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Ein Portugiese und ein Japaner in Mittelhessen

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Von: Markus Röhrsheim

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imago1007043669h_051121_4c © Imago Sportfotodienst GmbH

Der Portugiese Joel Ribeiro und der Japaner Ryuga Fujita sind die Exoten beim Handball-Zweitligisten TV 05/07 Hüttenberg.

Der TV 05/07 Hüttenberg ist äußerst beeindruckend in die 2. Handball-Bundesliga gestartet. Mit 12:6 Punkten steht man nach einem guten Viertel der Saison auf einem mehr als respektablen fünften Platz. In der Nationalmannschaftspause können die TVH-Handballer ein wenig durchschnaufen, ehe die Liga gleich wieder mit einer englischen Woche durchstartet. Zeit, um sich mit zwei Spielern zu unterhalten: Ryuga Fujita und Joel Ribeiro, die bisher noch nicht so im Fokus standen. Die einerseits in den Jugendstil des TVH mit ihren 22 (Fujita) und 20 (Ribeiro) Jahren passen, andererseits aber der starken heimischen Fraktion auch zusammen mit Kreisläufer Vit Reichl einen internationalen Anstrich geben. »Um neue Impulse zu setzen, haben wir uns bewusst dazu entschieden, einen Spieler von außerhalb zu holen«, sagte Florian Laudt aus dem Sportlichen Leitungsduo im Sommer über die Neuverpflichtung des Portugiesen.

Wie seid Ihr zum Handball gekommen? In welchen Vereinen habt ihr vorher gespielt - und habt Ihr auch schon internationale Einsätze gehabt?

Fujita: »Als ich zehn Jahre alt war, fand meine Mutter zufällig eine Handball-Werbung in Tokio. Dann habe ich mir ein Training angeschaut und bin dabeigeblieben, was ich natürlich bis heute nicht bereue.«

Ribeiro: »Meine Verbindung zum Handball begann durch einen Freund meines Vaters, einen ehemaligen Spieler des FC Porto. Im Gespräch mit ihm sagte mein Vater, er wolle mich in eine Mannschaftssportart stecken, wisse aber nicht, in welche. Und dann sagte dieser Freund, dass Handball eine tolle Option wäre und dass es mir wirklich Spaß machen würde. Ich probierte es aus und spielte schließlich für meinen Heimatverein Almada AC. Drei Jahre später wechselte ich zu CCR Alto do Moinho, ebenfalls ein Verein in der Nähe meines Wohnortes, und später zu Sporting CP, wo ich in der Jugend drei nationale Meisterschaften gewann. Ich bin mit dem Handball aufgewachsen und habe bald gemerkt, dass die besten Spieler der Welt in Deutschland spielen, aber ich wusste immer, dass es sehr schwierig wird, hierher zu kommen. Mit der Teilnahme der portugiesischen Jugendnationalmannschaften an Europa- und Weltmeisterschaften wuchs der Wunsch, andere Ligen in Europa kennenzulernen. Als sich mir letztes Jahr die Gelegenheit bot, in Deutschland zu spielen, habe ich nicht lange überlegt und bin jetzt hier.«

Ryuga, Du hast schon einige Vereine außerhalb Deines Heimatlandes erlebt. Wie bewertest Du nun Hüttenberg, wo Du ja jetzt schon über ein Jahr hier bist ?

Fujita: »Ich habe das Gefühl, dass Hüttenberg für mich ein gutes Team ist in meiner Entwickl ung. Dieses Team ist sehr besonders, da es Dinge für jeden auffängt und wir alle gemeinsam für ein Ziel kämpfen. Seit dieser Saison habe ich das Gefühl, das ganze Dorf kämpft gemeinsam mit uns bei den Heimspielen.«

Joel, für Dich ist es die erste Auslandsstation. Wie hast Du Dich eingelebt, was gefällt Dir hier am besten ?

Ribeiro: »Ich habe mich gut eingelebt. Ich glaube nicht, dass ich mir einen besseren Empfang hätte wünschen können. Der Club hat alles getan, um meine Bedürfnisse zu erfüllen, und ist immer sehr hilfsbereit. Mich hat am meisten erstaunt und gefreut, dass so viele Menschen gekommen sind, um die Spiele zu sehen. Bei fast jedem Spiel ist die Halle voll. Das ist etwas, das in Portugal selten vorkommt, außer bei Spielen zwischen Sporting, Benfica oder Porto. Die Herzlichkeit und Unterstützung der Fans hier in Hüttenberg sind fantastisch. Das ist eindeutig das, was ich am meisten an diesem Ort mag.«

Und wie bewertest Du die 2. Liga in Deutschland im Vergleich zum portugiesischen Handball ?

