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Leistung, Belastung, Position

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Von: Daniela Pieth

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So sieht er aus: Der Spielball mit integriertem Chip für Sportdaten und Analyse der Spieler und des Spiels.
So sieht er aus: Der Spielball mit integriertem Chip für Sportdaten und Analyse der Spieler und des Spiels. © imago

Wer beim Bundesliga-Spiel der HSG Wetzlar gegen den TBV Lemgo ein Auge außerhalb der Geschehnisse auf dem Spielfeld hatte, konnte einen Mann beobachten, der den Spielball »entführte«.

(pie). Er verschwand damit oben in die Arena und war mit einem Kollegen mit einem Problem beschäftigt, das dem Zuschauer verborgen blieb. Denn der Ball war kaputt. Jedoch nicht im Sinne von: Die Luft ist raus, sondern: Er lieferte keine Daten mehr. Denn gespielt wurde mit dem neuen iBall der Firma Select, der mit einem Kinexon-Chip ausgestattet ist.

Die Kinexon-Technologie ermöglicht es, die Ballgeschwindigkeit, Wurfbilder, Wurfpositionen, Ballbesitzzeiten und Ballpositionen zu ermitteln. Der iBall wurde erstmals bei der Champions League 2018 eingesetzt - und seit Beginn der neuen Runde ist er auch in der Handball-Bundesliga, bei den Vereinen, die mit Select-Bällen spielen, in Aktion. Dafür werden in den Hallen um das Spielfeld herum auf verschiedenen Höhen 14 bis 16 Basisstationen, sogenannte Anker, und ein kleiner Server installiert, die in Verbindung mit den Sensoren die Daten liefern. So befinden sich auch die Spieler in diesem Netzwerk und tragen ebenfalls einen Sensor am Körper, der etwa 15 Gramm wiegt und kleiner ist als eine Streichholzschachtel. Getragen werden kann er entweder in einem Bra, Funktionsshirt oder dem Trikot, die dafür am Rücken mit kleinen verschließbaren Taschen versehen sein müssen.

Es ist eine Technologie, die im Fußball bereits im Oktober 2017 ihre Premiere feierte. Beim Regionalliga-Spiel zwischen 1860 München und dem FC Bayern München II kam das System erstmals zum Einsatz und hat inzwischen auch Daten beim Eishockey, Basketball und Beachvolleyball gesammelt.

Für die Spieler der HSG Wetzlar macht der Chip im Spiel keinen großen Unterschied. »Man merkt ihn nicht«, erklärte Wetzlars Nils Torbrügge nach dem Spiel. »Der Ball wurde, glaube ich, drei- oder viermal gewechselt, weil der Chip nicht funktioniert hat - und er ist minimal schwerer. Für uns Spieler 0,001 Prozent Spielveränderung.« »Im Spiel fällt das gar nicht auf, das ist wie ein Thermo-Untershirt«, sagte auch Lars Weissgerber und fügt in puncto Auswertung der Daten hinzu: »Ich denke, man kann genauer schauen, wo die Schwerpunkte sind. Schnelligkeit, wie viel man gelaufen ist, und um die Regeneration besser zu steuern.«

Denn über die werden eine Menge Dinge gesammelt: Leistungsdaten, Belastungsdaten und Positionsdaten. Leistungsdaten = z. B. gelaufene Distanz, Geschwindigkeit, Sprunghöhe und Beschleunigung. Belastungsdaten = z. B. Anzahl und Art der Sprints, die Zeit auf dem Spielfeld und die verbrauchten Kalorien. Positionsdaten = Wurfpositionen der Spieler, Abstände zu Mit- und Gegenspielern.

Viele Informationen, die die Trainer beispielsweise für taktische Analysen, Wurfbilder und zur Trainingssteuerung nutzen können. »Es ist immer interessant, zu sehen, welche Daten geliefert werden«, meint Kristian Björnsen. Aber nur ein Teil der Auswertungen ist in Bezug auf die Spielwirksamkeit relevant. Die wenigen, die Medien und Zuschauern zur Verfügung gestellt werden, werden natürlich interpretiert und können den Druck auf Spieler und Trainer erheblich erhöhen. »Im Prinzip kann es für den Trainer gut sein, wenn er weiß, wie weit die Spieler in der Abwehr auseinanderstehen«, so Torbrügge. »Für die Zuschauer ist eher der härteste Wurf interessant, oder der höchste Sprung. Am Ende zählt aber nur, dass der Ball im Tor ist. Wenn du den mit zehn km/h gemacht hast, reicht das, den musst du nicht mit 120 reinknallen. Es ist eine Innovation und man muss gucken, wie man damit umgeht.«

Der THW Kiel hat als erster Club in Deutschland sogar in seiner Trainingshalle in Altenholz ein festes System installiert und ist zusätzlich mit einem mobilen System ausgestattet, so dass die gleichen Sensoren auch bei auswärtigen Einheiten Daten erfassen. »Anhand der neu gewonnenen Daten ist es uns möglich, die Spieler noch effektiver trainieren zu lassen und so die Belastung zu steuern«, erklärt THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi auf der Homepage des Vereins.

Am Bildschirm bekamen die Zuschauer des Spiels der HSG gegen Lemgo noch keine zusätzlichen Informationen geliefert, da die dafür zuständigen Mitarbeiter während der Partie noch eingearbeitet wurden. Nach den vorliegenden Daten haben die Wetzlarer zwar über einen Kilometer mehr abgespult als der TBV, allerdings waren Passquote und Ballbesitzzeit geringer. Entscheidend an diesem Tag war aber die Trefferquote, die bei den Gästen mit 69 Prozent deutlich höher lag als die 51 Prozent der Grün-Weißen. Da hilft es auch nicht viel, dass Alexander Feld den Ball aus 9,3 Metern mit der Geschwindigkeit von 129,6 km/h in die Maschen drosch.

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