Ukraine-Krieg: Offenbar 46 Zivilisten aus Mariupol-Stahlwerk evakuiert
Der Ukraine-Krieg zeigt sich in Mariupol von seiner schlimmsten Seite. In Videos aus dem Stahlwerk Azovstal rufen die Eingeschlossenen nun nach Hilfe.
Update vom 01. Mai, 13.47 Uhr: Im Ukraine-Krieg ist die Lage in Mariupol noch immer angespannt. Russischen Angaben zufolge seien aus dem belagerten Asow-Stahlwerk inzwischen 46 Zivilistinnen und Zivilisten evakuiert worden. Zuvor hatten russische Agenturen lediglich 24 Menschen vermeldet, denen die Flucht gelungen sein soll. Doch mit Einbruch der Dunkelheit sei weiteren 21 Personen schließlich die Flucht aus an das Werk grenzenden Häusern gelungen, wie das russische Verteidigungsministerium mitteilt.
Das ukrainische Asow-Regiment, dessen Kämpfer sich ebenfalls in dem Stahlwerk verschanzt haben, sprach zuletzt von 20 Frauen und Kindern, die evakuiert worden seien und sich auf dem Weg in die von ukrainischen Truppen kontrollierte Stadt Saporischschja befänden. Der ukrainische Verteidigungsminister sprach gegenüber BBC von einem „kleinen Hoffnungsschimmer“. Ukrainischen Angaben zufolge sollen in den Bunkeranlagen des Komplexes insgesamt etwa 1000 Zivilpersonen Zuflucht gesucht haben und nun eingeschlossen sein. Russland spricht dagegen von etwa 2500 ukrainischen Militärs und ausländischen Söldnern, die sich dort gemeinsam mit Zivilpersonen verschanzt hätten.

Für Sonntag, 16 Uhr örtlicher Zeit, ist ein Konvoi zur Evakuierung der im Stahlwerk eingesperrten Zivilistinnen und Zivilisten geplant. Die Fahrzeugkolonne soll in Richtung der Stadt Saporischschja flüchten. Zuletzt wurden ukrainische Fluchtkonvois immer wieder von den russischen Streitkräften beschossen. „Wir beten, dass alles klappt“, schreiben die örtlichen Beamten in Mariupol auf Telegram.
Ukraine-Krieg: 20 Zivilpersonen aus Stahlwerk in Mariupol evakuiert
+++ 22.10 Uhr: Nach ukrainischen Angaben haben 20 Zivilpersonen am Samstag das schwer umkämpfte Asow-Stahlwerk in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol verlassen, um in Sicherheit gebracht zu werden. Die Personen, darunter Frauen und Kinder, seien zu einem vereinbarten Ort gebracht worden, „und wir hoffen, dass sie nach Saporischschja in von der Ukraine kontrolliertes Gebiet gebracht werden,“ erklärte der stellvertretende Kommandeur des Asow-Regiments, Swjatoslaw Palamar, in einem auf Telegram veröffentlichten Video.
UN-Generalsekretär António Guterres hatte bei einem Besuch in Kiew am Mittwoch erklärt, die UNO tue „alles“, um eine Evakuierung von Zivilisten aus dem Stahlwerk zu erleichtern. Russland hatte in der vergangenen Woche erklärt, mit Ausnahme der Stahlwerke die vollständige Kontrolle über die strategisch wichtige Hafenstadt im Südosten der Ukraine erlangt zu haben. Russlands Präsident Wladimir Putin ordnete daraufhin eine Belagerung des Industriegeländes an. In dem Komplex sollen sich neben ukrainischen Soldaten hunderte Zivilpersonen befinden.
Ukraine-Krieg: Mindestens 20 Zivilpersonen aus Stahlwerk in Mariupol evakuiert
Update vom 30. April, 18.30 Uhr: Aus dem belagerten Stahlwerk Azovstal in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol sind Berichten russischer Nachrichtenagenturen zufolge 25 Zivilpersonen evakuiert worden. Unter den Geretteten seien sechs Kinder, meldeten Tass und Ria Nowosti übereinstimmend unter Berufung auf ihre jeweiligen Korrespondenten. Das Regiment Asow spricht von 20 Zivilpersonen, die das Werk zur Evakuierung verlassen haben. Unabhängig überprüfen ließen sich die Angaben zunächst nicht. Ukrainischen Angaben zufolge sollen in den Bunkeranlagen des Stahlwerks insgesamt rund 1000 Zivilpersonen Zuflucht gesucht haben – und nun eingeschlossen sein.
