"Packt zusammen!"

Russische Truppen rücken in Ostukraine weiter vor
Kiew -Die Ukraine bereitet sich nach der weitgehenden russischen Eroberung von Luhansk auf eine massive Ausweitung der Angriffe auf die ostukrainische Nachbarregion Donezk vor. Die dortigen Behörden forderten die Zivilbevölkerung zur Flucht auf. "Russland hat das gesamte Gebiet von Donezk zu einem gefährlichen Hotspot auch für Zivilisten gemacht", warnte Gouverneur Pawlo Kyrylenko. Der Bürgermeister von Slowjansk, Wadym Ljach, kündigte Busse und Züge zum Transport von Zivilisten in den Westen des Landes an: "Kein Risiko eingehen! Packt zusammen!"
Seitdem Russland die weitgehende Kontrolle über die ostukrainische Region Luhansk übernommen hat, hat sich der Schwerpunkt der Kämpfe ins benachbarte Donezk verlagert. Im Visier der russischen Armee sind besonders die Städte Kramatorsk und Slowjansk.
Der ukrainische Generalstab berichtete, rund um die Städte Kramatorsk und Bachmut seien mehrere Siedlungen mit Artillerie beschossen worden. Aus der südukrainischen Region Odessa wurden darüber hinaus in der Nacht zwei Raketenangriffe gemeldet.
Auf Schlangeninsel Flagge gehisst
Trotz ihrer militärischen Erfolge kämpfen russische Truppen nach Angaben aus Kiew aber immer noch um die vollständige Kontrolle über Luhansk. Dazu hätten die Russen einige ihrer Einheiten verlegt, teilte der ukrainische Generalstab mit. Aus Moskau heißt es hingegen seit Tagen, man habe Luhansk komplett unter Kontrolle gebracht.
Ukrainische Soldaten hissten auf der symbolträchtigen Schlangeninsel im Schwarzen Meer inzwischen wieder die ukrainische Flagge. Der Sprecher der Militärverwaltung des Gebiets Odessa, Serhij Brattschuk, veröffentlichte im Nachrichtendienst Telegram mehrere Fotos. Die Insel war nach Kriegsbeginn von Russen besetzt worden, die Truppen zogen vor einer Woche nach ukrainischen Angriffen wieder ab.
Am Donnerstagmorgen wurde der Anlegesteg der Insel ukrainischen Angaben zufolge durch zwei russische Raketen "erheblich beschädigt". Von russischer Seite hieß es, bei dem Angriff seien mehrere ukrainische Soldaten getötet worden. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht in westlichen Waffensystemen eine kraftvolle Verstärkung der ukrainischen Armee im Krieg gegen Russland. Mit treffgenauer Artillerie zerstöre die Ukraine Depots und andere Ziele, die für die Logistik der Russen wichtig seien, sagte Selenskyj am Mittwoch in einer Videobotschaft. "Und das reduziert das Offensivpotenzial der russischen Armee erheblich. Die Verluste der Besatzer werden mit jeder Woche zunehmen", meinte er.
Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am Mittwoch weitere Waffenlieferungen in die Ukraine im Zuge eines sogenannten Ringtauschs angekündigt. Einer Lieferung von Transportpanzern des Typs Fuchs an die Ukraine erteilte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht am Donnerstag eine Absage. "Wir unterstützen die Ukraine mit allem, was möglich und verantwortbar ist. Aber wir müssen die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands gewährleisten", teilte die SPD-Ministerin mit. Sie reagierte damit auf Forderungen der Union.
Beide Kriegsparteien machten sich gegenseitig für Tote und Verletzte bei neuen Angriffen verantwortlich. Die prorussischen Separatisten in der Region Donezk warfen der ukrainischen Armee vor, durch Beschuss sechs Menschen getötet zu haben, darunter drei Kinder. 19 Menschen seien verletzt worden. Die Ukraine warf der russischen Armee ihrerseits den Beschuss mehrerer Orte vor. In der Region Donezk seien drei Menschen getötet worden. Selenskyj machte Russland für einen Raketenangriff auf die pädagogische Universität der zweitgrößten Stadt Charkiw verantwortlich. Die Angaben beider Seiten waren von unabhängiger Seite zunächst nicht überprüfbar. dpa
Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollen während ihrer Zeit in der EU unkompliziert in der Heimat erworbene Führerscheine nutzen können. "Als Reaktion auf die grundlose und ungerechtfertigte militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine sind der Rat und das Europäische Parlament übereingekommen, im Dringlichkeitsverfahren besondere und vorübergehende Maßnahmen in Bezug auf ukrainische Fahrerdokumente einzuführen", teilte die Vertretung der 27 Mitgliedstaaten am Donnerstag in Brüssel mit. Die Regelungen sollen den Angaben zufolge insbesondere die Anerkennung und die Verlängerung der Dokumente sowie Überprüfungsverfahren im Fall eines Verlusts oder Diebstahls vereinfachen. Ziel sei es, den Alltag der Menschen in der EU ein wenig leichter zu machen, bis der "inakzeptable Krieg" ein Ende gefunden habe. Wie das EU-Parlament mitteilte, können ukrainische Flüchtlinge unter bestimmten Bedingungen auch Lkw- und Busführerscheine in der EU anerkennen lassen. Dafür müssten sie eine kurze Schulung und eine Prüfung absolvieren. Hintergrund des Vorstoßes ist, dass sich derzeit die Vorschriften und Verfahren für die Anerkennung und den Umtausch von Führerscheinen aus Drittländern von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterscheiden. So gilt in Deutschland, dass Fahrerlaubnisse aus den meisten Drittstaaten nur noch übergangsweise gültig sind. dpa