Ein Leben zwischen Sport und Krieg

((sid). Von seinem Exil am Rhein sind es 2000 Kilometer bis in die Heimat - und doch ist der Schrecken von Saporischschja für Alexander Kasai ganz nah. Die Welt sorgt sich vor einer atomaren Katastrophe, der Handballprofi bangt um seine Liebsten in der umkämpften Region in der Ukraine. »Jeden Tag rufe ich meine Familie an und checke die Situation in unserem Land«, sagt Kasai.
Jeden Tag dasselbe Ritual: erst trainieren, dann telefonieren.
Kasai und seine Teamkollegen vom ukrainischen Meister HK Motor Saporischschja haben in Düsseldorf eine Übergangsheimat gefunden, denn dort, wo sie sich zu Hause fühlen, ist an Sport kaum zu denken. Noch weniger an professionellen. Dabei kann der, so sieht es Kasai, sogar das ewige Schwirren im Kopf kurz verstummen lassen: »Manchmal beruhigen sich dann die Gedanken.«
Beruhigt hat sich inzwischen auch die Diskussion über das Aufnahmeprojekt. Scharfe Kritik hatte es gegeben, Bundesliga-Boss Frank Bohmann verteidigte sein Handeln energisch als »Akt der Menschlichkeit«. Der deutsche Sport wolle »ein Zeichen für den Frieden setzen und den Handballern die Möglichkeit geben, ihren Beruf weiter auszuüben.«
Saporischschja ist mit seinem Atomkraftwerk akute Frontlinie. Fragen bleiben, besonders sportlicher Art. Wie lange bleibt das Team in der Liga? Was passiert, wenn es in der Ukraine grünes Licht für den Spielbetrieb gibt? Bald geht es los.
Im Auftaktspiel trafen die Ukrainer im Vorprogramm des Supercups am Mittwoch in Düsseldorf auf Bayer Dormagen und unterlagen mit 28:33 (15:17).
»Es war ein außergewöhnlicher Tag«, sagt der litauische Trainer Gintaras Savukynas. Es war für seine Spieler auch wieder eine Pause für den Kopf. Permanent, sagt Alexander Kasai, lassen sich die dunklen Gedanken ohnehin nicht verbannen.
Sein Verein hat in der NRW-Landeshauptstadt anständig Unterkunft gefunden, Heimspiele und Training finden in der Mehrzweckhalle Castello statt. Die Mannschaft hat sich ordentlich eingelebt, im Training wird gemeinsam gelacht - das tut gut.
Der Qualitätsunterschied zwischen der deutschen und der heimischen Liga ist laut Savukynas und Kasai »sehr groß«. Beim 31:31 im Testspiel gegen den Liga-Konkurrenten Eintracht Hagen zeigte die Mannschaft, die in der Ukraine seit 2013 ein Abonnement auf den Meistertitel hat, aber, dass sie es mit den deutschen Teams aufnehmen kann.
Sportliche Ergebnisse bleiben selbstverständlich nicht mal eine Nebensache. So viel monumentaler sind die Traumata des Krieges. Und doch, genau darum geht es ja auch: »Trotz des hässlichen Krieges in der Ukraine ist der Sport noch am Leben«, sagt Savukynas. Alexander Kasai will der Welt zeigen, »dass wir stark sind«.
Der Schrecken ist fern. Und doch so nah.