Die neue Rolle des Spielertrainers

Der in Rodheim lebende Rafael Szymanski wurde einst Torschützenkönig der Fußball-Hessenliga und traf in einer Verbandsliga- Saison 42-mal. Mittlerweile ist der Mann der klaren Worte Spielertrainer bei Kreisoberligist FSG Biebertal. Welche Vorzüge, welche Herausforderungen bringt die Rolle des spielenden Trainers mit sich?
Der zweifache Familienvater und Verkaufsleiter Rafael Szymanski, 35, erklärt im Interview, weshalb er sich selbst als »nicht einfachen Typen« ansieht, wie der Start als Spielertrainer bei der FSG Biebertal ausfiel und wie er die Rolle des spielenden Übungsleiters interpretiert.
Herr Szymanski, wie laufen die ersten Monate als Spielertrainer in der Kreisoberliga Süd?
Es läuft gut an, ich kann mich nicht beschweren. Ich habe mir das, nachdem der Verein auf mich zugekommen ist, gründlich überlegt und die Mannschaft gefragt: »Könnt ihr euch das vorstellen, dass ich das mache?« Es war mir wichtig, ein Feedback aus der Mannschaft zu bekommen, bevor ich den Posten übernehme. Ich bin ja kein einfacher Typ. Aber scheinbar konnte es sich der Großteil vorstellen und bislang läuft es gut.
Welche Veränderungen stellen Sie nach der Übernahme des Trainerpostens konkret fest?
Früher dachte ich mir als Spieler: »Stell einfach die Besten auf und gut ist.« Heute ist das etwas komplexer. Da überlegst du auch: »Okay, der ist jetzt gerade aus dem Urlaub wiedergekommen - ist es fair gegenüber dem anderen, ihn direkt wieder aufzustellen?« Früher konnte ich mich über das Training beschweren. Heute versuche ich das Training so zu gestalten, dass es dem Spieler Rafael Szymanski Spaß gemacht hätte.
Sie haben 246 Partien in Hessens höchster Spielklasse absolviert. Inwiefern fühlen Sie sich auch in den unteren Ligen wohl?
Bei meinen Spielerstationen in Fernwald, Waldgirmes oder Watzenborn-Steinberg gab es immer einen gewissen Druck. Damit kann ich hier nicht arbeiten. Ich muss mehr mit Spaß motivieren. Das nimmt Zeit in Anspruch: Welches Trainingsspiel könnte passen? Wer kommt? Wenn drei Jungs kurzfristig absagen, kannst du deine Überlegungen wieder über den Haufen werfen. Es macht mir Spaß und das steht im Vordergrund. Sonst würde ich es auch nicht machen. Wichtig ist, dass ich mit Sven Döring und Eduard Haid zwei starke Kollegen an meiner Seite habe.
Welche Bedeutung haben diese beiden Co-Trainer für Sie?
Als die beiden neulich im Urlaub waren, habe ich noch mehr gemerkt, wie komplex es ist, als Spielertrainer alles alleine zu regeln: Die Hütchen müssen aufgebaut, das Tor getragen, die Mannschaften aufgeteilt werden. Und dann willst du dich ja auch noch selbst auf dein Spiel konzentrieren. Du willst ja auch als Spielertrainer selbst noch Leistung bringen.
Welche Vorteile bringt die Rolle als Spielertrainer mit sich?
Du bist viel näher an der Mannschaft dran und bekommst natürlich Stimmungen in der Kabine mit.
Und welche Herausforderungen gehen damit einher?
Dir fehlt auf dem Feld so ein bisschen der gesamte Überblick. Du brauchst jemanden von außen. Dafür sind die Co-Trainer da. Wir stimmen uns immer wieder ab und wägen gemeinsam ab.
Ist es für Sie, der ein gewisses Spieltempo aus der Hessenliga gewöhnt war, nicht leichter, ein Spiel in der Kreisoberliga »zu lesen«?
Das hat nichts mit der Liga zu tun. Entweder bin ich jemand, der das Spiel verstehen kann und will - oder ich bin jemand, der sagt: »Ich kicke und gehe wieder.« Wenn du so etwas siehst, hast du es in dir. Wenn du in deiner eigenen Blase lebst, lebst du in der Blase. Ich bin jemand, der sich gerne reflektiert. Wenn ich mich verbessern will, muss ich das tun. Ansonsten bleibe ich mehr oder weniger stehen. Nur so ist Entwicklung möglich.
