Kann Putin den Kosovo-Konflikt für sich nutzen? „Moskau wäre für Belgrad keine Alternative“

Putins Angriffskrieg auf die Ukraine schürt neue Sorgen um den Balkan – eine Expertin erinnert aber an den Kern der aktuellen Kosovo-Eskalationen.
Ohrid/Berlin – Mitte März sind Serbiens Präsident Aleksandar Vučić und der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti einer Einigung im Kosovo-Konflikt näher denn je gekommen – allerdings war es ein Abkommen ohne Unterschriften. Der Westen fürchtet wegen des Ukraine-Kriegs, dass Kremlchef Wladimir Putin solche Konflikte auf dem Balkan für sich nutzt. Die Osteuropa-Expertin Marina Vulović ist sich aber sicher: „Die Gefahr wird überproportional dargestellt.“
Kosovo-Konflikt und Russland: „Serbien kooperiert stärker mit der Nato“
Serbien ist abhängig von Russland, weil Russland mit seinem Veto im UN-Sicherheitsrat die Aufnahme des Kosovos verhindert – und Vučićs Regierung trägt als einzige in der Region die EU-Sanktionen gegen Moskau nicht mit. Vulović forscht an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) zum Balkan. „Serbien kooperiert viel stärker mit der Nato als mit Russland, obwohl es mit Russland auch militärische Abkommen unterzeichnet hat und in gemeinsamen Übungen der Streitkräfte mitmacht“, sagte sie im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.
Allerdings genieße Russland in Serbien eine gewisse „soft power“, also kulturellen Einfluss vor allem durch die orthodoxen Kirchen – das wahre „Schlupfloch“ für Putin, sich in Serbiens Politik einzumischen, sei aber die ungeklärte Kosovo-Frage.
Moskau und der Kosovo-Konflikt: „Für Putin ist eine instabile Region vorteilhaft“
„Für Putin ist eine instabile Region vorteilhaft“, sagte Vulović, „weil sich die Nato dann dort nicht erweitern kann.“ Und für Vučić kommen die Sorgen des Westens gelegen, weil er nun drohen kann, sich Russland zuzuwenden, falls die EU ihm nicht entgegenkommt – „obwohl das natürlich nicht realistisch ist“, betonte sie. „Moskau wäre für Belgrad keine politische Alternative zur EU.“ Vor allem aktuell mit seiner geschwächten Wirtschaft.
Vulović verwies auf die mediale Berichterstattung in Serbien: „Die serbischen Medien zeichnen gleichzeitig ein positives und ein negatives Bild der EU – die öffentliche Meinung oszilliert hier zwischen zwei Auffassungen.“ Einerseits biete die EU als „Good Guy“ wirtschaftliche Investitionen und Hilfen, andererseits dränge sie als „Bad Guy“ Serbien dazu, die Unabhängigkeit des Kosovo anzuerkennen.
Doch auch wenn Russland Serbiens Kosovo-Kurs unterstützt, lägen die Ursachen der häufigen Krisen in dem Konflikt in Vučićs Politik – und inzwischen auch in der neuen Kompromisslosigkeit Kurtis‘, ordnete Vulović ein.
Beschwerden über Putin im Kosovo-Konflikt für Albin Kurti ein „einfaches Spiel“
Welches Verhältnis könnte Kosovos Regierungschef Albin Kurti zur Rolle des Kremlchefs haben? Für Kurti ist es ein einfaches Spiel, auf etwaiges Dazwischenfunken Putins hinzuweisen. So kann er auf Unterstützung des Westens hoffen, schätzte Vulović. „Ich verfolge den Diskurs seit Jahren, und die Hinweise auf russische Einmischung im Kosovo via Serbien haben seit dem Ukraine-Krieg zugenommen.“ (frs)