Die Kraft negativer Gedanken
»Badesalz-Hälfte« Henni Nachtsheim und Sportredakteur Ronny Th. Herteux haben nicht nur die Frankfurter Eintracht unter die Lupe genommen, sondern auch negative Gedanken.
Hallo Herr Nachtsheim, was haben Millionen ehemaliger DDR-Bürger und der heutige Schalke Trainer Domenico Tedesco gemein?
Henni: Sie werden es mir sagen, Herr Herteux…
Ganz einfach, sie haben nicht mehr an eine Wende geglaubt – viele Ostdeutsche einst von der Honecker’schen Knechtschaft und Tedesco vom 0:4-Rückstand seiner Schalker nach nur 25 Minuten in Dortmund.
Henni: Das wird die Ostdeutschen bestimmt begeistern, dass Sie ihre lange Leidenszeit unter einem autoritären Regime mit dem Rückstand bei einem Fußballspiel vergleichen! Da können Sie demnächst auch eine Angriffswelle von Bayern München mit Pearl Harbour gleichsetzen.
In den Gazetten wurde schon vom Jahrhundertspiel geschrieben. In der Tat war es ein famoses Spektakel, haben Sie noch an eine Wende geglaubt? In Dortmund meine ich natürlich.
Henni: Das würde voraussetzen, dass ich mich zeitintensiv mit dem Spiel beschäftigt hätte. Da ich aber Eintracht-Fan bin, habe ich dementsprechend auch das Eintracht-Spiel geschaut und das mit dem Revierderby erst später mitbekommen. Wobei ich nicht abstreiten will, dass es schon ein außergewöhnliches Spiel war!
Apropos Jahrhundertspiel, wäre schön, wenn mal die Frankfurter Eintracht mit so etwas in Zusammenhang gebracht werden würde. Oder habe ich da schon etwas vergessen?
Henni: Es gab mal ein Spiel der Eintracht gegen den VfL Bochum. Da haben die Bochumer die Frankfurter in der ersten Halbzeit in Grund und Boden gespielt, doch nach der Pause war es genau andersrum, da war die Eintracht nicht mehr wiederzuerkennen.
Endete das auch mit einem 4:4?
Henni: Nein … 0:0. Aber ansonsten war es ähnlich!
Bestimmt ein Spektakel – zum Tagesgeschäft: Die Eintracht zeigt sich in diesen Tagen sehr wechselhaft. In Hoffenheim spät das 1:0 verspielt, nun gegen Leverkusen in eine Drangphase hinein das 0:1 kassiert. Gegen schwache Bremer geradeso zum 2:1 gekommen. Es scheint, als würden die letzten Prozent fehlen – an Qualität, an Aufmerksamkeit, an Konzentration und Fitness.
Henni: Ich wiederhole meine Aussage, dass die Mannschaft immer noch in einem Findungsprozess steckt, und sich in all diesen Punkten noch verbessern kann. Und was die späten Gegentore angeht, muss man das sportlich sehen. Wir können es nicht als selbstverständlich hinnehmen, gegen Stuttgart, in Hannover oder gegen Werder kurz vor Schluss zu gewinnen und dann jammern, wenn das anderen Mannschaften auch mal gegen uns gelingt. Man kann als Bub auf dem Schulhof auch nicht ein paar andere Jungs vermöbeln, sich danach wie der Größte fühlen, und dann weinend zur Mami rennen, wenn kurz drauf der große Bruder von dem Vermöbelten auftaucht und dir eine ballert. Wobei ich zugeben muss, dass ich es damals genauso gemacht habe, aber das ist was anderes!
Ich hoffe, Sie unterstellen mir jetzt nicht negative Gedanken. Im Zusammenhang mit dem Ruhrpott-4:4 hat ein Psychologe geschrieben, die Dortmunder hätten mit zunehmender Dauer Angst bekommen. Das Rezept hierfür: Kommen negative Gedanken auf, Gedanken stoppen, positiv denken. Haben Sie diese Methode auch schon einmal bei einem ihrer vielen Bühnenauftritten angewandt?
Henni: Da nicht. In anderen Situationen aber schon!
Verraten Sie uns eine?
Henni: Vor ein paar Wochen landete ich während einer langen Autofahrt auf einem ziemlich abgehalfterten Rastplatz. Weil ich Hunger hatte, habe ich mir eine Bratwurst mit Pommes bestellt. Ich weiß nicht, wie lang die Sachen in der Fritteuse gelegen haben, aber dem ranzigen Aussehen nach dürfte es eher eine Woche als ein Tag gewesen sei. Trotzdem habe ich gegen den aufkommenden Ekel angekämpft und mir gesagt: »Sieh es positiv! Es ist immerhin was zu essen!«
Und? Hat es funktioniert?
Henni: In meinem Kopf schon. In meinem Magen nicht!
Bitte keine Einzelheiten. So einfach hätte also der BVB gegen Schalke und die Eintracht in Hoffenheim den heraufziehenden Ausgleich abwehren können. Wir könnten doch eine Praxis eröffnen und zaudernde Fußball-Profis wieder auf Kurs bringen? Das wäre bestimmt einträglich.
Henni: Da bin ich der Falsche! Wenn einer psychologisch schon an einer Bratwurst scheitert, sollte er es erst recht nicht mit menschlichen Wesen versuchen.
Im Ernst: Niko Kovac hat nach dem 0:1 gegen Leverkusen gesagt: »Wir sind ganz weit weg von Europa.« Das sehe ich jetzt ausnahmsweise nicht mal negativ. Wenn der Abstiegskampf momentan überhaupt keine Rolle spielt, dann muss die Eintracht auf Kurs liegen.
Henni: Das sehe ich ähnlich. Ich fände es auch nicht so schlimm, wenn wir am Ende der Saison im gesicherten Mittelfeld landen, verbunden mit der Hoffnung, mit einer relativ unveränderten und bis dahin gereiften Mannschaft ambitioniert den nächsten Schritt zu machen. Schlimm wäre es allerdings, wenn Kovac vorher zum Beispiel zu Bayern München geht. Dann dürfte dieser nächste Schritt nämlich ziemlich sicher eher einer nach hinten sein.
Oh je, jetzt spüre ich aufgrund Ihrer Antwort negative Gedanken aufkommen.
Henni: Macht nichts! Sie wissen doch, was zu tun ist. Tschüß, Herr Herteux! Bis zum nächsten Mai!
Tschüß, Herr Nachtsheim! Okay, dann versuche ich es mal… stopp negative Gedanken! Stopp … Stopp ...