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Als noch Weltstars zu Besuch waren

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Von: Michael Schüssler

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Die gute Seele des MSC Beuern: Der 2019 verstorbene David Wilson senior. ARCHIV © Harald Friedrich

Es waren die größten Zugpferde in Sachen Zuschauer in Mittelhessen. Die Motocross-Läufe des MSC Beuern. Auf dem altehrwürdigen und 1965 Meter langen Stirnbergring zählte man in den Glanzzeiten Zehntausende Besucher - international gelangte der Verein damit auch zur Berühmtheit. Ebenso weltweit bekannt war der AMC Rodheim-Bieber - aber nicht wegen seiner Strecke, sondern wegen seiner Fahrer.

Eine kleine Zeitreise in die Vergangenheit

Der Motorsport - mit Ausnahme der Formel 1 (Automobil) und der MotoGP (Straßenmotorrad-WM) - ist in den sonstigen Wettbewerben seit Jahren kaum mehr als eine Randsportart. Es hat sich viel verändert. Das Freizeitverhalten, ein generell steigendes Angebot an Aktivitäten, der Umweltschutz usw. Dementsprechend sucht man beispielsweise in Mittelhessen vergeblich nach Großveranstaltungen wie einer Weltmeisterschaft.

Das war in der Vergangenheit anders. Der MSC Beuern zählte im Motocross zu den renommiertesten Klubs weltweit, der anspruchsvolle Stirnbergring verlangte Mensch und Maschine alles ab. 1953 wurde der Verein gegründet, schnell erarbeitete man sich einen ausgezeichneten Ruf. Vor allem die Top-Vereinsarbeit und die schwierige Strecke sorgten dafür, dass man in Mittelhessen die damaligen Weltstars dieser Szene hautnah erleben durfte.

Dementsprechend erhielt der Klub dann auch die Chance, Weltmeisterschaftsläufe auszurichten. Insbesondere in der 80er Jahren avancierte der MSC Beuern zum Mekka des Motocross, sein WM-Debüt gab der Klub übrigens 1965. Einer, der großen Anteil an der Blütezeit des MSC hatte, war David Wilson senior. Er war viele, viele Jahre Garant dafür, dass der MSC international und national zu den ersten Adressen gehörte. Als Rennleiter hatte David Wilson senior in der Hochzeit dieser Sportart immer ein offenes Ohr für die Fahrer, sofern Probleme auftauchten. Mit seiner sehr ruhigen und angenehmen Art war er - nicht nur für mich - immer erster Ansprechpartner bei diesen Veranstaltungen. Er nahm sich Zeit, Hektik war nicht sein Ding, ein absoluter Profi. 2019 musste seine Familie Abschied nehmen, im Alter von 74 Jahren starb David Wilson senior. Neben ihm waren aber auch unter anderem Karl Schwalb, Hans Wagester oder auch Hans-Jürgen Wohnhas und Pauline Wilson treibende Kräfte, die den MSC zu einem weltbekannten Verein machten.

Hochzeit 80er Jahre

1983 gastierte der Tross der 250ccm-Klasse in Sachen WM in Mittelhessen. Weltmeister damals wurde der Belgier Georges Jobé. Drei Jahre später war der MSC erneut WM-Gastgeber für die Viertelliterklasse - erneut kam der Weltmeister mit Jacky Vilmond aus Belgien. Einer der größten Publikumslieblinge in der 80er Jahren war André Malherbe. Der dreimalige Weltmeister in der 500ccm-Klasse zählte zu den Ausnahmefahrern, allerdings starb er im November 2022 im Alter von nur 66 Jahren. Die Faszination am Motocross nahm Ende der 80er Jahre mehr und mehr ab. Auch die Auflagen für die Veranstalter - auch bedingt von den großen Verbänden - wurde immer höher und auch kostenintensiver - sodass unter anderem auch der MSC Beuern kaum mehr eine Chance hatte, überhaupt internationale Läufe veranstalten zu können. Die letzte WM datierte aus 2003, als der Verein die Seitenwagen-Elite begrüßen durfte. Danach wurde es aber nicht nur für den MSC Beuern immer schwieriger, hochkarätige Formate zu ergattern - nicht besser erging es dem MSC Laubuseschbach, der ebenfalls in der Vergangenheit WM-Läufe ausgerichtet hatte. Erinnert sei hier an Mai 1993, als in Laubuseschbach vor rund 12 000 Zuschauern der Südafrikaner Greg Albertyn gewann.

