Im Laufe der Jahre vernehme ich immer wieder Klagen über die Ineffizienz der Demokratie. Während den wiederholten Regierungskrisen in Italien, zu Beginn der Corona-Pandemie, nach dem Start des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und so weiter. Variantenreich werden die Schnelligkeit und die Durchschlagskraft von Diktaturen, zumindest von autoritären Regimen hervorgehoben.
Wollen wir das wirklich? Einen sich unfehlbar dünkenden Lenker, der entschlossen die Probleme des Staates anpackt und löst. Nicht wenige europäische Demokraten lobten Italiens Duce Benito Mussolini, der 1922 durch einen Marsch seiner Anhänger auf Rom an die Macht gelangt war, weil er dafür gesorgt hatte, dass die Züge der italienischen Eisenbahn pünktlich verkehrten. Doch der Preis war enorm. Innenpolitische Gegner wurden ermordet oder eingekerkert. Außenpolitisch beging Mussolinis Regime Völkermord. 1935 überfielen italienische Truppen das Kaiserreich Abessinien (heute Äthiopien). Die Italiener setzten Giftgas ein. Zehntausende Abessinier, vielfach Zivilisten, starben, das Land wurde erobert und als italienische Kolonie versklavt. In Italien bejubelte die Bevölkerung den "grandiosen Sieg". Die Popularität Mussolinis blieb zunächst auch im Weltkrieg ungebrochen - bis das italienische Militär katastrophale Niederlagen in Afrika erlitt, alliierte Truppen in Sizilien landeten, italienische Städte bombardiert wurden. Da stürzten die Faschisten 1943 Mussolini. Heute werben neue Anhänger des Duce als "Brüder Italiens" mit Mussolinis gescheiterten Rezepten - und finden Unterstützer.
In den USA war Donald Trump nicht bereit, seine knappe Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen 2019 hinzunehmen. Er peitschte im folgenden Januar seine Anhänger auf, eine Amtsübergabe an den Gewinner Joe Biden zu verhindern. Doch die politischen Institutionen der amerikanischen Demokratie blieben stabil und verhinderten einen Umsturz. Selbst Trumps Vizepräsident Pence und sein Justizminister stellten sich auf die Seite des Rechts. Demokratien sind mitunter schwerfällig. Vor allem, wenn sie transnational entscheiden sollen - wie bei der EU oder der Nato. Das lädt autoritäre Politiker aus Staaten mit einer kurzen demokratischen Tradition ein, die Partner zu erpressen. Wie jüngst in der Nato, als es um die Aufnahme von Schweden und Finnland ging. Aber am Ende wurde man sich einig. Im Gegensatz dazu kann Putin blitzschnell entscheiden. Selbst seine Berater wagen es nicht, ihre Bedenken zu äußern. So kommt es zu dramatischen Fehlern, selbst zum Krieg.
Aber auch im Frieden erweist sich das demokratische System, trotz seiner Schwerfälligkeit als effizient. Dies musste zuletzt Boris Johnson erfahren. Die Opposition und schließlich seine eigene konservative Partei zwangen ihn zum Rücktritt. Das ist der entscheidende Vorteil der Demokratie, sie wirkt am Ende als ein hygienisches politisches System. Demokratie hat manche Schwächen, bekannte Großbritanniens legendärer Premier Winston Churchill, aber sie ist das beste System. Churchill hatte es am eigenen Leibe erfahren. Die Briten wählten ihn im August 1945, im Moment seines größten Triumphs, den Sieg über Hitler, ab.