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Papst-Gesandter in der Ukraine, dann fallen Schüsse: „Wusste nicht, wohin ich fliehen soll“

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Von: Florian Naumann, Patrick Mayer, Bettina Menzel

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Nachdem die Ukraine große Gebiete zurückerobern konnte, droht nun Putin mit einem Gegenschlag. Der News-Ticker zum Ukraine-Krieg.

Update vom 18. September, 9.06 Uhr: Nach der Niederlage von Russlands Besatzungstruppen im Gebiet Charkiw spricht der ukrainische Präsident Selenskyj von verbreiteter Folter und anderen „Nazi“-Methoden.  Die Details in unserem neuen News-Ticker zu den Kampfhandlungen im Ukraine-Krieg.

Update vom 17. September, 20.01 Uhr: Schüsse in der Ukraine bei einem Besuch des Papst-Gesandten. Der von Papst Franziskus in das Kriegsgebiet geschickte Kurienkardinal Konrad Krajewski verteilte am Samstag in Saporischschja im Süden des Landes Hilfsgüter, als plötzlich Schüsse fielen, wie das vatikanische Nachrichtenportal „Vatican News“ meldete. Die Gruppe um Krajewski, der als Almosenmeister für die karitativen Belange des Vatikans zuständig sei, habe in Deckung gehen müssen.

„Zum ersten Mal in meinem Leben wusste ich nicht, wohin in fliehen soll“, sagte Krajewski. Die Gruppe blieb unverletzt und Krajewski, der zum vierten Mal seit Kriegsausbruch in der Ukraine geschickt worden war, konnte seine Mission fortsetzen.

Update vom 17. September, 19.07 Uhr: Das Atomkraftwerk Saporischschja ist nach zweiwöchiger Unterbrechung wieder direkt an das ukrainische Stromnetz angeschlossen. Wie die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien am Samstag mitteilte, wurde eine Hauptstromleitung wiederhergestellt, mit der die Brennstäbe in der von russischen Kräften besetzten Anlage gekühlt werden. 

Update vom 17. September, 14.41 Uhr: Am Samstag meldete der ukrainische Generalstab, dass eine Offensive Russlands bei Donezk in Richtung der Städte Bachmut, Avdiivka, Zaitseve, Mykolaivka Druha und Novomykhailivka am Freitag von ukrainischen Truppen zurückgeschlagen werden konnte. Am Samstag gab es offenbar einen weiteren russischen Angriff in der Oblast Donezk. Dem Bürgermeister der Stadt Kramatorsk zufolge seien drei Menschen bei einem russischen Treffer auf ein Wohngebiet verletzt worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig verifizieren.

Indes teilte die ukrainische Marine am Samstag mit, dass vier russische Kriegsschiffe mit bis zu 32 Kalibr-Raketen im Schwarzen Meer einsatzbereit seien. Zudem verfüge Russland über bis zu sechs Kriegsschiffe im Asowschen Meer und fünf weitere Träger für Marschflugkörper im Mittelmeer. Schon Ende August war aus einem Nato-Geheimbericht hervorgegangen, dass Russland vom Schwarzen Meer aus mit Lenkwaffen des Typs „Kalibr“ Angriffe auf Kiew starten könnte.

Britisches Verteidigungsministerium: Russland versucht Defensivlinie im Osten zu halten

Update vom 17. September, 10.05 Uhr: Das britische Verteidigungsministerium veröffentlichte am Samstag unter Berufung auf Geheimdienstinformationen Details zur aktuellen russischen Kriegstaktik. Demnach wollen die russischen Truppen die Verteidigungslinie in der Ostukraine unbedingt halten. Die Russen hätten eine Defensivlinie zwischen dem Fluss Oskil und der Kleinstadt Swatowe im Gebiet Luhansk errichtet, teilte das Verteidigungsministerium in London am Samstag unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Die Ukrainer würden hier ihre Offensive fortsetzen. Russland wolle aber unbedingt die Kontrolle behalten, weil durch dieses Gebiet eine der wenigen Nachschubrouten führe, die noch von russischen Einheiten kontrolliert werde, hieß es.