Die Auflagen wurden strenger, auch die finanziellen Mittel, um solch ein Event überhaupt möglich zu machen, überstiegen die Möglichkeiten. Nach der Corona-Pandemie hat der MSC Beuern 2022 einen Lauf zur MSR-Meisterschaft - einer Nachwuchsserie - durchführen können. Doch vom Flair früherer Tage ist nichts mehr übrig.

Zweimal Brandstiftung

Zudem hatte der MSC auch auf seinem Gelände Pech. Der Martini-Turm, das Wahrzeichen des Klubs, fiel im November 2005 einer Brandstiftung zum Opfer - der Schaden belief sich nach MSC-Angaben damals auf rund 100 000 Euro. Die Vereinsmitglieder gaben sich kämpferisch, bis Pfingsten 2006 sollte der neue Martini-Turm fertig sein. Im September 2018 dann ein weiterer Schlag: Die Halle und die darin enthaltenen Maschinen und Gerätschaften wurden restlos zerstört - der Sachschaden betrug damals über 100 000 Euro. Auch hier ermittelte die Polizei Brandstiftung. Die Neubauten für die Halle starteten dann Ende 2020. Doch die beiden Ereignisse fielen schwer ins Kontor, keine Frage - gepaart mit abnehmendem Interesse an Motocross.

Zweimal WM-Silber für den Biebertaler Stefan Bernhardt

Ein anderer Verein hat ebenso weltweit für Aufsehen in dem 80er und 90er Jahren gesorgt - der AMC Rodheim-Bieber. Denn mit dem 1994 nach schwerer Krankheit verstorbenen Stefan Bernhardt - zweimaliger deutscher Enduro-Meister sowie zweifacher Mannschafts-Vizeweltmeister - hatte man einen Aktiven in seinen Reihen, der zu den weltbesten Enduro- und auch Motocross-Fahrern seiner Zeit gehörte. Ihm zur Seite beim AMC standen Thomas Gerlach, Berndt Raabe und Manfred Wagner, die im Enduro-Bereich auch für herausragende Ergebnisse sorgten. So Gerlach, der regelmäßig Teilnehmer bei den Six-Days (unter anderem Frankreich, Australien, Polen) war. Neun Teilnahmen standen für ihn bei der Mannschafts-Enduro-WM zu Buche. Mit dem Team des AMC wurden in dieser Zeit auch mehrere Podiumsplatzierungen in der DM eingefahren. Die Jahre 1991 und 1992 wurden jeweils mit Platz drei abgeschlossen. Auch in Sachen Motocross war der AMC aktiv, ehe die Stilllegung der Strecke in der 90er Jahren erfolgte, da es überhaupt keine Genehmigung gab, wie sich herausstellte. Später versuchte sich der AMC mit einem Super-Moto, das auch anfangs gut angenommen wurde. Doch auch hier sorgten letztlich immer strengere Auflagen dafür, dass man sich davon verabschiedete.

Aber nicht nur der MSC Beuern oder der AMC Rodheim-Bieber haben mit den Entwicklungen der letzten knapp 30 Jahre zu kämpfen, auch anderen Motorsport-Klubs im Offroad-Bereich geht es kaum besser. Die Zeiten, als Moto-Cross insbesondere in Beuern eine Art Fixstern am Himmel war, sind vorbei.

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Faszination Motocross: Momentaufnahme auf dem Stirnbergring des MSC Beuern. ARCHIV © Harald Friedrich
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Thomas Gerlach vom AMC Rodheim-Bieber, neunfacher Enduro-WM-Teilnehmer. ARCHIV © Hans-Michael Schuessler
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Stefan Bernhardt vom AMC Rodheim-Bieber unterwegs auf dem Stirnbergring in Beuern. ARCHIV © Ronny Herteux
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Das Wahrzeichen des MSC im Hintergrund - der Martini-Turm. © Red

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