„Hart aber fair“: Streit über Ursula von der Leyen - Einzige Frau der Sendung ausgebremst

Bei „Hart aber fair“ redet ein führender CDU-Politiker Klartext über Ursula von der Leyen in der EU. Frank Plasberg blockt die einzige Frau in der Talk-Runde ab.
Berlin - Eine Frage hätte zum Thema der Sendung leiten sollen: „EU-Postengeschacher: Kungelei statt Wählerwille - Zerbricht so weiter das Vertrauen in Europa?“ Aber ein Schreibfehler in der Programmankündigung auf der Website gab die Richtung vor: Punkt statt Fragezeichen. Genauso verlief die Diskussionsrunde sich in beleidigtes Schimpfen auf die Institutionen der EU und Ursula von der Leyen als Kandidatin für den Posten der Kommissionspräsidentin.
Die faktischen Einordnungen von Journalist Matthias Krupa und die inhaltlich wertvollsten Vorschläge des Kabarettisten Thomas Freitag wollte - außer dem Publikum - niemand hören. Plasberg trieb es soweit, dass Krupa, Freitag und Roth sich bemüßigt sahen, auseinanderzusetzen, dass man nicht diverse Sprachen sprechen muss, um ein guter, visionärer Europapolitiker zu sein.
„Hart aber fair“: Caspery fassungslos über Entscheidung für Ursula von der Leyen
Plasbergs Talk-Runde bestand aus:
- Daniel Caspary, Chef der CDU/CSU-Gruppe in der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament
- Ska Keller, Co-Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin der EU-Grünen
- Michael Roth, SPD-Staatsminister für Europa
- Matthias Krupa, Journalist bei der Zeit
- Kabarettist Thomas Freitag
Daniel Caspary von der EVP-Gruppe sagte eingangs noch, er habe fassungslos reagiert, als der Europarat Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin vorgeschlagen habe. Im Nachsatz erklärte er aber: „Ich werde für Ursula von der Leyen stimmen, weil sie eine hervorragende Ersatzlösung ist.“ Er sagte: „Dort, wo sie machen kann, kriegt sie die Sachen hin." Damit hatte sich der Protest der EVP-Fraktion erledigt.
Hart aber fair: Muss das Prinzip der Spitzenkandidaten festgeschrieben werden?
Die ehemalige Grünen-Kandidatin Ska Keller verteidigte das Vorgehen ihrer Fraktion, die derzeit ihre Zustimmung zu von der Leyen von politischen Zusagen abhängig macht, darunter, dass die Regierungschefs für die nächsten Wahlen das Spitzenkandidatenprinzip festschreiben. Etwas, das bis zur Abstimmung im Parlament unwahrscheinlich ist. Ihre Worte: „Wir haben wenig Appetit, sie zu wählen.“
Es folgte eine Schleife über die Möglichkeit und Unmöglichkeit des Vorgehens des europäischen Parlaments. Krupa kritisierte, dass das Spitzenkandidatenprinzip nicht festgeschrieben sei. „Das Europaparlament hat es unter falschen Annahmen und Voraussetzungen betrieben“, sagte er. Es folgte der Hinweis aus der Runde, dass auch in Deutschland nirgends festgeschrieben ist, dass die Parteien im Wahlkampf Kanzlerkandidaten aufstellen, dass der Bundespräsident auch jemand anderen als Kanzler vorschlagen könnte - „trotzdem würde es keinem Präsidenten einfallen“, sagte Caspary.
Im Weiteren argumentierte Matthias Krupa, dass noch keine Analyse oder Umfrage belege, dass die erfreulich hohe Wahlbeteiligung tatsächlich dem Spitzenkandidatensystem zuzurechnen sei. Darauf folgte Zweifel in der Runde: In vielen Ländern seien die Spitzenkandidaten überhaupt nicht sichtbar gewesen.