Ribeiro: »Die 2. L iga in Deutschland ist unglaublich wettbewerbsfähig. Jeder kann jeden schlagen. Das macht die Liga noch attraktiver. In Portugal ist die Meisterschaft nicht umkämpft und wird zwischen Sporting, Porto und Benfica entschieden. In Portugal gibt es viel Qualität, aber nur wenige professionelle Mannschaften, was es sehr schwierig macht, die besten Spieler in der portugiesischen Liga zu halten. Ich würde sagen, dass einige Mannschaften aus der zweiten deutschen Liga in der portugiesischen Liga um Platz vier kämpfen könnten.«

Die deutsche Sprache ist nicht leicht. Wie sind Eure Fortschritte und wie klappt die Kommunikation auf dem Feld, aber auch mit Trainer Johannes Wohlrab ?

Fujita: »Ja, Deutsch fällt mir schwer. Ich gehe jetzt in einen Deutschkurs. Ich habe keine Verständigungsprobleme, aber ich muss mein Deutsch noch verbessern und es mehr in der Verständigung nutzen.«

Ribeiro: »Seit meiner Ankunft habe ich privaten Deutschunterricht bei einer portugiesischen Lehrerin, was das Lernen sehr beschleunigt. Die K ommunikation auf dem Spielfeld erfolgt immer auf Deutsch, ebenso wie die Vorträge der Trainer. Am Anfang war immer jemand da, der übersetzte, was gesagt wurde. Nach und nach verstehe ich mehr von dem, was gesagt wird, und ich brauche diese Hilfe immer weniger. Nach drei Monaten bin ich sehr zufrieden mit meinen Deutschkenntnissen und ich bin immer sehr motiviert, jeden Tag mehr zu lernen.«

Ryuga, was sind die Unterschiede im Vergleich zum letzten Jahr beim TV Hüttenberg, die Euch aktuell so erfolgreich machen ?

Fujita: »Ich denke, es gibt verschiedene Gründe. Ein wichtiger davon ist, dass jeder Spieler seine Rolle versteht und für das Team kämpft.«

Joel, Dein Start war mit Verletzung und kleiner Herz-OP leider nicht optimal. Wie geht es Dir - und wann hoffst Du wieder spielen zu können ?

Ribeiro: »Es handelte sich nich t um eine Herzoperation, sondern um eine Katheteruntersuchung, bei der festgestellt wurde, dass ich keine Anomalien hatte, was sehr positiv war. Aber leider hat mich ein Problem in meinem Knie dazu gebracht, wieder zu pausieren, und es steht bereits fest, dass ich eine Arthroskopie machen muss, damit die Ärzte einen besseren Blick auf das Problem werfen können. Da es noch keine konkrete Bewertung gibt, ist es leider nicht möglich zu sagen, wie lange ich ausfallen werde.«

Ryuga, Du bist neben Tobias Hahn und Tristan Kirschner einer von drei Rechtsaußen. Wie siehst Du Deine Rolle ?

Fujita: »Ich möchte mich jeden Tag im Training weiterentwickel n. Wenn ich auf den Platz gehe, geht es darum, dass ich 100 Prozent meines Spiels abrufe und dem Team bestmöglich helfe.«

Man hört so viel vom tollen Teamgeist. Was macht ihn so besonders ?

Ribeiro: »Ich bin zwar erst frisch zum Team gestoßen, aber ich konnte von Anfang an verstehen, dass jeder das Beste aus seinem Teamkollegen he rausholen will. Es geht darum, dem Team zum Sieg zu verhelfen, ohne an die Individualität zu denken. Das ist es, was einen starken Gruppengeist ausmacht: Alle arbeiten auf ein gemeinsames Ziel hin, ohne an die Individualität zu denken.«

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Internationaler Flair beim TV 05/07 Hüttenberg - der Portugiese Joel Ribeiro und der Japaner Ryuga Fujita. © Jenniver Röczey

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