Wegen Kritik-Brief an Seehofer: Lanz führt eigenen Talkgast vor

Journalist Günter Wallraff bringt sich selbst in die Bredouille: Wegen eines Zitats von Horst Seehofer übt Markus Lanz scharfe Kritik am Investigativjournalisten. Doch auch der Lanz-Redaktion unterlaufen einige Unachtsamkeiten.
München - Ungewohnt scharfe Töne von Markus Lanz: Am Donnerstag schlüpfte er in seiner Talkshow in eine Rolle, die man eigentlich eher von seinem Gast Günter Wallraff kennt. Der hatte kürzlich einen offenen Brief von Kulturschaffenden unterzeichnet, in dem diese den Rücktritt von Innenminister Horst Seehofer (CSU) forderten. Genau diesen Brief nutzte Markus Lanz nun, um beim Investigativjournalist Wallraff einmal selbst nachzuhaken - und dies äußerst peinlich für Wallraff.
Der war offensichtlich vollkommen unvorbereitet - auf eine Situation, die er selbst ausgelöst hatte. Eigentlich diskutierte Lanz mit Monika Hohlmeier und Michael Spreng über die Entwicklung der Bild-Zeitung. Spreng, selbst ehemaliger Chefredakteur der Bild am Sonntag, nannte die Bild ein „Kampagnen- und Kampfblatt“; die CSU-Politikerin und Tochter von Bayerns früherem Ministerpräsident Franz-Josef Strauß, Hohlmeier, bezeichnete die Berichterstattung mit dem Wort „Hetze“. „Da springt der Seehofer ja wieder drauf“, wirft Wallraff dort ein.
Markus Lanz im ZDF: Wallraff hat Seehofer-Zitat aus dem Zusammenhang gerissen
Seehofer lasse sich zitieren mit den Worten „er freut sich über jeden Straftäter, der aus dem Ausland kommt“, empört sich Wallraff. Das ist das Stichwort für Lanz: Er habe dieses Thema ohnehin ansprechen wollen und fragt, ob Wallraff die Rede gesehen habe, in der Seehofer diesen Satz äußert - passiert war dies am 2. August, gut zwei Monate vor der bayerischen Landtagswahl, in einem Bierzelt in Töging am Inn. „Ich selbst war nicht da“, weicht Wallraff aus. Problematisch ist, dass der von Wallraff angeführte Satz in dem von ihm unterzeichneten Brief steht. „Kennen Sie den Kontext dieses Zitats?“, fragt Lanz daraufhin.
„Wir haben ja jedes Mal die gleiche Heuchelei: Wenn was passiert, dann kriegt die Politik die Frage gestellt, auch von den Medien: Warum ist der noch da? Das habt ihr doch gewusst! Solange nichts passiert und wir handeln, werden diejenigen, die handeln, an den Pranger gestellt. Ich sage euch: Ich bin froh, dass der mutmaßliche Leibwächter von Bin Laden außer Landes ist. Ich bin froh! Und ich bin auch froh über jeden, der bei uns in Deutschland straftätig wird - straffällig - und aus dem Ausland stammt. Auch die müssen das Land verlassen.“ (Horst Seehofer bei seiner Bierzelt-Rede am 2. August in Töging)
Lanz will den Ausschnitt der Seehofer-Rede vorspielen, da unterläuft der Redaktion der Fauxpas
Um zu belegen, dass das Zitat Seehofers aus dem Kontext gerissen worden sei, spielt die Redaktion den relevanten Ausschnitt in einem Video ein. Angekündigt wird von Lanz nun das Zitat in dem Kontext, in dem es gefallen sen soll - um dann doch einen unmittelbar vor der fraglichen Stelle geschnittenen Ausschnitt zu präsentieren. Inwiefern genau der Kontext das Gewicht des Seehofer-Zitates nun verändern sollte, führt derweil ebenfalls niemand in der Runde aus. Wallraff bleibt dennoch der Ertappte, den seine schlechte Vorbereitung nun einholt.
Das hiesige Zitat passe in „eine Reihe von anderen Äußerungen Seehofers“, wie etwa der als Freude gedeuteten Ausführung, dass an seinem 69. Geburtstag 69 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben worden seien, verteidigt sich Wallraff Lanz ließ das jedoch nicht gelten. „Sie unterschreiben hier einen Brief mit einem Zitat, das Sie nie in seinem ganzen Kontext gehört haben“, wirft er Wallraff vor. Er wolle ihn zwar nicht angreifen, aber das sei „nicht lauter“, befindet Lanz. Im Folgenden reden Wallraff und Lanz immer wieder aneinander vorbei. Lanz kritisiert eine Meinungsmache mit ungeprüften Zitaten, Wallraff versucht auf andere Zitate Seehofers zu verweisen.
Vorwürfe von Lanz treffen Wallraff offensichtlich
Tatsächlich störte Lanz jedoch, dass Seehofer hier ein - zumindest von und auf Wallraff bezogen - ungeprüftes Zitat zur Last gelegt wird. Damit mache er sich „unglaubwürdig“ - und dies sei auch problematisch im Bezug auf berechtigte Kritik. „Was ich kann, einmal kurz recherchieren im Netz, das können Sie doch mit Verlaub auch! Das kann jeder andere, der das unterschrieben hat, auch!“, sagt Lanz.
Hohlmeier und Spreng stimmen Lanz zu. Unverkennbar, dass ausgerechnet Wallraff von den Vorwürfen getroffen war, er habe gar nicht recherchiert. Ein scharfer Gegenangriff oder sichere Verteidigung blieb aus - vielmehr nahm er die Anschuldigungen zunehmend wortkarg hin.
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chp