„Hart aber fair“: Kabarettist Thomas Freitag hätte gerne politischen Eurovision Song Contest
Krupa vertrat die Position, dass die Europäische Union über genügend demokratische Mittel verfüge, um eine solche Situation zu meistern. Freitag und Roth fanden, dass sich die Politik weiterentwickeln müsse. Die progressivsten Vorstöße lieferte an dem Abend Thomas Freitag. Er stellte sich einen Diskussions-Contest sämtlicher Europa-Politiker vor. Seine Worte: „Wenn wir schon diesen dussligen Eurovision-Song-Contest hinbekommen ..."
Debatte bei „Hart aber fair“ kommt im Internet nicht gut an
Krupa warnte: „Das Volk wird die Demokratie nicht an die Wand fahren, sondern die Politik." Die Politik müsse wagen, demokratischer zu werden, sagte er. „Die Bürger sind weiter, als die Politik glaubt. Ich glaube, dass sie im Klimaschutz weiter sind, dass sie bei der Kernkraft weiter waren. Sie waren immer weiter."
Es folgten diverse Rangeleien und Abschweifungen des CDUlers Caspary und des SPDlers Michael Roth, über die Eignung oder Nicht-Eignung Ursula von der Leyens für den Posten. Caspary wies darauf hin, dass die Bundeswehr so unterfinanziert sei, dass man die Ministerin nicht für die finanziellen Schwierigkeiten verantwortlich machen könne.
Der fehlende Tiefgang der Debatte bleibt von den Zuschauern nicht unkommentiert. Auf Twitter schreibt einer: „Die Politik hat das große Ganze aus den Augen verloren.“
Frank Plasberg fällt Ska Keller immer wieder ins Wort
Besonders die Grünen-Politikerin Ska Keller hatte kein leichtes Spiel bei Plasberg. Während Roth und Caspary minutenlang predigen durften, ließ der Moderator sie kaum einen Standpunkt ausformulieren. Das Team von watson hat mitgezählt: 14 Mal fuhr Plasberg Keller ins Wort, sechs Mal Roth, fünf Mal Caspary, Krupa nur dreimal, Thomas Freitag war nahezu ungebremst. Mehr als Kellers Argument interessierte Plasberg an einer Stelle zum Beispiel, wie viele Sprachen sie denn nun spräche: „Zwei, drei?“
Dieses war der erste Teil der Diskussionsrunde. Im zweiten kam man auf das Thema Migration zu sprechen. Keine Überraschung: Größere Erkenntnisse blieben aus. Große Eklats wie in der Sendung zum Thema „Wie gefährlich ist rechter Hass?“ blieben aus. Bei der Frage der Unterbringung Geflüchteter sind sich die EU-Abgeordneten einig. So einig wie - laut Caspery - das EU-Parlament. Dessen Lösung blockierten nur die Staats- und Regierungschefs - der Europarat. Freitag nimmt die Stimme des Volkes ein und kommentiert das Drama der Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer: „Beschämend.“
Was war nochmal die Eingangsfrage? Am Ende der Sendung schien Frank Plasberg diesen Faden selbst verloren zu haben. Welches Lied sich seine Gäste für Ursula von der Leyens Zapfenstreich-Abschied von der Bundeswehr wünschen würden, diese Frage schien ihm drängender.
Bei einer Anhörung in Brüssel äußerte sich von der Leyen, die als EU-Kommissionspräsidentin künftig auf einige Privilegien verzichten muss, zu wichtigen Themen wie Klimaschutz, Brexit und Migration. In der aktuellen Folge „Hart aber fair“ drehte sich alles um die Hitzewellen in Deutschland und die Folgen des Klimawandels für die Bundesrepublik. Dabei geriet ARD-Moderator Plasberg heftig mit der CDU-Agrarministerin Klöckner aneinander.
In einer aktuellen Folge von „Hart aber fair“ hagelte es schon im Vorfeld Kritik. Doch auch nach der Sendung ebbten die negativen Stimmen nicht ab.
Sabine Oberpriller