1. Gießener Allgemeine
  2. Sport
  3. Lokalsport

Dem Sport Raum geben

Erstellt:

Von: Sven Nordmann

Kommentare

Football_041022_1_4c_1
Football_041022_1_4c_1 © Red

Kanufahren bei drei Grad, Beachvolleyball oder Wandertour im Verbund als Klasse: Die Europäische Woche des Sports wird von der Theodor-Litt-Schule genutzt, um die Vielfalt der Bewegung in Gießen aufzuzeigen.

Wann gehen Schüler und Schülerinnen bei drei Grad Außentemperatur im Herbst freiwillig Kanufahren auf der Lahn? In der Europäischen Woche des Sports, die die Theodor-Litt-Schule für sich genutzt hat, um Ende September insgesamt 44 Klassen zum sportlichen Treiben zu animieren und so neue Sportarten kennenzulernen.

Der 18-jährige Jack Blehad hat die Schwimmweste bereits übergezogen, wartet auf den Gang auf die Lahn und sagt: »Im letzten Jahr haben wir bei dieser Sportwoche Basketball gespielt, das hat Bock gemacht. Jetzt haben wir uns als Klasse dazu entschieden, Kanufahren zu gehen.« Sein Kollege Marcel Sagel sagt: »Es wäre lustig, wenn einer ins Wasser fällt.«

Nach der Premiere im Vorjahr wiederholte die Theodor-Litt-Schule nun das einwöchige Projekt - bewusst sollten sich dabei Klassen gemeinsam dazu entscheiden, an einem Tag eine neue Sportart im Verbund auszuprobieren. »So ist das Ganze enorm gemeinschaftsstiftend«, erklärt Initiatorin und Sportlehrerin Stefanie Werle, die dafür mit ihren Kolleginnen viel Organisationsarbeit auf sich genommen hat.

TSG Blau-Gold Gießen, MTV 1846 Gießen, Gießener Kanuclubs, TC Krofdorf-Gleiberg und RSV Lahn-Dill beteiligen sich

»Wir merken, dass die Schüler nicht nur ausgehungert sind von Bewegung, sondern sich auch nach Events sehnen. Mit dieser Woche geben wir die Möglichkeit, Neues kennenzulernen. Viele sind bereits Fußballer oder Handballer. Hier können sie vielleicht eine Nische für sich entdecken. Das muss nicht gleich in einem Vereinseintritt münden - Hauptsache, wir fördern den Spaß am Sport.«

Auf den freuten sich die beiden Schüler Marcel Sagel und Jack Blehad. Letzterer sagt: »Ich finde es gut, dass wir das gemeinsam als Klasse machen. Wir haben eine halbe Stunde diskutiert, dann war klar: Kanu! Warum Mischmasch, wenn wir zusammen als Klasse Spaß haben können?«

Während der letzten September-Woche 2022 konnten so etliche Disziplinen an jeweils einem Schultag erkundet werden. Ob Wandern, Radfahren oder Kanu in der Natur, ob Fitnesseinheiten am Stangenpark in der Wieseckaue, Völkerball, Brennball und Beachvolleyball an der Ringallee, Basketball, Floorball oder Rollstuhlbasketball in der Sporthalle am Ried in Wieseck oder Tennis in Krofdorf-Gleiberg und Football mit den Gießen Golden Dragons - die Bandbreite war groß.

»Gerade Football war klasse«, erinnert sich Lehrerin Wibke Engelhardt. »Die Dragons kamen mit vier Personen und voller Ausrüstung und haben unsere zwölfte Klasse dreieinhalb Stunden mit voller Energie mitgezogen.«

Viele Gießener Vereine wurden für die Aktion kontaktiert: So beteiligten sich auch die TSG Blau-Gold Gießen mit HipHop, der TC Krofdorf-Gleiberg, der Wiesecker Kanuclub, der Ski- und Kanuclub Gießen, der RSV Lahn-Dill sowie der MTV 1846 Gießen.

Die Europäische Woche des Sports soll landesweit aufmerksam machen auf das sportliche Angebot und die Bedeutung von Bewegung. Es sei eine »große Chance für Vereine, mit niederschwelligen und innovativen Angeboten auf sich aufmerksam zu machen und nach der harten Corona-Zeit neue Mitglieder zu gewinnen«, erklärte die neue Präsidentin des Landessportbundes Hessen, Juliane Kuhlmann.

Sie betonte auch, dass die Energiekrise zeige, dass dem Sport oft nicht der Stellenwert beigemessen werde, den er tatsächlich habe: »Sportvereine sind extrem wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, doch finanzielle Hilfen gibt es bislang keine. Ohne Unterstützung der Politik werden viele Vereine die Energiekrise nicht überstehen.« In den bisherigen drei Entlastungspaketen des Bundes zur Energiekrise sei der Sport nicht berücksichtigt worden.

Wichtig ist den Beteiligten vor allem, dass die Sportstätten auch in den Wintermonaten weiter betrieben und genutzt werden können. Das betonte auch Stefanie Werle von der Theodor-Litt-Schule: »Am tragischsten wäre es, wenn die Schwimmbäder geschlossen werden. Wir haben jetzt schon viele Nichtschwimmer. Mit dem Sport haben wir so ein Pfund, das wir unseren Schülerinnen und Schülern psychologisch und körperlich mitgeben können. Auf der Couch komme ich nicht an meine Grenzen.«

Die Theodor-Litt-Schule selbst wartet seit rund zwei Jahren auf ein neues Hallendach und hat sich seit dieser Zeit daran gewöhnt, den Sportunterricht im Freien auszuüben. So werde dauerimprovisiert, erklärt Wibke Engelhardt: »Wir wandern viel«, sagt die Sportlehrerin mit einem Lachen. 20 Mountainbikes könnten für Radtouren genutzt werden, zuweilen wird auch die Aula umfunktioniert, um Yoga oder Fitnesseinheiten abzuhalten.

Werle: »Wir sind begeistert, wie die Schülerschaft das, ohne zu murren, mitmacht. Wir freuen uns aber natürlich, wenn das neue Hallendach dann mal kommt« - damit auch wieder andere Aktivitäten abseits von Kanufahren bei drei Grad möglich sind.

Kanu_041022_1_4c_1
Kanu_041022_1_4c_1 © pv
KanuII_041022_4c_1
KanuII_041022_4c_1 © pv
TheoLitt_041022_4c_1
TheoLitt_041022_4c_1 © pv

Auch interessant

Kommentare