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Gießen 46ers: »Frenki« macht es auf seine Art

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Von: Wolfgang Gärtner

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In seinem Element - Gießens neuer Pro-A-Trainer Branislav Ignjatovic, den fast alle »Frenki« nennen. © Imago Sportfotodienst GmbH

Branislav Ignjatovic hat keine leichte Aufgabe. Der neue Trainer muss nach dem Abstieg der Gießen 46ers Euphorie bei den Fans und im Umfeld entfachen. »Frenki«, wie ihn fast alle nennen, ist aber ein absoluter Kenner der Pro A. Er wird es wie Sinatra in seinem Song »My way« auf seine ganz eigene Art angehen.

Urlaubszeit. Auch beim neuen Trainer des Basketball-Pro-A-Ligisten Gießen 46ers. Branislav Ignjatovic relaxt in seiner Heimat Serbien, besucht seinen Bruder - und freut sich auf das typische »jugoslawische« Essen vor Ort. Auf dem Weg dahin nahm sich der 55-Jährige Zeit für ein Interview, das facettenreich, offen und ehrlich herüberkommt. Charaktereigenschaften, die den Gießener Hoffnungsträger nach eigenem Bekunden auszeichnen. Der erfahrene Basketball-Lehrer weiß, dass die 2. Liga kein Spaziergang wird. »Wir brauchen Ruhe, eine solide Saison. Darauf müssen wir unsere ganze Energie richten.«

Mit welchem Ziel gehen Sie in die Saison?

Ich kenne die Pro A, möglicherweise besser als jeder andere, weil ich von Anfang an dabei war. Ich habe nur ein Jahr einen Ausflug in die BBL gemacht. Die Pro A hat von Jahr zu Jahr an Qualität zugenommen. Man muss verdammt vorsichtig sein, weil mittlerweile einige ehemalige Bundesligaclubs dort parken. Viele Leute aus Gießen sprechen gerne vom Aufstieg- - und ich bin auch nach Gießen gekommen, weil ich in die BBL will. Das wird aber alles andere als ein Spaziergang. Um das zu schaffen, muss das ganze Konstrukt passen.

Gießen 46ers: Pro A wird alles andere als ein Spaziergang

Sie haben tolle Arbeit mit Bundesliga-Aufsteiger Heidelberg geleistet und den Klassenerhalt gepackt. Sie hatten Angebote aus der Bundesliga vorliegen - und dennoch haben Sie sich für Gießen, für den Schritt wieder zurück in die Pro A entschieden. Warum?

Ich sehe mich als Basketball-Lehrer/-trainer. Und wenn ich um mich herum engagierte Leute sehe, die etwas bewegen wollen, ist die Liga nicht entscheidend. Natürlich hatte ich Bock drauf, in der BBL zu bleiben. Entscheidend war, dass Sebastian Schmidt (46ers-Geschäftsführer) mich unbedingt haben wollte. Ein wichtiger Faktor war aber auch die Nähe zu meiner Familie und zu meinem Zuhause. Ich bin wohl der einzige Trainer in Deutschland, der in seiner Karriere nie umgezogen ist. Ich habe immer in Ober-Ramstadt gewohnt. Ich bin alt genug, um zu wissen, dass ein paar Euro mehr nicht unbedingt Reichtum bedeuten. Es gibt andere Dinge, die auch für mich wichtig sind - meine Famile und der Freundeskreis.

Also keine Wohnung in Gießen?

Mir reicht mein Raum in der Osthalle, da bin ich direkt im Geschehen. Und wir haben eine große Geschäftsstelle. Eine Wohnung in Gießen ist nicht geplant. Für mich sind das 20 oder 25 Minuten mehr zu fahren als in der letzten Saison nach Heidelberg.

Wo haben Sie früher Basketball gespielt?

Ich habe in verschiedenen Vereinen im Raum Darmstadt gespielt und in der Regionalliga für Ober-Ramstadt. Das war damals die Zeit, als in der Bundesliga nur zwei Ausländer erlaubt waren. Die finanzielle Entschädigung war zu wenig, um die Familie zu ernähren, sodass ich zusätzlich arbeiten musste. Ende 30 habe ich mit der Trainerarbeit in Ober-Ramstadt begonnen, zuerst im Jugendbereich, dann bei der ersten Mannschaft. Das waren tolle, bewegte Jahre in Ober-Ramstadt. Ich habe mich in diesen Ort verliebt - und so bin ich dageblieben. Wir haben dort unser Haus gebaut.

Welche Position haben Sie bekleidet?

Da ich 1,97 m groß bin, habe ich viel unter dem Korb gespielt. Meine normale Position war aber die Drei, manchmal auch die Vier.

Meinen Namen Branislav benutzt nur meine Frau und mein Sohn - und sonst wohl keiner.

Frenki Ignjatovic, Trainer Gießen 46ers

Wie sind Sie zu Ihrem Spitznamen »Frenki« gekommen - und warum wird er mit »e« geschrieben?

Frenki schreibt man so in Serbien. Mein Vater war ein großer Fan von Frank Sinatra. Als Sohn war ich dann Frenkis Sohn - und später nur noch Frenki, mein Bruder ebenso. Wenn jemand Frenki ruft, drehen wir uns beide um. Meinen Namen Branislav benutzt nur meine Frau und mein Sohn - und sonst wohl keiner.

Welchen Spielstil bevorzugen Sie?