Zudem verlaufe die Abwehrlinie entlang der Grenze des Gebiets Luhansk, dessen „Befreiung“ eines der wichtigsten russischen Kriegsziele sei. „Ein deutlicher Gebietsverlust in Luhansk wird die russische Strategie deutlich untergraben“, betonte das Ministerium. „Russland wird wahrscheinlich versuchen, dieses Gebiet hartnäckig zu verteidigen, aber es ist unklar, ob die russischen Truppen an der Front über ausreichende Reserven oder angemessene Moral verfügen, um einem weiteren konzertierten ukrainischen Angriff standzuhalten.“

Ukrainischer Generalstab am Samstag: 54.250 russische Soldaten seit Beginn des Krieges getötet

Indes teilte der ukrainische Generalstab am Samstag mit, dass seit Beginn des Krieges 54.250 russische Soldaten getötet worden seien - 200 mehr als am Vortag. Außerdem seien seit der russischen Invasion am 24. Februar insgesamt 2202 Kampfpanzer (3 mehr als am Vortag) zerstört worden, sowie 4701 (+11) gepanzerte Fahrzeuge, 1306 (+4) Artilleriesysteme, 312 (+0) Raketenwerfer, 168 (+0) Flugabwehrsysteme, 251 Flugzeuge (+1), 216 Hubschrauber (+0), 911 (+3) taktische Drohnen.

In besetzten Gebieten: US-Kriegsforscher warnen vor russischen Angriffen unter falscher Flagge

Update vom 17. September, 8.23 Uhr: Die Kriegsforscher der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) warnen vor möglichen russischen Angriffen unter falscher Flagge in besetzten Gebieten. Demnach könnten russische Streitkräfte zwischen dem 17. und 20. September die Zivilbevölkerung angreifen, sagte das ISW unter Berufung auf das ukrainische Widerstandszentrum. Ukrainern in den entsprechenden Regionen empiehlt das ISW demnach, in diesem Zeitraum öffentliche Plätze zu meiden.

Die Angriffe unter falscher Flagge könnten dem ukrainischen Widerstandszentrum zufolge ein Versuch sein, die „Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft von der Niederlage in Charkiw und der Entdeckung russischer Kriegsverbrechen“ in den befreiten Gebieten abzulenken. Nach der Rückeroberung des Gebiets Charkiw waren dort ukrainischen Angaben zufolge ein Massengrab sowie Folterkammern entdeckt worden. Der Gouverneur des Oblast Charkiw, Oleh Syniehubow sagte, 99 Prozent der aus dem Massengrab exhumierten Leichen hätten „Anzeichen eines gewaltsamen Todes“ aufgewiesen. Mehrere Leichen hätten auf dem Rücken gefesselte Hände gehabt, so Syniehubow weiter. Die Ermittlungen vor Ort dauern an, hieß es am Freitagabend.

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Die ukrainischen Behörden entdeckten in der Nähe der zurückeroberten Stadt Ijsum Hunderte von Gräbern. Die Ermittlungen laufen. © Evgeniy Maloletka/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

In befreitem Gebiet Charkiw: Ermittlungen zu Kriegsverbrechen gehen weiter

Update vom 17. September, 7.12 Uhr: In dem von der russischen Besatzung befreiten Gebiet Charkiw gehen die Ermittlungen zu Kriegsverbrechen weiter. Dutzende Einsatzkräfte sind dort im Einsatz, um die Leichen zu bergen. Der ukrainische Präsident Selenskyj kündigte an, dass er die Arbeit der Rettungskräfte am Samstag zu ihrem offiziellen Ehrentag besonders würdigen wolle. Sie hätten Tausende Leben gerettet und sorgten für die Sicherheit aller Ukrainer. Zugleich hat Russland ungeachtet der Niederlage im Gebiet Charkiw eine Fortsetzung der Kampfhandlungen ankündigt, bis alle Ziele erreicht seien.

Nach Ukraine-Offensive: Putin droht bei Gipfel mit „härterer“ Antwort

Update vom 16. September, 19.50 Uhr: Ungeachtet der schweren Niederlage seiner Armee im Gebiet Charkiw hat Russlands Präsident Wladimir Putin weitere Angriffe auf ostukrainische Gebiete angekündigt. „Unsere Offensivoperationen im Donbass werden nicht ausgesetzt, sie gehen in geringem Tempo voran“, sagte Putin am Freitagabend bei einer Pressekonferenz zum Abschluss eines Gipfels der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) im zentralasiatischen Usbekistan. „Die russische Armee nimmt immer neue Gebiete ein“, behauptete Putin.

