Warnung vor "Personalkollaps"

Nationaler Bildungsbericht in Berlin vorgestellt
Berlin -Trotz zum Teil kräftigen Personalzuwachses in Kitas, Schulen und Hochschulen in den vergangenen zehn Jahren stehen dem deutschen Bildungssystem nach Expertenansicht schwierige Zeiten wegen Fachkräftemangels bevor. "Die Frage des Personalbedarfs ist eine der drängendsten", sagte der geschäftsführende Direktor des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF), Kai Maaz, in Berlin anlässlich der Vorlage des Nationalen Bildungsberichts. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnte vor einem "Personalkollaps".
Der umfangreiche Report wird alle zwei Jahre unter Federführung des DIPF erstellt. Der Bildungsforscher Maaz stellte ihn im Beisein von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und der Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Karin Prien (CDU) vor.
Personalgewinnung und Personalqualifizierung bleibe in den kommenden Jahren vordringlich für weiterhin hochwertige Bildungsangebote, heißt es im Bericht. "Die Frage ist ja nicht nur, wie kommen wir an zusätzliches Personal? Es ist auch unklar, wo es herkommen soll. Wir werden hier möglicherweise Verteilungskämpfe auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erleben", sagte Maaz.
Auf etwa 400 Seiten werden im Bildungsbericht Entwicklungen, Trends und Probleme im gesamten Bildungssystem beschrieben - von der Kita, über die Schulen, die Berufs- und Hochschulen bis zur Weiterbildung. Die Wissenschaftler haben dafür Daten aus Statistiken und Studien ausgewertet und wählten dieses Mal das "Bildungspersonal" als Schwerpunktthema, was die Dringlichkeit verdeutlichen soll.
In dem Report ist zwar die Rede davon, dass sich etwa in Kitas, Schulen und Hochschulen die Personalstärke seit 2010 "teils merklich" erhöht habe. "Allein Kindertageseinrichtungen verzeichneten einen Personalzuwachs von 75 Prozent", heißt es. Da aber auch die Zahl der Kinder in den Kitas gestiegen ist, gebe es trotzdem lediglich geringe Verbesserungen im Zahlenverhältnis Kinder pro Erzieherin.
Und der Personalbedarf wird nach Ansicht der Autoren weiter steigen, besonders in der frühen Bildung. Bis 2025 könnten hier bis zu 72 500 Fachkräfte fehlen. Dazu kommt der beschlossene Anspruch auf Ganztagsbetreuung, der schrittweise ab dem Schuljahr 2026/2027 bundesweit eingeführt wird. Dadurch werde im Grundschulbereich bis 2030 ebenfalls mit einem großem Zusatzbedarf von bis zu 65 600 Fachkräften gerechnet.
GEW-Chefin Maike Finnern sagte, das System befinde sich im Teufelskreis aus Überlastung durch Fachkräftemangel und Fachkräftemangel durch Überlastung. "Es droht ein Personalkollaps."Weitere Punkte im Bildungsbericht behandeln folgende Themen:
Bildungserfolg hängt von der Herkunft ab: "Die Bildungserfolge stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der sozioökonomischen Situation der Familie".
Bildung zahlt sich aus: Bildung zahlt sich nicht nur finanziell aus, durch bessere Jobs. Schüler mit besseren schulischen Leistungen seien mit ihrem Leben auch zufriedener. Und Erwachsene mit höheren Lesekompetenzen schätzten ihre Lebenszufriedenheit höher ein als solche mit geringerer Kompetenz.
Weniger Schulabbrecher, aber Niveau etwa gleich: Die Schulabbrecherquote ist leicht gesunken, bewegt sich aber in etwa auf dem Niveau der vergangenen zehn Jahre bei rund 6 Prozent der gleichaltrigen Bevölkerung.
Boom bei Kitas: 92 Prozent der drei- bis sechsjährigen sind inzwischen in einer Tagesbetreuung. Auch die ganz Kleinen: Mehr als ein Drittel der unter Dreijährigen geht in die Kita oder wird betreut.
"Sättigung" beim Studium: Inzwischen nimmt laut Bericht fast die Hälfte der jungen Erwachsenen ein Studium auf. Hier wurde laut Bericht aber möglicherweise nun ein "Sättigungsniveau" erreicht. dpa