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Lemke will Gassperren verhindern

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Verbraucherschutz-Ministerin Steffi Lemke (Bündnis90/Die Grünen) © dpa

Moratorium soll einkommensschwache Verbraucher schützen

Berlin/Frankfurt -Vor dem Hintergrund der Energiekrise will Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) Gas- und Stromsperren für private Verbraucher verhindern. Sollte die Bundesnetzagentur den Energieversorgern erlauben, die gestiegenen Weltmarktpreise an die Verbraucher weiterzugeben, müsse es ein Moratorium für das Abstellen von Strom und Gas geben, sagte Lemke. "Wir müssen einerseits sicherstellen, dass die Versorger die Energieversorgung im Land aufrechterhalten können", erklärte die Ministerin. "Und andererseits darf niemandem in solch einer Krisensituation der Strom oder das Gas abgestellt werden, weil er mit der Rechnung in Verzug ist." Im Krisenfall müsse auch über ein weiteres Hilfspaket entschieden werden.

Zudem habe die Bundesregierung festgelegt, "dass Energieunternehmen ihre Kunden drei Monate im Voraus darüber informieren müssen, falls sie Energielieferungen einstellen wollen". sagte Lemke. So werde verhindert, dass es zu einer Situation wie im Winter komme, als Billigstromanbieter reihenweise einfach die Lieferungen eingestellt hatten.

Neben dem Sozialverband VdK hatte auch die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) schon vor Monaten gefordert, das Abstellen von Strom oder Gas wegen unbezahlter Rechnungen auszusetzen. Der Leiter des Teams Energie und Bauen beim VZBV, Thomas Engelke, sagte, die Bundesregierung müsse bei der Reform des Energiesicherheitsgesetzes sicherstellen, "dass Wärme und Heizen keine Frage des Geldbeutels sein dürfen". In dem am Freitag verabschiedeten Gesetz ist ein Moratorium nicht festgeschrieben worden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geht davon aus, dass Maßnahmen gegen Energieknappheit auch über den kommenden Winter hinaus notwendig sein werden. In einer Videobotschaft sagte der Kanzler: "In diesen Tagen beschäftigt uns die Sicherheit unserer Energieversorgung. Sie wird es noch die nächsten Wochen, Monate und auch Jahre."

Furcht vor

"Zerreißprobe"

Ähnlich äußerte sich auch Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller. "Auch wenn wir in keine Gas-Notlage kommen, bleibt das Gas teuer", sagte Müller. Dabei seien die Folgen der aktuellen Gasknappheit preislich bei den Verbrauchern noch gar nicht angekommen. "Das kann für eine Familie schnell eine Mehrbelastung von 2000 bis 3000 Euro im Jahr bedeuten. Da ist die nächste Urlaubsreise oder die neue Waschmaschine dann oft nicht mehr drin." Deutschland drohe eine "Gasarmut".

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warnte vor einer "sozialen Zerreißprobe". Bewegungen wie die Gelbwesten in Frankreich seien auch in Deutschland möglich, sagte Fratzscher. "Die gegenwärtige Krise könnte der letzte Tropfen sein, der das Fass der zunehmenden sozialen Spaltung zum Überlaufen bringt." Der DIW-Chef forderte deshalb höhere Löhne und eine dauerhafte Anhebung der Sozialleistungen.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sprach im Interview mit dem Deutschlandfunk ebenfalls von einer drohenden "Zerreißprobe". Sollte das "Albtraum-Szenario" einer Gas-Unterversorgung Realität werden, rechne er mit heftigen Debatten, sagte Habeck. "Das wird Deutschland vor eine Zerreißprobe stellen, die wir lange so nicht hatten", fügte er hinzu. "Das wird die gesellschaftliche Solidarität bis an die Grenze und wahrscheinlich darüber hinaus strapazieren."

Linke-Parteichef Martin Schirdewan forderte eine gezielte Unterstützung einkommensschwacher Haushalte mit einem "sozialen Klimabonus" von 125 Euro pro Monat plus 50 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied. Außerdem sprach er sich für eine Deckelung der Energiepreise aus Finanziert werden solle dies durch eine Übergewinnsteuer.

Laut Bundesfinanzministerium werden von den 300 Euro Energiepauschale im Durchschnitt 193 Euro netto bei den Beschäftigten ankommen. Die Energiepauschale für einkommensteuerpflichtige Erwerbstätige wird im September ausgezahlt. Laut Finanzministerium liege die Spanne der Abzüge je nach Gehalt zwischen null und 142,42 Euro. epd/dpa/afp

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