Die entscheidende zweite Runde der französischen Parlamentswahlen hat für die Favoriten schwere Dämpfer gebracht. Präsident Emmanuel Macron verfehlte mit seiner Sammlungsbewegung La République en Marche die absolute Mehrheit, sie blieb aber stärkste Kraft. Das von Jean-Luc Mélenchon angeführte Linksbündnis wurde klar auf Rang zwei verwiesen, der Radikalsozialist hat also sein Ziel, Premierminister zu werden, verfehlt.
Freuen darf sich die rechtsradikale Marine Le Pen, die erstmals eine stattliche Anzahl von Abgeordneten in die Nationalversammlung bringt. Sie bleibt aber ohne Einfluss auf die Regierung. Deklassiert wurden erneut die konservativen Republikaner, die aber so etwas wie die heimlichen Gewinner werden könnten. Denn sie kommen mit ihrem Europa- und Wirtschaftskurs am ehesten als Unterstützer Macrons in Frage. Nur mit ihrer Hilfe kann er die Rentenreform durch das Parlament bringen. Eine solche "Cohabitation" (Zusammenarbeit) ist für Frankreich ungewöhnlich. Sie würde erstmals seit 20 Jahren in Paris wieder praktiziert. Wegen des Mehrheitswahlrechts kann die Präsidentenpartei meistens "durchregieren". In der Regel wird das Ergebnis der Präsidentenwahl bei den folgenden Parlamentswahlen bestätigt. Diesmal nicht ganz. Doch die Kooperation mit den Republikanern, die eher einer Duldung als einer Koalition entspräche, könnte Macron und Frankreich gut tun. Sie könnte den Präsidenten, der ob seiner Selbstherrlichkeit viel kritisiert wird, demütiger machen. Wenn die Konservativen ihre Rolle geschickt interpretieren, können sie sich in Position für die nächsten Wahlen bringen, denn Macron darf ja in fünf Jahren nicht noch einmal antreten. Die Situation der Republikaner ist ein wenig mit jener der SPD in der langen Merkel-Regentschaft zu vergleichen. Wer sich dafür entscheidet, konstruktiv mitzuarbeiten und geduldig auf seine Chance zu warten, wird zuweilen belohnt.