen lassen (38.). Nürnbergs Jonathan Maier beendete die Flaute - und das nach unnötig abgegebenem Offensiverbound. Von diesem Nackenschlag erholten sich die Mittelhessen nicht mehr.
»Für die eigenen Ansprüche und diese Kulisse« - die 46ers knackten bei den Zuschauerzahlen einen Saisonrekord - »müssen wir uns gut überlegen, wie es nach der Saison weitergeht«, sinnierte Ignjatovic: »Es war ein richtiger Rückschlag.«
Vor der Osthalle demonstrierten Beschäftigte des Uni-Klinikums Marburg-Gießen. Die Aktion war mit den Gießen 46ers abgesprochen, wie Manager Jonathan Kollmar betont. Aufmerksam gemacht wurde auf Personalnotstand, die Unterversorgung in den Krankenhäusern und geplante Demonstrationen am 31. März.
Gießen: Barnes (30), Wolf (14), Fundic (10), Figge (8), Kahl (4), Cvorovic (2), Martin (4), Strangmeyer, Miksic (2).
Nürnberg: Ramanauskas (24), Köpple (2), Feneberg, Gille, Maier (12), Schröder (5), Wilder (15), Krimmer (10), Kreuser (14).
