»Ein charakterstarkes Team«

(rol). Der vor der Saison festgelegte Spielmodus sorgte für große Spannung in der Fußball-Kreisliga A Alsfeld/Gießen. Denn die Aufstiegsrunde bot viel Überraschendes, aber noch mehr Packendes und beantwortete erst mit dem letzten Spieltag die Frage nach dem Meister. Dazu hätte der Spielplan nicht treffender gestaltet werden können. Denn innerhalb von nur drei Tagen trafen die beiden Erstplatzierten an den beiden letzten Spieltagen direkt aufeinander und lieferten sich mitreißende »Endspiele«.
Und so schien die FSG Kirtorf mit dem 1:0-Sieg beim ersten Aufeinandertreffen schon einen ganz entscheidenden Schritt in Richtung Meisterschaft getan zu haben, lag sie doch vorm letzten Match mit zwei Punkten Vorsprung vorne. Doch die FSG Laubach schlug mit demselben Ergebnis in Kirtorf zurück und zog damit noch an der Truppe von Jan Krätschmer vorbei zum Meistertitel. Es war also eine haarscharfe Entscheidung, wie auch Meistertrainer Benno Strunk zu spüren bekam. Denn der musste sich nach einem in der vergangenen Winterpause abgegebenen Versprechen einer Vollrasur hingeben. Und wer dessen Haarpracht kannte, weiß, dass das eine besondere Motivationsspritze für die Spieler gewesen sein muss. Strunk, der gleich in seinem ersten Jahr den Meistertitel holte, liefert im Rahmen eines Interviews die Erklärung für diesen Erfolg.
Herr Strunk, gibt es Besonderes von der Meisterschaftsfeier zu erzählen?
Nach dem Spiel in Kirtorf haben wir in Wetterfeld gefeiert. Dort habe ich mein Versprechen eingelöst und mir die Haare abrasieren lassen. Ansonsten sind die Letzten der Feier wohl so gegen 10 Uhr morgens nach Hause. Im Rahmen der Abschlussfeier wurde eine Woche später ebenfalls etwas ausgedehnter gefeiert. Mitte Juli wird es dann noch zu einer Abschlussfahrt nach Düsseldorf kommen. Die Jungs wissen aber, dass am 28. Juni die Vorbereitung startet.
In der Einfachrunde sind Sie mit Ihrem Team beim 0:0 der SG Reiskirchen/Bersrod/Saasen mindestens auf Augenhöhe begegnet. War das so ein Aha-Erlebnis, nach dem Sie gesagt haben: In dieser Saison können wir richtig was reißen. Oder war es auch so, dass Sie in der Einfachrunde gegen die Mannschaften aus der späteren Aufstiegsrunde ungeschlagen geblieben sind?
Die SG Reiskirchen/Bersrod/Saasen war für mich der Favorit, auch die FSG Kirtorf. In der Winterpause waren die Reiskirchener verdient vorne, obwohl wir beim besagten 0:0 durchaus besser waren. Die 2:4-Niederlage entstand durchaus auch coronabedingt, hätte darüber hinaus aber gar nicht sein müssen. Und beim 2:2 zu Hause mussten wir eine Stunde lang in Unterzahl spielen und hätten zu elft bestimmt gewonnen. Uns habe ich auf drei oder vier gesehen, zumal wir in der Einfachrunde Spiele gegen die FSG Grünberg/Lehnheim/Stangenrod II und die FSG Ober-Ohmen/Ruppertenrod/Ulrichstein nur remis gespielt haben. Die Mannschaft musste sich natürlich erst mal finden; viele junge Spieler, die dazugekommen sind, zudem ein neuer Trainer. Daher war für uns das Ziel vor Saisonbeginn klar definiert, nämlich erst in zwei, drei Jahren um den Aufstieg in die Kreisoberliga zu spielen. Diese Entwicklung jetzt ist zu schnell; das waren eher drei Entwicklungsschritte auf einmal.
Wie stand es nach der 0:1-Heimniederlage in der Aufstiegsrunde gegen die FSG Kirtorf um die Stimmung?
Ja, die Mannschaft war natürlich sehr geknickt. Aber vorm Spiel hatte ich schon kein gutes Gefühl; es waren so viele Spieler, die sehr aufgeregt waren und so viel Respekt hatten. Trotzdem fand ich, dass wir die bessere Mannschaft waren in diesem Spiel. Die Kirtorfer hatten in der ersten Halbzeit einen Lattenschuss, sonst aber nichts. Beim entscheidenden Gegentor haben wir mächtig gepennt. Und Kirtorf hat das daraufhin clever verteidigt. Aber wir haben das Training daraufhin so gestaltet, dass wir Lösungen für das entscheidende Spiel finden konnten.
