Ausweitung des Waffenrechts, Aushöhlung der Trennung von Staat und Kirche, Abtreibungsverbot - das höchste Gericht in den USA katapultiert die amerikanische Gesellschaft gerade um Jahrzehnte zurück. Amerika erlebt eine Zäsur, eine fundamentale christlich-erzkonservative Wende.
Natürlich gilt grundsätzlich: Die - zuletzt übrigens oft deutlich gegensätzliche - öffentliche Meinung kann und darf kein Maßstab für eine gerichtliche Entscheidung sein. Schwierig wird es aber, wenn eine 230 Jahre alte Verfassung buchstabengetreu und nicht zeitgemäß ausgelegt, nicht als lebendig begriffen wird. Und erst recht schwierig wird es, wenn die Grenze zwischen Auslegung der Verfassung und der Gestaltung von Politik verschwimmt. Wenn der Supreme Court zum Handlanger einer Partei wird - in diesem Fall der Republikaner. Und wenn diese Partei dann auch noch zum Sammelbecken christlicher Fundamentalisten und Rechtsextremer mutiert ist.
Es war Ex-Präsident Donald Trump, der das Gericht mit seinen Ernennungen weit nach rechts verschoben hat. Der Graben, der sich durch die USA zieht, spiegelt sich im Supreme Court mittlerweile oft als tiefer Riss zwischen den drei liberalen und sechs zum Teil ultrakonservativen Richtern wider. Ausgleich? Kompromiss? Kaum möglich, weil nicht nötig.
Ein derartiges Ungleichgewicht ist schon deshalb problematisch, weil der Supreme Court systembedingt eine zentrale Rolle in den USA inne hat. Die obersten Richter sind - anders als in Deutschland - auf Lebenszeit ernannt. Um ihre Urteile politisch überstimmen zu können, braucht es sehr klare Mehrheitsverhältnisse oder ein konstruktives Miteinander von Demokraten und Republikanern. Beides ist im Moment absolut undenkbar.
Es ist ein Fehler im System. Egal, was die Demokraten anpacken - die juristische Vollbremsung inklusive Schubumkehr wartet schon. Wer die USA nachhaltig prägen will, braucht den Supreme Court. Die Republikaner haben das erkannt.
Ihre Saat geht nun auf, ihre erzkonservative, in Teilen radikale Agenda sickert über diesen "Umweg" tief ins Land ein. Für die Umsetzung eines mehrheitlichen Wählerwillens sind solche Verhältnisse ein Desaster. Und für die amerikanische Demokratie erst recht.