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Steuernagels Schritte Richtung Profifußball

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Von: Sven Nordmann

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Der Inheidener Daniel Steuernagel lässt seinen Grundschuljob vorübergehend hinter sich. Der 37-Jährige hat die große Bühne im Visier und hospitiert bei Eintrachts Niko Kovac.

Grenzen ausloten, alle Vorrausetzungen für ein Trainerjob im Profifußball schaffen und die Chance suchen: Diese Ziele verkörpert Daniel Steuernagel im Oktober 2017, wenn er im Bauch der Frankfurter Commerzbank-Arena über seine Zukunft spricht. Der aus Inheiden stammende und in Aßlar lebende 37-Jährige gehört zu den 24 Absolventen der Fußball-Lehrer-Ausbildung, die sich über zehn Monate erstreckt – im Zuge dessen macht er ein Praktikum bei Eintracht Frankfurt und Cheftrainer Niko Kovac.

Dafür hat Steuernagel einiges aufgegeben: Er ließ sich für ein Schuljahr als Grundschullehrer in Herborn freistellen, verzichtet auf seinen Verdienst und zahlt für die Ausbildung selbst noch einen mittleren fünfstelligen Betrag. Dafür bekommt Steuernagel die von vielen angestrebte höchste Trainerausbildung im deutschen Fußball – Vorrausetzung für einen Job in 1., 2. oder 3. Liga.  

Mit 37 Jahren ist ein guter Zeitpunkt gekommen, um etwas Neues zu machen

Daniel Steuernagel

»Ich will irgendwann mal sagen: Daniel, du hast alles probiert. Ich will mir nicht vorwerfen, dass ich Niko Kovac nicht  irgendeine Frage gestellt habe. Ich bin nicht unzufrieden mit meinem Leben. Aber mit 37 Jahren ist ein guter Zeitpunkt gekommen, um etwas Neues zu machen. Mit dem Fußball-Lehrer habe ich die Berechtigung, auf höchstem Niveau zu trainieren.«

Schon immer sei es sein Ziel gewesen, in den Profibereich zu kommen – mit 18 Jahren aber wird Daniel Steuernagel Sportinvalide. »Also muss ich es als Trainer schaffen.« Im gleichen Jahr, mit 18, beginnt Steuernagel seine Trainer-Karriere, in der Region bekannt wird er durch sein Engagement beim SC Teutonia Watzenborn-Steinberg, mit dem er seit Sommer 2014 den Durchmarsch von der Verbands- in die Regionalliga schafft. In acht Jahren stieg der junge Coach fünfmal auf. Zuletzt war er Sportlicher Leiter bei den Sportfreunden Siegen, ehe der Verein Insolvenz anmeldete. In einem Jahr: Grundschule oder Trainerjob Auch wenn Steuernagel sich aufgrund seiner Frau Dagmar schwer tut, weiß er: Wenn er es ernst meint mit dem Fußball, wird er einen Wohnortswechsel künftig in Betracht ziehen müssen. »Vielleicht sitze ich in einem Jahr in Herborn in der Grundschule, vielleicht sitze ich aber auch irgendwo in Deutschland als Cheftrainer. auf der Bank.« An einem Dienstag Mitte Oktober sitzt Daniel Steuernagel in der Geschäftsstelle von Eintracht Frankfurt – der 37-Jährige hatte schon immer ein Faible für Niko Kovac, die räumliche Nähe sprach zudem dafür, dass das auf drei Zeiträume verteilte Praktikum in Frankfurt stattfindet. DFB-Chefausbilder Frank Wormuth stellte den Kontakt her. Steuernagel und Kovac haben einige Gemeinsamkeiten   »Niko ist ein total offener, charismatischer Typ. Ich bin froh, dass ich hier bin. Wir führen viele vertrauensvolle Gespräche. Er erklärt mir oft, warum er diese oder jene Spielform wählt oder wie er das Krafttraining taktet.« Kovac und Steuernagel haben einige Gemeinsamkeiten: Beide legen großen Wert auf den athletischen Bereich, beide streben ein laufintensives Spiel an, beide sind sehr ehrgeizig. »Niko ist fordernd«, sagt Steuernagel, der zu Hessenligazeiten in Watzenborn-Steinberg selbst beim Stand von 5:0 aus der Haut fuhr, wenn einer seiner Spieler einem Ball nicht nachjagte. »Das ist ein innerer Antrieb. Wenn du weiterkommen willst, musst du auch mal anstrengend sein.«