Russland wiederum spricht von rund 2500 ukrainischen Kämpfern und ausländischen Söldnern, die sich dort ebenfalls verschanzt haben sollen. Diese lehnen eine Kapitulation und eine Aufgabe der strategisch wichtigen Stadt am Asowschen Meer, die großteils bereits von den Russen eingenommen ist, bislang ab. Kiew und Moskau hatten sich zuletzt unter Vermittlung von UN-Generalsekretär António Guterres bereiterklärt, eine humanitären Korridor für die Flucht der Zivilisten einzurichten. Größere Evakuierungserfolge gab es bislang aber nicht

Ukraine-Krieg: Zivilpersonen harren im Werk Azovstal aus
Erstmeldung vom 30. April, 10.18 Uhr: Mariupol – Feucht, dunkel und eng: Die Bunkeranlagen des Stahlwerks Azovstal in Mariupol sind alles andere als für einen dauerhaften Aufenthalt ausgelegt. Seit Wochen verharren dort zahlreiche Menschen aus der Zivilbevölkerung, darunter viele Kinder.
Russland greift das Stahlwerk im Südosten der Ukraine immer wieder an. Die Truppen von Wladimir Putin werfen Bomben über dem riesigen Gelände ab. Spezialkräfte haben bereits mehrmals versucht das Werk zu stürmen, bislang jedoch ohne Erfolg. Aufforderungen zur Kapitulation kamen die ukrainischen Soldaten bisher nicht nach. Doch die Zustände werden immer schlimmer, wie Videos zeigen. Unter anderem auf Telegram kursieren zahlreiche davon.
Ukraine-Krieg: Soldaten veröffentlichen Videos aus den Bunkern
Bereits vor rund eineinhalb Monaten haben die letzten unabhängigen Journalistinnen und Journalisten Mariupol aufgrund der schlechten Sicherheitslage verlassen. In verschiedenen Videos aus den Bunkeranlagen von Azovstal rufen die Menschen immer wieder nach Hilfe. Geteilt werden diese vom Asow-Battaillon. Der Großteil der eingeschlossenen Soldaten gehört dem Regiment von Asow an.
Asow-Regiment
Das Asow-Bataillon ist Teil der ukrainischen Armee. Der Kampfverband steht immer wieder wegen seiner rechtsextremen Haltung in der Kritik. Die politische Ausrichtung zeigt sich bereits im Wappen des Bataillons. In diesem ist eine schwarze Sonne zu sehen: ein Zeichen, das weltweit von Rechtsextremen verwendet wird. Es zeigt außerdem eine Wolfsangel. Ein Symbol, welches früher von der SS genutzt wurde. Zudem gibt es unzählige Rechtsextremismus-Vorwürfe gegen das Bataillon. Zu Beginn des Ukraine-Kriegs soll der Kampfverband jedoch ein Papier veröffentlicht haben, welches die Verbrechen des Holocaust als solche benennt, verifiziert ist das bisher allerdings nicht. Gegründet wurde das Asow-Regiment als Freiwilligenkampfverband im Jahr 2014.
Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, stand zuletzt in der Kritik, weil er das ultrarechte Asow-Regiment unterstützt.
Die Videos zeigen nicht nur die katastrophalen Zustände in den Bunkeranlagen. Sie zeigen auch Hilferufe der eingeschlossenen Menschen: Mit der Bitte um Evakuierung wenden diese sich an die Weltbevölkerung. Neben der New York Times berichten das zahlreiche weitere internationale Medien.
Ukraine-Krieg: Letzte Bastion von Mariupol – Evakuierungen bisher fehlgeschlagen
Ob eine Evakuierung erfolgen wird, bleibt allerdings fraglich. Bereits mehrfach gab es Versuche, Fluchtkorridore aus Mariupol einzurichten. Sie scheiterten alle. Auf den Evakuierungsrouten herrschten bislang teils schwere Kämpfe zwischen der ukrainischen und der russischen Armee. Sicherheit konnte dort keinesfalls garantiert werden. Eine zeitweise vereinbarte Feuerpause wurde unterbrochen. Sie endete in gegenseitigen Schuldzuweisungen.
„Überall ist es feucht und schimmlig, die Kinder schlafen auf Jacken. Windeln mussten wir aus Plastiksäcken machen.“
In einem der Videos sind viele Kinder zu sehen, ein Mädchen grinst in die Kamera und sagt: „Wir wollen den Sonnenschein sehen“. In demselben Video beschreibt eine junge Mutter die katastrophale Situation in dem Bunker. Nicht mal die Wäsche trocknet hier, weil es so feucht ist, beklagt sie. Hier ist kein guter Ort für Kinder, betont eine weitere Mutter, hier können sie nicht lernen und haben keinerlei Perspektive, führt sie weiter aus.
Ukraine-Krieg: In den Bunkeranlagen von Mariupol befinden sich viele Verletzte
Doch nicht nur Kinder leiden unter der Situation im Stahlwerk von Mariupol. In den Bunkeranlagen befinden sich auch viele Verletzte, wie in den Videos zu sehen ist. Aufnahmen, die in sozialen Netzwerken veröffentlicht wurden, zeigen schlecht versorgte Wunden. Bereits am Dienstag (26. April) hat das Asow-Regiment von 500 Verletzen in den Bunkeranlagen gesprochen.
Auf ihre Echtheit verifiziert werden konnten diese eben sowenig, wie die Videos des Asow-Regiments. Ob es weitere Rettungsversuche aus dem Stahlwerk von Mariupol unternommen werden, bleibt indes abzuwarten. (lm)