Die Trainer allgemein in Deutschland machen einen großen Fehler: Sie erzählen von einem Spielstil, obwohl sie die Mannschaft noch gar nicht zusammen haben. Aber im Endeffekt ist das Spielermaterial, was man bekommt, entscheidend, welchen Stil man spielt. Die Leute erwarten von einem »Jugo«, auch wenn es den gar nicht mehr gibt, harte Schule, Defense und Disziplin. Aber jeder, der mit mir gearbeitet hat, kann berichten, dass ich das nicht tue. Für mich ist wichtig, eine Gruppe von zufriedenen Spielern zu bekommen, die zusammenspielen und mit mir viel Zeit in der Halle verbringen wollen. Ich lege viel Wert auf die Defense, aber entscheidend ist, was für ein Talent die Mannschaft hat. Ein Trainer sollte sich nicht überbewerten, die Spieler sind das Wichtigste. Sie treffen die Entscheidungen. Wir wollen den Fans einen glaubwürdigen, ehrlichen Basketball abliefern.

Ein Trainer sollte sich nicht überbewerten, die Spieler sind das Wichtigste. Sie treffen die Entscheidungen. 

Frenki Ignjatovic, Trainer Gießen 46ers

Was zeichnet Ihre verpflichteten Akteure besonders aus?

Die Spieler sind hungrig, verteidigen gerne und sind menschlich.

Welche Position ist in Ihrem Team besonders stark besetzt?

Der Trend im Weltbasketball ist, dass es nicht mehr die klassische Rollenverteilung wie vor 20 Jahren gibt. Gefragt sind Spieler, die mehrere Positionen und in beide Richtungen spielen können. Ein Spezialist, wie ein guter Schütze, ist in der 2. Liga ein Luxus - wie ein extrem guter Verteidiger. Ich als Trainer wünsche mir immer, die Guardposition stark zu besetzen.

Was fehlt Ihnen noch an Spielermaterial?

Es ist nicht alles so gelaufen, wie wir uns das gewünscht haben. Wir hatten uns als Ziel gesetzt, einen großen Deutschen als Starter zu finden. Obwohl ich viele kontaktiert habe, haben wir keinen gefunden. Zudem waren die finanziellen Vorstellungen zu hoch, sodass die Gießen 46ers sie nicht erfüllen konnten. So ließen wir den Traum vom großen deutschen Starter-Fünfer platzen und verpflichteten mit Roland Nyama einen erfahrenen deutschen Pro-A-Spieler, der zudem die Positionen drei und vier decken kann. Uns fehlt noch ein Amerikaner auf der Fünf/Vier und mindestens ein Ausländer - ich sage immer Amerikaner, weil der Spieler-Markt am größten besetzt ist, aber ich bin nicht abgeneigt, auch Spieler anderer Nationalität zu haben -, der auf der Position zwei/drei zu Hause ist. Möglicherweise holen wir noch einen fünften Importspieler.

Bedauern Sie, dass die Gießener Eigengewächse Tim Uhlemann und Bjarne Kraushaar sich gegen die 46ers entschieden haben?

Meine Enttäuschung ist groß. Dass sie sich gegen uns entschieden haben, damit müssen wir leben. Ohne jemandem nahezutreten, muss ich sagen, dass ich mit jedem geredet habe. Mit Uhlemann habe ich mich sogar getroffen, Kaffee getrunken und ein gutes Gespräch gehabt. Ich war nicht abgeneigt, ihm eine Chance zu geben, obwohl er imgrunde aus der Pro B kommt und wir nicht genau wussten, wie er in der Pro A ist. Ich habe ihn eine Woche später angerufen. Er hatte es aber nicht für nötig empfunden, zurückzurufen. Dann habe ich es noch einmal probiert, und er hat sich wieder nicht gemeldet. Über seinen Agenten haben wir dann von seinem Tapetenwechsel erfahren. Der einzige Spieler aus dem letztjährigen Kader, mit dem ich nicht gesprochen habe, war Binapfel. Ich wünsche allen viel Glück, aber ich muss auch sagen, so sind wir von den Lasten der Vergangenheit befreit. Und das hat auch seine Vorteile.

Haben Sie ein serbisches Lieblingsgericht oder ein deutsches?

Meine Frau sitzt neben mir (lacht). Sie ist Vegetarierin und ich Fleischfresser. In den zwei Jahren Corona habe ich eine neue Leidenschaft - das Kochen - gefunden. Zuvor war ich nie in der Küche. Es macht richtig Spaß und es ist wie eine Therapie für mich. Alle hessischen Spezialitäten sind mittlerweile auf unserer Speisekarte, aber ich bevorzuge unseren Balkangrill: Pljeskavica, Cevapcici, Raznjici, Djuvecreis, Und dazu gehört ein gutes deutsches Bier. Darauf freue ich mich in meinem Urlaub. Und es ist egal, ob ich mit zwei oder drei Kilo mehr zurückkomme. Ich habe in den letzten Monaten gut sieben davon verloren.

Gießen 46ers: Ignjatovic als Mensch offen und ehrlich

Wie würden Sie sich charakterisieren?

Ich versuche, in der Halle mit den Spielern so zu sein, wie im normalen Leben. Ich suche den Kontakt. Ich habe als Spieler, als Kleinunternehmer (Kurierdienst) und als Trainer gelernt, dass glückliche Leute und zufriedene Mitarbeiter bessere Arbeit abliefern. Meine Aufgabe als Trainer ist es, ein Umfeld zu schaffen, dass jeder mit Lust und Energie dabei ist. Als Mensch bin ich ehrlich und offen. Manche können damit umgehen, manche haben damit Probleme. Ich glaube, in meinem Alter ist man an einem Punkt, an dem man sich schwer ändern kann.

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