Vor knapp drei Jahren hatte der französische Präsident Emmanuel Macron die Nato noch als "hirntot" bezeichnet. Der russische Angriff auf die Ukraine hat das westliche Militärbündnis wieder höchst lebendig werden lassen. Es weiß wieder, wozu es da ist: nämlich die freie Welt gegen totalitäre Bedrohungen verteidigen.
Während des Kalten Krieges war die Herausforderung der kommunistische Warschauer Pakt. Nach dessen Ende war das westliche Militärbündnis ein wenig orientierungslos und experimentierte als Weltpolizist. Der Angriff auf Serbien ohne UN-Mandat von 1999 gilt bis heute als Sündenfall. Auch der russische Autokrat Putin zitierte ihn vor dem Angriff auf die Ukraine als Rechtfertigung. Zum Desaster wurde der Nato-Einsatz in Afghanistan. Macrons Äußerung vom "Hirntod" fiel in Zusammenhang mit dem eigenmächtigen Agieren der Nato-Mitglieder USA und Türkei in Syrien, bezog sich aber auch auf Berlins bekannte vornehme Zurückhaltung.
All das hat Putins Aggression zur Makulatur gemacht. Die Nato ist attraktiver denn je. Selbst die bisher neutralen Schweden und Finnen wollen in das Bündnis, die Türkei hat ihren Widerstand gegen den Beitritt aufgegeben. Die Nato stockt ihre schnellen Einsatzkräfte gewaltig auf und stärkt ihre Ostflanke. Hier drohen weitere Angriffskriege Russlands. Putin, der den Westen schwächen wollte, hat sich verkalkuliert. Die Nato hält mehr zusammen denn je.
Dennoch sind angesichts der russischen Aggression weder die Nato geschweige denn die von ihr unterstützte Ukraine in rosiger Lage. Der Druck Russlands auf die Ostukraine wächst von Tag zu Tag. Die bisherige Unterstützung der Nato wird kaum reichen, damit Kiew die zahlenmäßig überlegene russische Armee stoppen kann. Die Ukraine zahlt einen gewaltigen Blutzoll, um den Vormarsch auch nur zu verzögern. Ohne direkte Hilfe der Nato wird Kiew keine nennenswerten Gebiete zurückerobern können.
Die Nato will sich verständlicherweise in keinen echten Krieg mit Russland hineinziehen lassen. Damit kein Diktatfriede als einzige Lösung bleibt, stellt der Westen weiter alles dafür bereit, dass die Ukraine beim Armdrücken mit dem übermächtigen Gegner einigermaßen standhalten kann. So bleibt letztlich nur die Hoffnung, dass dabei auch der russische Bär ermüdet und so den Appetit auf weitere Eroberungen verliert.