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Ein dickes Ausrufezeichen

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Von: Sebastian Kilsbach

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Die Gießen 46ers haben am letzten Spieltag der Hauptrunde der Pro A Tabellenführer Rasta Vechta zu Fall gebracht. 86:77 (41:43) hieß es nach 40 Minuten. Damit genießt der Club in den Playoffs Heimrecht - und sendet ein Signal des Aufbruchs.

Damit gehen die Gießen 46ers in der 2. Basketball-Bundesliga Pro A in die Meisterschaftsrunde und treffen dort als Rangvierter auf die Dresden Titans. Das erste Heimspiel findet bereits am Freitag um 19:30 Uhr statt. Am darauffolgenden Sonntag kommt es in der Best-of-Five-Serie zum zweiten Aufeinandertreffen bei den Sachsen. Grundlage dafür war der 21. Saisonsieg, der vor Rekordkulisse gegen Tabellenführer Vechta erzwungen wurde. 2.946 Zuschauer wollten sich die Gaudi nicht entgehen lassen.

Sie wurden Zeuge eines ausgelassenen Kevin Strangmeyer, der auf dem Parkettboden sitzend die Humba dirigierte und im Wechsel mit den Fans immer wieder »Ausrufezeichen!« anstimmte. Der Sieg war tatsächlich ein Ausrufezeichen in verschiedene Richtungen. Sportlich muss man mit den 46ers in den Playoffs rechnen, brachte man Primus Vechta doch ohne Center Enosch Wolf zu Fall, der aufgrund einer Vertragsklausel nicht gegen seinen Ex-Club antreten durfte.

Wirtschaftlich ist es ein Zeichen an alte und neue Sponsoren, sich von den Unkenrufen der Vorwoche nicht beirren zu lassen und weiter an das Projekt zu glauben, wie es Headcoach »Frenki« Ignjatovic ausgedrückt hatte.

Die Reaktion des Serben auf die Gerüchte um wirtschaftliche Probleme des Vereins fiel nach dem Vechta-Sieg so aus: »Ich bin froh, nach den Turbulenzen der letzten Tage das zu erhalten, was mich motiviert hat, nach Gießen zu kommen. Wir wollen am liebsten immer vor einer vollen Halle spielen. Das war immer mein Wunsch.«

Zu Saisonbeginn spielte man vor nur 1600 Fans. Manager Jonathan Kollmar hatte im Saisonverlauf immer wieder durchblicken lassen, dass eine höhere Auslastung der Sporthalle Ost auch finanziell wichtig sei, um den Etat gerecht zu werden. Die Aussicht auf (mindestens) zwei weitere Heimspiele vor voller Hütte ist da Balsam auf die Seele all jener, die es mit den 46ers halten.

Was laut Ignjatovic nicht unbedingt für alle gilt: »Es ist hier geil und bedrückend zugleich, zu sehen, wie wir gerne gegen uns selbst kämpfen.« Ein angeblicher Insider hatte die obenstehenden Gerüchte lanciert und für Unruhe gesorgt. Vor allem bei jenen, die für etwaige Missstände beim Verein am wenigsten können, das 46ers-Schiff auf Kurs halten möchten. So viel ist jedenfalls sicher: Die Mannschaft ließ sich davon nicht im Ansatz beirren.

Sie tat das, was sie die gesamte Spielzeit getan hatte: sich zerreißen. »Wir haben gegen ein Topteam wieder 17 Ballverlust erzwungen«, lobte Ignjatovic. Um jeden halbwegs losen Ball wurde gekämpft. »Sie haben in der zweiten Halbzeit dominiert«, bestätigte Vechta-Coach Ty Harrelson, der unter Ignjatovic vor zwanzig Jahren seine Karriere in Deutschland beim TV Langen gestartet hatte.

Vor allem unter den Brettern war es eine Willensleistung. Man verlor das Reboundduell zwar, aber eben nicht in einem Maße, das den Ausschlag gegeben hätte. Stefan Fundic schrieb sich sein 19. Double-Double (19 Punkte 10 Rebounds) in den Bogen. Igor Cvorovic brachte die Halle mit gleich zwei Alley-oop-Dunkings zum Jubeln. Und Strangmeyer? Das ganz eigene Ausrufezeichen des selten spielenden Ersatz-Centers fiel mit vier Punkte und vier Rebounds bei sieben Minuten Einsatzzeit nicht minder beeindruckend aus. Als der gebürtige Mittelhesse per Dreier zum 35:37 traf (19.), stand die Halle Kopf.

Freuen durfte sich Ignjatovic auch über die Abgeklärtheit seiner Mannen in der Schlussphase. Nachdem Kapitän Nico Brauner mit sieben Punkten in nur 70 Sekunden auf 66:60 stellte (32.), gab man die Partie nicht mehr aus der Hand. »Wir hatten einfach Bock«, beschrieb der Kapitän die Mentalität der diesjährigen 46ers-Mannschaft in vier Worten und ließ die Fans wissen, worauf sie sich in den Playoffs einstellen dürfen: »Da wollen wir bis zum Ende mit dabei sein!«

Damit es bei den 46ers über die Saison hinaus weitergeht, dafür arbeitet der Verein mit Hochdruck: »Wir sind gerade mit vielen alten und neuen Partnern im Austausch«, sagt Kollmar, der optimistisch ist, bald mit positiven Meldungen an die Öffentlichkeit gehen zu können.

Zur Wochenmitte wird es ein Treffen mit dem Aufsichtsrat geben, bei dem der aktuelle Stand der Dinge evaluiert würde. Eine konkrete Summe, die eventuell fehlt, will Kollmar nicht beziffern. Er stellt mit Blick auf den anlaufenden Dauerkartenverkauf für die neue Saison aber klar: »Es ist nicht so eng, wie es schon mal war. Jede Dauerkarte, die verkauft wird, ist aber eine zusätzliche Sicherheit.«

Gießen: Barnes (18), Brauner (12), Fundic (16), Figge (12), Kahl, Cvorovic (9), Martin (3), Strangmeyer (4), Nyama (6), Miksic (6).

Vechta: Schneider (11), Bayram, Jones (6), Ferner (6), Lodders (2), Schwieger (16), Wolf (10), Grünloh (2), Aminu (7), Flanigan (8), Bohannon (9).

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Knapp 3000 Zuschauer sehen in der Osthalle den 86:77-Sieg der Gießen 46ers um Luis Figge (l.) gegen den Hauptrundenmeister Rasta Vechta (rechts Joel Aminu), der den mittelhessischen Pro-A-Ligisten als Rangvierten in die Playoffs einziehen lässt. © Red

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