Unter dem Druck ukrainischer Gegenoffensiven hatten Russlands Streitkräfte sich am vergangenen Wochenende aus dem ostukrainischen Gebiet Charkiw fast vollständig zurückgezogen. Im usbekischen Samarkand äußerte sich Putin nun erstmals selbst zu den Erfolgen des Gegners. „Die Kiewer Führung hat erklärt, dass sie eine aktive Gegenoffensive begonnen hat und durchführt“, sagte er. „Nun, schauen wir, wie diese sich entwickeln wird und womit sie endet.“

Der Kremlchef warf der Ukraine zudem Anschlagsversuche gegen russische Atomkraftwerke vor - und drohte: „Falls sie letztendlich nicht verstehen, dass solche Methoden inakzeptabel sind, wird es eine Antwort geben.“ Bisher habe es Gegenschläge als Verwarnung gegeben. Wenn sich die Lage nicht ändere, werde die Antwort „härter“ ausfallen.

Krieg zwischen Ukraine und Russland: Angriffe auf beiden Seiten gemeldet

Update vom 16. September, 19.30 Uhr: Laut dem ukrainischen Generalstab hat Russland an diesem Freitag vier Raketen- und fünf Luftangriffe auf die Ukraine gemacht. Zwölfmal habe es Angriffe mit Mehrfachraketenwerfern gegeben, heißt es aus Kiew weiter.

Die ukrainischen Truppen griffen demnach vier Gebiete mit russischen Truppen und einen Stützpunkt des Gegners an. Dabei sei auch ein Logistikpunkt zerstört worden, von dem aus die russische Armee Reserven schicken wollte, erklärte der ukrainische Generalstab. Unabhängig überprüfen lassen sich die Informationen nicht.

Für Kampf gegen Russland: Ukraine bittet Deutschland erneut um Leopard 2 und Marder-Panzer

Update vom 16. September, 18.45 Uhr: Die Ukraine bittet Deutschland das x-te Mal um die Lieferung von Kampfpanzern Leopard 2 und Schützenpanzern Marder. Kanzler Olaf Scholz (SPD) bleibt aber bei seinem Nein. Und Kiew hat bereits reagiert.

Update vom 16. September, 17.06 Uhr: Russland und Wladimir Putin rekrutieren im Ukraine-Krieg offenbar Häftlinge als Truppen-Verstärkung für die angeblich schwächelnde Truppenstärke. Der Chef der Gruppe Wagner steht deshalb im Fokus – und äußert sich in bemerkenswerter Weise über die Straftäter, welche die russische Armee verstärken sollen. Jedoch gibt es an der Vorgehensweise auch Kritik aus dem eigenen Land.

Ukraine beschießt Separatisten und tötet angeblich hochrangige Mitglieder

Ursprungsartikel vom 16. September 2022:

München – Im Kampf um Städte, Siedlungen und konkrete Frontverläufe scheint im Ukraine-Krieg vorläufig Stillstand eingekehrt zu sein. Gleichbedeutend mit Frieden ist das nicht: Am Freitag (16. September) meldete Russland einen Raketenangriff auf die strategisch wichtige Stadt Cherson. In Luhansk kamen weiteren unbestätigten Angaben zufolge hochrangige Separatisten bei einem Anschlag zu Tode.

Die Ukraine ermittelt unterdessen zu den Folgen der russischen Besetzung im Oblast Charkiw. Und auch das allgemeine Rätselraten um Russlands verbleibende militärische Potenziale hält an. Der britische Geheimdienst befeuerte einmal mehr Zweifel an der Schlagkraft von Wladimir Putins Truppen. Der Krieg habe erhebliche Auswirkungen auf die russische Personalstärke, teilte das Verteidigungsministerium in London mit. Dafür sprächen auch Rekrutierungen unter Häftlingen. Ob das tatsächlich so ist, ist derzeit Gegenstand von Debatten. Der Überblick:

Russland meldet im Ukraine-Krieg mehrere tödliche Explosionen – Die Militärische Lage im Überblick

Cherson: In Cherson ist nach russischen Angaben ein Gebäude der Besatzungsverwaltung mit Raketen angegriffen worden. Russischen Agenturen zufolge schlugen am Freitag fünf ukrainische Raketen in dem Gebäude ein. Dabei sei mindestens ein Mensch getötet und einer verletzt worden, hieß es. Unabhängig überprüft werden konnte das zunächst nicht.