Daniel ist sehr wissbegierig und interessiert sich auch für das Athletiktraining und ernährungswissenschaftliche Ansätze. Das ist wichtig

Niko Kovac

Eintracht-Coach Kovac hat jedenfalls einen »sehr positiven Eindruck« von Steuernagel: »Er ist sehr wissbegierig und schaut nicht nur auf die taktischen Elemente der Trainingseinheiten. Er interessiert sich auch für die physiotherapeutischen Maßnahmen, das Athletiktraining, ernährungswissenschaftliche Ansätze – das ist wichtig.« Dass einem Trainer ohne frühere Profierfahrung etwas fehle, »sei ganz normal. Wenn du als Profi gespielt hast, dann hast du sicher leichte Vorteile. Aber ich sehe darin kein großes Problem, es ist ja auch der Trend.«

Steuernagel, der das frühe Anlaufen und das Flügelspiel liebt, nutzt die Zeit in Frankfurt für viele Gespräche mit Athletiktrainern, lässt sich Analysetools zeigen und kommt zur Erkenntnis: »So wie wir es in Watzenborn-Steinberg damals mit  Personaltrainer Marc Lubetzki gemacht haben, war das schon fortschrittlich.« Von der Infrastruktur her liegen naturgemäß Welten zwischen der Millionen-Metropole und Pohlheim. Die Abläufe vor den Spielen seien aber ähnlich. So übernachtete auch die Teutonia vor Regionalliga-Gastspielen teilweise im Hotel. Steuernagel will losgelassen werden Diese zeitliche Belastung war für den Lehrer ein Grund für den damaligen Rücktritt. »Ich habe mir gesagt, ich gehe da jetzt raus, mache den Fußball-Lehrer und kann dann Vollzeit im Fußball arbeiten.« Für ihn stehe nun fest: »Auf höherem Fußball-Niveau werde ich nicht mehr zweigleisig fahren und Lehrer und Trainer sein.« Der Fußballliebhaber sagt: »Ich kann mich jetzt endlich mal nur auf eine Sache konzentrieren.« Dabei spüre er, dass er wieder Teil eines Teams sein wolle, Zuschauer begeistern und ihnen ein »gutes Produkt« liefern wolle. »Die Begeisterung, Leute zu führen und mitzunehmen, das macht mir Spaß. Ich bin gerade wie ein Pferd, das losgelassen werden möchte. Aber noch ist die Box zu.« Daniel Steuernagel arbeitet daran, Mitte nächsten Jahres nach Ende der Ausbildung losgelassen zu werden und seine Chance im Profifußball zu bekommen.

Die DFB-Ausbildung

Lange Tage und Rhetorik-Seminare

Die Ausbildung zum Fußball-Lehrer beginnt im Juni, dauert zehn Monate, hat ihr Zentrum in Hennef und ist in fünf Aspekte gegliedert: Fußballspezifische Themen, Physiologie, Psychologie, Regelkunde und Ernährungslehre. »Es kann ein unheimlicher Stress sein«, sagt Daniel Steuernagel. »Du bekommst viel Input, die Tage sind lang, dauern teilweise von morgens acht bis abends um 22 Uhr.« Am Dienstag, dem Tag des Treffpunkts, stehe in der Regel ein Fußball-Thema an, nachmittags folge Physiologie, ehe eine Praxiseinheit auf dem Rasen ansteht. Steuernagel: »Im Grunde ist der Fußball ja banal. Es gibt vier Situationen: Ballbesitz, Spiel gegen den Ball und die Umschaltmomente dazwischen.« Rhetorik-Seminare mit Sky-Moderatoren gehören auch zum Programm. Häufig müssen die angehenden Fußball-Lehrer präsentieren und werden dabei gefilmt: »Du wirkst als Trainer immer, auch wenn du nichts sagt.« Unter den diesjährigen Absolventen befindet sich kein deutschlandweit bekannter Ex-Profi. Steuernagel: »Es scheint gewollt zu sein, dass die Trainer aus verschiedenen Bereichen kommen.« (sno)

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