Was wäre passiert, hätte Leon Schlesinger kurz vorm 1:0 nicht so glänzend pariert und Kirtorf wäre in Führung gegangen?
Leon hält super, ja; aber es war die einzige Kirtorfer Torchance. Wir hatten dagegen viele Möglichkeiten in Kirtorf; zum Beispiel zweimal auf der Torlinie gerettet oder Außenpfosten. In der Halbzeitansprache haben wir uns verdeutlicht: Wir müssen das Tor erzwingen. So ist das Tor ja dann auch gefallen. Wie Ismail Uzun in den Ball gehechtet ist, das war eine Willensleistung.
Gibt es einen Bereich in der Mannschaft, von dem Sie sagen, das ist das Prunkstück?
Prunkstück ist definitiv die Mannschaft, der Zusammenhalt, der absolute Wille, ein Team zu sein. Sehr, sehr stark. Routinier Olcay Sirin und der 18-jährige Ben Kirchner haben hier einen großen Anteil gehabt. Keine Grüppchenbildung. Das war mega. Wir haben auch vieles außerhalb des Fußballs gemeinsam gemacht - z. B. Wandertouren, gemeinsames Pizza-Essen auf meinem Bauernhof. Es ist die dritte Mannschaft, die ich trainiere; noch nie hatte ich ein so charakterstarkes Team. Alle verhalten sich fair untereinander, keiner wird ausgeschlossen; das ist eine Mannschaft! Ich rechne ihr das hoch an.
Gibt es etwas in dieser Saison, dass Ihre Spieler besonders gut gemacht haben?
Sie haben viel Entwicklungspotenzial. Wir hatten mit der »Zweiten« ja noch eine Mannschaft in der B-Liga-Aufstiegsrunde, wobei dort aus verschiedenen Gründen einige Spieler nach der Winterpause weggebrochen sind, so dass in diesem Klassement vielleicht auch ein besseres Abschneiden möglich gewesen wäre.
Was hat den Erfolg noch begünstigt?
Wir sind nahezu verletzungsfrei durch die Saison gekommen. Das ist natürlich auch ein Glücksfall. Mit Daniel Heinz hat sich allerdings ein ganz, ganz wichtiger Spieler schwer verletzt, was ein herber Verlust für das Team war und ist. Er wird wahrscheinlich auch noch in der Kreisoberliga-Hinrunde ausfallen.
Wo liegen Ihrer Ansicht nach die Stärken des Vereins? Gibt es im Umfeld Personen herauszuheben, die ganz erheblich zu diesem Erfolg beigetragen haben?
Der Vorstand des Vereins gibt sich richtig, richtig Mühe, entlastet die Trainer, macht wirklich alles für die Mannschaft. Neue Trainingsanzüge, Aufwärmshirts, neue Trikots, Sponsoren an Land gezogen, um ein vernünftiges Auftreten zu gewährleisten. Das alles ist auch sehr wichtig. Dazu kommt eine weitere Stärke des Vereins: Ehrlichkeit! Keiner hält hinterm Berg mit seiner Meinung. Auch wenn die Antwort nicht immer angenehm ist, aber ehrlich ist sie. Und dann finden wir auch eine Lösung. Wir beziehen uns auch gegenseitig mit ein. Nur so funktioniert es. Auch im Umfeld sind fleißige Helfer, die mit einbezogen werden, die sehr viel für die Mannschaft machen. Zum Beispiel wird Essen gekocht oder mal ein Frühstück vorbereitet; alles nicht selbstverständlich. Aber so funktioniert die FSG. Und so macht es Spaß. Außerdem versuchen wir es mit einheimischen Spielern, weil keiner der Jungs Geld bekommt. Es geht ausschließlich über Team, Team; und das zeigt halt auch die Charakterstärke. An dieser Stelle muss ich aber eine Vorstandsperson ganz besonders herausheben: Marco Ostheim. Der Mann ist gefühlt 24 Stunden am Tag für die FSG da. Selbst im Urlaub schaltet er das Handy nicht ab und bombardiert den Trainer. Ohne ihn würde die FSG nicht funktionieren. Er ist die Nummer 1 im Verein!
Ist die FSG fußballerisch wie auch im Umfeld KOL-tauglich?
Ziel ist natürlich der Klassenerhalt. Dafür werden wir alles geben. Finanzielle Mittel, Spieler zu holen, sind nicht vorhanden. Deshalb müssen wir andere Wege finden, Spieler für die FSG zu begeistern. Ansonsten geht es wie jetzt auch über den Teamspirit. Wir werden auch an unserem Spielsystem arbeiten müssen, zum Beispiel besser verteidigen. Es kommen zudem zwei ganz junge Spieler dazu. Und außerdem wollen wir mit der »Zweiten« wieder eine gute Rolle in der B-Liga spielen. FOTO: OV