Aussagen des Vizechefs der Besatzungsverwaltung zufolge wurde dessen Arbeitszimmer zerstört. Seine Kollegin Katerina Gubarewa teilte mit, zum Zeitpunkt des Angriffs habe eine Beratung der Leiter der Stadt- und Gemeindeverwaltungen der russischen Besatzer stattgefunden. Cherson ist die einzige ukrainische Provinzhauptstadt, die die russischen Truppen seit dem Beginn des Angriffskriegs am 24. Februar erobert haben.

Dieses von der russischen Staatsagentur Tass verbreitetes Foto soll die Auswirkungen eines Raketenangriffs in Cherson zeigen.
Dieses von der russischen Staatsagentur Tass verbreitetes Foto soll die Auswirkungen eines Raketenangriffs in Cherson zeigen. © IMAGO/Maxim Tishchenko

Luhansk: Örtlichen Angaben zufolge sind in dem russisch besetzten Gebiet hochrangige Mitglieder der von Moskau gelenkten Separatisten bei einem Anschlag getötet worden. „Heute starben im Ergebnis eines Terrorakts der Generalstaatsanwalt Sergej Gorenko und seine Stellvertreterin Jekaterina Steglenko“, schrieb der Chef der Luhansker Separatisten, Leonid Passetschnik, bei Telegram. Er machte Kiew für die Tat verantwortlich.

Örtliche Medien hatten zuvor von einer Explosion im Gebäude der Staatsanwaltschaft berichtet. Die Ukraine dementierte eine Beteiligung. Die „Liquidierung“ sei als Auseinandersetzung innerhalb der örtlichen Kriminalität anzusehen, schrieb Selenskyj-Berater Mychajlo Podoljak auf Twitter.

Berdjansk: Einen Anschlag gab es unterdessen offenbar auch in der von Russland besetzten südukrainischen Hafenstadt Berdjansk. Russischen Angaben zufolge wurden dort der Vizechef der Besatzungsverwaltung, Oleg Boiko, und seine Frau Ljudmila ermordet.

Ukraine-News: Angeblich 440 Gräber und „Folterräume“ entdeckt – Selenskyjs Leute ermitteln

„Folterräume“ in der Region Charkiw: In von der Ukraine zurückeroberten Gebieten im Nordosten des Landes sind nach Angaben der ukrainischen Polizei mindestens „zehn Folterräume“ entdeckt worden. „Bis zum heutigen Tag kann ich von mindestens zehn Folterräumen in Orten der Region Charkiw sprechen“, sagte der nationale Polizeichef Igor Klymenko am Freitag nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax. Allein zwei seien in der kleinen Stadt Balaklija entdeckt worden.

Die Behörden hätten in 204 Fällen Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen der russischen Streitkräfte in der vergangenen Woche eingeleitet, fügte Klymenko hinzu. Der russischen Armee wird seit Monaten vorgeworfen, in den besetzten Gebieten in der Ukraine Kriegsverbrechen begangen zu haben.

Gräberfeld in Isjum: In der Nähe der zurückeroberten Stadt Isjum im Osten des Landes sind zudem nach ukrainischen Angaben hunderte Gräber gefunden worden. Selenskyj sprach am Donnerstagabend von der Entdeckung eines „Massengrabs“ in Isjum, ohne allerdings Einzelheiten zu nennen. Später relativierte der Vermisstenbeauftrage der Ukraine. „Ich möchte das nicht Butscha nennen - hier wurden die Menschen, sagen wir mal, zivilisierter beigesetzt“, sagte Oleh Kotenko dem TV-Sender Nastojaschtschee Wremja in der Nacht zum Freitag. Viele der Getöten seien offenbar durch Beschuss umgekommen.

Allerdings handelt es sich nach unbestätigten Aussagen Ihor Klymenko bei den Toten ausschließlich um Zivilisten. Der Sender n-tv berichtete unter Berufung auf die Nachrichtenagentur Reuters zudem am Freitagnachmittag, es seien in den Gräbern mehrere Leichen mit gefesselten Händen und Strick um den Hals gefunden worden. (fn mit Material von dpa und AFP)

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