"Meere überlebenswichtig"

UN-Ozeankonferenz startet in Lissabon mit emotionalen Appellen
Lissabon/Berlin -"Leute, wir brauchen Veränderung!", ruft Hollywoodstar Jason Momoa (42/"Aquaman") aus Hawaii ins Publikum - und UN-Generalsekretär António Guterres spricht von einem "Notstand". Die zweite Ozeankonferenz der Vereinten Nationen begann gestern in Lissabon mit emotionalen Appellen und eindringlichen Forderungen zur Rettung der von Vermüllung, Überfischung, Klimawandel und Versauerung zunehmend in Mitleidenschaft gezogenen Weltmeere.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke fliegt erst morgen Abend in die portugiesische Hauptstadt. Worum es in erster Linie geht, machte sie aber bereits gestern in einer Ministeriums-Mitteilung zur fünftägigen Tagung klar: Gesunde Meere seien "für uns Menschen überlebenswichtig". "Deshalb müssen wir vom Reden ins Handeln kommen und dem Meeresschutz viel höhere Priorität einräumen."
Knapp 30 Staats- und Regierungschefs, weitere Politiker sowie Wissenschaftler, zum Teil sehr junge Aktivisten und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen werden bis Freitag darüber diskutieren, wie die Ressourcen der Weltmeere besser geschützt und möglichst nachhaltig genutzt werden können.
Lemke plant
"nationale Strategie"
"Wenn wir das Zerstören der Meere nicht beenden, gefährden wir nicht nur wunderbare Naturschätze, sondern auch unsere eigenen Lebensgrundlagen. Meeresschutz hilft uns im Kampf gegen die Klimakrise, die Verschmutzungskrise und das Artenaussterben", sagte Lemke. Die Grünen-Politikerin meint, man müsse "übergreifender denken und den Schutz der Meere und Ozeane sowie die natur- und umweltverträgliche Nutzung miteinander in Einklang bringen".
Die Ministerin betonte, dass Deutschland zur Stärkung des Schutzes der Meere eine nationale Strategie erarbeite: "Eine eigene Unterabteilung Meeresschutz innerhalb des Ministeriums befindet sich gerade im Aufbau." Zudem werde noch in diesem Sommer der erste Meeresbeauftragte der Bundesregierung seine Arbeit aufnehmen.
Aber nationale Initiativen sowie die Fortschritte der letzten Jahre seien bei weitem nicht genug, warnte Guterres. "Wir müssen viel mehr tun, wir alle." Er rief zu weltweiten Anstrengungen auf und forderte "drastische Maßnahmen" vor allem zur Bekämpfung der Meeresverschmutzung mit Kunststoffen. Die größte Plastikinsel im Pazifik sei bereits so groß wie Frankreich, Plastikteilchen seien inzwischen in entlegensten Ecken zu finden. 2021 seien beim Anstieg des Meeresspiegels, der Erwärmung und der Versauerung der Meere und bei Treibhausgaskonzentrationen neue Rekordwerte erreicht worden. Wie Lemke forderte auch die Umweltschutzorganisation WWF anlässlich des Auftakts der UN-Konferenz "Taten" anstelle von "Ankündigungen und Versprechungen". Heike Vesper, Leiterin Meeresschutz bei WWF Deutschland, sagte, die Weltgemeinschaft müsse "einen konsequenten politischen Kurswechsel zugunsten der Meere vollziehen".
Am Freitag soll eine "Erklärung von Lissabon" mit "innovativen, wissenschaftlich fundierten Lösungsvorschlägen" veröffentlicht werden.
Umweltschützer äußerten sich derweil skeptisch, weil keine bindenden Vereinbarungen getroffen werden sollen. Nach der ersten Tagung 2017 in New York findet die zweite Ozeankonferenz wegen Corona mit zweijähriger Verspätung statt.
Neben Guterres und Lemke nehmen an der Versammlung nach amtlichen Angaben unter anderem Ex-US-Außenminister John Kerry und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron teil. Auch der britische Premier Boris Johnson wolle möglicherweise vorbeischauen. Sportstars wie die weltbeste Riesenwellen-Surferin Maya Gabeira sind auch mit dabei. Ungeachtet des russischen Angriffskriegs haben sich zudem sowohl Vertreter Russlands als auch der Ukraine angesagt.
Die Weltmeere bedecken mehr als 70 Prozent der Erdoberfläche und beherbergen über 80 Prozent des Lebens auf der Erde. Für Milliarden Menschen sind sie Arbeits- und Ernährungsgrundlage. Die Ozeane sind außerdem ein entscheidender Bestandteil des weltweiten Klimasystems. dpa
Der World Wide Fund For Nature (WWF) fordert zum Auftakt der UN-Ozeankonferenz insbesondere Fortschritte beim geplanten Abkommen zum Schutz der Hohen See. Die Staaten müssten jetzt dafür sorgen, dass der Entwurf für das Abkommen, das am 1. August verabschiedet werden soll, ehrgeizig genug ist, um die Schutzzusagen zu erfüllen, hieß es. Der WWF plädierte dafür, bis 2030 ein Drittel der Ozeanfläche unter Schutz zu stellen. Auch in der Tiefsee sei der Schutz der Artenvielfalt und empfindlicher Ökosysteme in Gefahr. Dort gebe es einen Wettlauf um die Abbaurechte von Ressourcen wie Kobalt, Lithium und Nickel. Die Folgen und Gefahren einer etwaigen industriellen Rohstoffgewinnung seien bislang nicht abzuschätzen. Der WWF forderte deshalb ein Moratorium für Tiefseebergbau. epd