1. Gießener Allgemeine
  2. Politik

"Eine lange Eiszeit"

Erstellt: Aktualisiert:

Kommentare

polfnp_scholzi2306_4c_1
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht bei einer Regierungserklärung im Bundestag zu den Gipfeltreffen von EU, G7 und Nato. foto: AFP © AFP

Scholz spricht Folgen von Putins Angriffskrieg schonungslos an

Berlin - Deutschland und Russland werden nach Einschätzung von Bundeskanzler Olaf Scholz wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine für lange Zeit politisch getrennte Wege gehen. "Eine Partnerschaft mit dem "aggressiven, imperialistischen Russland" unter Präsident Wladimir Putin sei auf absehbare Zeit unvorstellbar, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Bundestag zu den anstehenden Gipfeltreffen der Europäischen Union, der G7-Gruppe wirtschaftsstarker Demokratien und der Nato.

Zugleich warnte der Kanzler, daraus falsche Schlüsse zu ziehen. "Es wäre unklug, unsererseits die Nato-Russland-Grundakte aufzukündigen", sagte er. Das würde Putin und dessen Propaganda nur in die Hände spielen. Die Grundakte bekräftige genau die Prinzipien, gegen die Putin so eklatant verstoße: den Verzicht auf Gewalt, die Achtung von Grenzen, die Souveränität unabhängiger Staaten. Daran solle Putin immer wieder erinnert werden.

Für den Wiederaufbau der kriegszerstörten Ukraine machte sich Scholz für einen "Marshall-Plan" stark. Die Eindrücke bei seinem Besuch in der Ukraine vergangene Woche hätten ihn an Bilder deutscher Städte nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert. "Und wie damals das kriegszerstörte Europa braucht heute auch die Ukraine einen Marshall-Plan für den Wiederaufbau", sagte Scholz. Um die Hilfe zu organisieren, will er im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft eine internationale Expertenkonferenz einberufen. Mit dem Marshallplan hatten die USA zwischen 1948 und 1952 mit vielen Milliarden US-Dollar den Wiederaufbau in Deutschland und anderen europäischen Staaten finanziert.

Unterstützung auch von der CDU

In der Bundestagsdebatte bekundeten Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge und FDP-Fraktionschef Christian Dürr ihre Unterstützung für einen Kandidatenstatus der Ukraine. Dröge nannte eine entsprechende Entscheidung des EU-Gipfels "fundamental wichtig". Putin habe "Angst vor Demokratie und Freiheit" und genau diese Werte verteidige die Ukraine momentan, sagte Dürr.

Unterstützung kam auch aus der Opposition. Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) begrüßte die jüngsten Aktivitäten von Scholz (SPD) zur Unterstützung der Ukraine. Er äußerte sich positiv zur Reise des Kanzlers nach Kiew sowie die Veröffentlichung von Waffenlieferungen an das von Russland angegriffene Land.

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sagte, der von Scholz vorgeschlagene Marshall-Plan für Kiew sei "vernünftig". Er äußerte aber Skepsis gegenüber einem EU-Kandidatenstatus für die Ukraine. Dies sei eine "Scheindebatte", sagte Bartsch. Ein Land, auf das es "Raketen regnet", könne sich nicht in ausreichendem Maße mit dem komplexen Prozess befassen und die nötigen Reformen vorantreiben. Außerdem habe die EU bereits heute "sehr problematische Mitglieder", kritisierte Bartsch, ohne Namen zu nennen.

AfD-Fraktionschef Tino Chrupalla forderte eine Abkehr vom Sanktionskurs gegen Russland. Deutschland sei "auf das Wohlwollen" Moskaus angewiesen. Es sei falsch, dass die Bundesregierung sich den "Luxus" erlauben wolle, auf die Energie-Kooperation mit einem der rohstoffreichsten Länder der Erde zu verzichten.

Angesichts des Streits zwischen Russland und Litauen wegen der Ostsee-Exklave Kaliningrad sicherte Kanzler Scholz den östlichen Bündnispartner den vollen Beistand zu. "Wir werden jeden Quadratmeter des Bündnisgebiets verteidigen." Deutschland belasse es nicht bei Worten. Seit Kriegsbeginn seien zusätzliche Soldatinnen und Soldaten ins östliche Bündnisgebiet verlegt worden.

Litauen hat seit Samstag den Bahntransit von einigen Waren wie Baumaterialien und Metallen, die auf westlichen Sanktionslisten stehen, über sein Territorium in das Gebiet um das frühere Königsberg gestoppt.

Russland kritisierte das erneut scharf. dpa/afp

Auch interessant

Kommentare