Viele offene Fragen nach dem Abstieg der Gießen 46ers

Für die Gießen 46ers ist die Zeit der Ungewissheit vorüber, der Abstieg aus der Basketball-Bundesliga mit der Niederlage in Bamberg besiegelt. Nun müssen die Weichen für die Zukunft gestellt werden, wobei es noch eine Menge offene Fragen gibt.
Das Wunder blieb aus! Nach dem 90:99 bei den um die Playoffteilnahme kämpfenden Bambergern rang Trainer Rolf Scholz mit den Tränen. An ihm - dem gebürtigen Gießener - ging das Scheitern seiner Mission, die 46ers vor dem Abstieg aus der BBL zu retten, nicht spurlos vorüber. Der 40-Jährige hatte sich Mitte Dezember letzten Jahres nach dem Scheitern des Ex-Coaches Ingo Freyer dieser Herkulesaufgabe gestellt. An dem denkwürdigen Dienstagabend in der Brose-Arena schlug ihm, der Mannschaft, den Verantwortlichen und den Fans der traurige Fakt des Ganges in die Zweitklassigkeit brutal ins Gesicht. Ob die Gießen 46ers letztlich in die Pro A gehen, ist aktuell noch nicht geklärt. Fragen über Fragen in der weiterhin von coronaüberschatteten Zeit.
Welche Möglichkeiten gibt es für die Gießen 46ers?
Fakt ist, dass die Gießen 46ers sportlich abgestiegen sind - wie Rasta Vechta. Da es aber mit den Academics Heidelberg nur einen Aufsteiger aus der Pro A gibt, ist für die kommende Saison ein Teilnehmerplatz im üblichen 18er-Feld der Basketball-Bundesliga vakant. So könnte die Gesellschafterversammlung der BBL GmbH, die sich aus dem BBL-Präsidenten Alexander Reil (er hält 74 Prozent der Stimmanteile) und einem Vertreter des Deutschen Basketball-Bundes (26 Prozent der Stimmanteile) zusammensetzt, ein Wildcardverfahren eröffnen. An dem können sich alle Klubs ohne sportliche Qualifikation beteiligen, vorausgesetzt, ihnen wurde die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit attestiert. Was bei den Gießen 46ers der Fall ist, wie Geschäftsführer Stephan Dehler kurz vor dem Bamberg-Spiel telefonisch gegenüber dieser Zeitung bestätigte. Um sich das Startrecht zu erkaufen, ist aktuell eine Gebühr von 700 000 Euro zu entrichten. »So einen beträchtlichen Betrag hat man nicht so einfach in der Portokasse liegen«, erklärte Dehler. Durchaus denkbar wäre, dass die BBL in den schweren Zeiten von Corona die Summe erheblich nach unten schraubt. »Wir werden sehen, ob eine Wildcard für uns ein Thema ist. Wir werden auf keinen Fall wirtschaftliches Harakiri betreiben«, stellt Dehler klar, dass seitens der 46ers-Führungsetage genauestens das Für und Wider geprüft werden. Möglich wäre aber auch aufgrund nur eines Aufsteigers, dass es gar kein Wildcard-Verfahren und aufgrund der unterschiedlichen Quarantäne-Zeiten der Teams, die durchaus zu einer Wettbewerbsverzerrung geführt haben, nur einen Absteiger gibt und der Rang-17., die Gießen 46ers, in der Liga bleiben. Die in Kürze anberaumte Liga-Tagung wird sicherlich Aufschluss darüber geben. Das Thema wird die Gießen 46ers in den nächsten Wochen beschäftigen.
Bleibt Rolf Scholz Trainer der Gießen 46ers?
Bei den Gesellschaftern und im Aufsichtsrat ist Rolf Scholz klar die Nummer eins für den Posten des Headcoaches in der kommenden Saison. Egal, in welcher Liga. Das stellte Aufsichtsratsvorsitzender Wolfgang Greilich zuletzt bei einer Pressekonferenz noch einmal deutlich heraus. Scholz konnte den Abstieg zwar nicht verhindern, hat aber die mit sehr schwierigen Charakteren versehene Truppe weiterentwickelt, ihr auf dem Feld eine Struktur gegeben und auf ein Niveau gehoben, das zu Gießen passt. Er stellte das Miteinander, den Kampf und die Mannschaft in den Vordergrund, nicht die einzelnen Fähigkeiten der Protagonisten. Bis diese Botschaft auch der letzte Spieler verinnerlicht hatte, war es zu spät für den erhofften Turnaround. Der 40-jährige Scholz sieht sich weiter im Basketball. Er wird sicherlich eine Lösung bezüglich seines Berufes als Polizeihauptkommissar finden. Zurzeit ist er freigestellt oder baut Überstunden ab. Scholz könnte mit dem jetzigen und erfahrenen »Co« Steven Wriedt und dem noch bei der Basketball-Akademie beschäftigten Patrick Unger ein vielversprechendes Trio bilden.
Welche personellen Veränderungen kann es je nach Ligazugehörigkeit geben?
Viel wird bei der Zusammenstellung des neuen Kaders davon abhängen, in welcher Liga die Gießen 46ers in der Saison 2021/22 aufschlagen. Laut der Regelung in der BBL müssen im Spielberichtsbogen von zwölf Profis mindestens sechs einen deutschen Pass haben. Bei zehn aufgeführten Spielern müssen vier, bei elf fünf Deutsche dabei sein. In der Pro A müssen aktuell zu jedem Zeitpunkt des Spiels mindestens zwei Spieler mit einem deutschen Pass auf dem Feld stehen. So kommt bei der Rekrutierung den deutschen Akteuren eine gewichtige Rolle zu. Gehen die 46ers in Liga zwei, dürften die Tage von Alen Pjanic, Bjarne Kraushaar und Ferdinand Zylka in Gießen gezählt sein. Die beiden Eigengewächse sowie der »Berliner Bub« Zylka streben nach Höherem: Sie wollen sich in der höchsten deutschen Basketball-Liga etablieren. Zudem laufen bei allen Dreien die Verträge aus. Dagegen werden die in dieser Saison noch hintendranstehenden, aber in der Pro B überzeugenden Tim Köpple und Tim Uhlemann in der Kaderplanung eine bedeutende Rolle spielen. Wie Center John Bryant, der bekanntlich die deutsche Staatsbürgerschaft hat und sich unter dem Trainer Scholz sehr wohl fühlt. In der zuletzt gezeigten Verfassung muss er auch für ein mögliches Gießener Bundesliga-Team ein personelles Thema sein. Bei einem Start in der BBL wären das natürlich dann auch Pjanic, Kraushaar und Zylka. Gerne würden die 46ers Scottie James Jr. halten. Das wird aber nicht gelingen. Der sprunggewaltige Center hat sich enorm gesteigert. Ambitionierte Klubs wie Ludwigsburg haben schon die Fühler nach ihm ausgestreckt. Von den restlichen US-Amerikanern wird man in der neuen Saison wohl kaum noch einen im 46ers-Trikot sehen.