Sie sagten, Sie seien nicht der einfachste Typ. Was meinen Sie damit?
Wenn mir etwas nicht passt, dann lasse ich das auch mit einer kritischen Stimme raus. Ältere Spieler kommen damit oft noch zurecht. Jüngere Menschen empfinden Kritik heutzutage aber leider oft direkt als Angriff auf die Person selbst. Verbale Fehltritte kann ich mir so als Trainer nicht mehr leisten.
Sie waren schon immer ein Mann der klaren Worte und haben den Finger gerne mal in die Wunde gelegt.
Kritik ist ja nichts Schlechtes. Es heißt, dass sich jemand über mich Gedanken macht. Es muss bloß sachlich bleiben. Klar ist, dass jeder sich immer ein bisschen verbessern kann.
Wo können Sie sich verbessern?
(lacht) In dem Punkt auf jeden Fall: Die Kritik wohldosiert rüberzubringen. Durch mein Temperament neige ich auch dazu, noch immer mit den Schiedsrichtern zu diskutieren. Das kann ich lassen. Im Nachgang denke ich mir dann oft: »Lieber Rafael, was hat das gebracht? Der Schiedsrichter wird seine Meinung kaum ändern...«
Was ist Ihnen wichtig am Fußball?
Eine gesunde Einstellung. Die Bereitschaft, für die Mannschaft da zu sein, unterscheidet einen guten Fußballer von einem sehr guten. Der Spaß muss dazu gehören. In dem Sport lernst du jede Menge fürs Leben: Pünktlichkeit und Gruppenzugehörigkeit. Als ich eineinhalb Jahre kein Fußball gespielt habe, hat mir das gefehlt. Mir ist es wichtig, dass du eine Mannschaft bist. Für mich ist Fußball mehr als nur 90 Minuten auf dem Platz zu stehen. Beim Fußball sitzen Ärzte, Piloten und Facharbeiter in der Kabine zusammen und unterhalten sich über Olaf Scholz.
Hat sich diese Kultur über die Jahre verändert?
Ich habe schon das Gefühl, dass wir insgesamt mehr mit den Handys unterwegs sind. Es kann nicht unser Ernst sein, wenn wir uns irgendwann gegenübersitzen und uns über WhatsApp schreiben. Egal, aus welcher Ecke der Welt du kommst: Ein Bier, ein Wasser oder eine Apfelschorle kannst du nach dem Training immer noch zusammen trinken und die Gemeinschaft genießen.
Sie haben zwei Söhne. Wünschen Sie sich, dass beide später auch einmal Fußball spielen?
Ich werde einen Teufel tun und sie da unter Druck setzen. Das muss von ihnen kommen - oder eben nicht. Wenn sie später Handball oder Volleyball spielen, ist das auch okay. Klar ist: Sport ist wichtig. Ich kann ihnen das nur vorleben und bin da entspannt und optimistisch.
Was lieben Sie am Fußball? Warum sind Sie ihm über viele Jahrzehnte auf so intensive Art und Weise treu geblieben?
Weil es ein Spiel ist, dass du von klein auf kennenlernst und dich begeistert. Es zieht Menschen aus allen Regionen an und verbindet brutal. Wenn du ins Stadion gehst, schreit ja auch der Staatsanwalt neben dem Ex-Knacki im Stehblock für die Eintracht. Wo hast du sonst solche Begegnungen?
Wie lange möchten Sie selbst noch als Spieler aktiv sein?
Das müssen Sie meine Frau fragen. Ich weiß es nicht. Wenn es mir schwer fallen sollte, aus dem Bett zu kommen, werde ich darüber nachdenken. Jetzt genieße ich den Moment und bin dankbar dafür. Ich bin 35 Jahre alt und hatte keine größeren Verletzungen - ich bin gut davon gekommen.
Können Sie sich vorstellen, langfristig als Trainer zu arbeiten?
Ja. Aber ich mache das jetzt zum ersten Mal. Und natürlich merke ich auch, dass es Zeit ist, die du investierst. Aktuell habe ich Spaß - alles Weitere lasse ich auf mich zukommen.
