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Die Kraft der Erfahrung

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Es hilft der Seele, älter zu werden und dabei Erfahrung zu sammeln. Denn mit den Jahren lernen wir, dass das Leben keine Planerfüllung ist. In jungen Jahren stellen wir uns vor, dass die Dinge nach unserem Willen laufen werden. Doch mit der Zeit müssen wir erkennen, dass unser Dasein eher einer Berg- und Talfahrt gleicht. Selbst ein Raketenflug erreicht irgendwann seinen Scheitelpunkt, danach geht es wieder abwärts - einerlei, was wir beabsichtigt haben. Wir lernen, dass der Dunkelheit der Nacht ein strahlender Morgen folgen wird. Diese Lektion ist die größte Quelle unserer Zuversicht und Stabilität. Niederlagen bleiben nicht aus. Bekam ich früher einen Korb von einer angeschmachteten Frau oder erlitt ich im Beruf eine Niederlage, quälte mich über Wochen und gelegentlich sogar länger das Gefühl, versagt zu haben. Heute dagegen spornen mich Zurückweisungen an. Vor einiger Zeit lehnte ein Unternehmer meinen lange entwickelten Plan für ein Kunstwerk ab. Dies hätte ich vor Jahren noch als persönliche Schmach empfunden und lange daran genagt. Auch gegenwärtig habe ich mich zunächst geärgert und die Nacht schlecht geschlafen: Verlieren tut weh. Doch am folgenden Morgen wachte ich voller Zuversicht auf. Ich war überzeugt, dass mein Projekt gut war und bleibt. Dabei vergesse ich nicht, positiv für mich bedeutet nicht gut für jedermann. Ich denke vielmehr, dass es nun meine Aufgabe ist, geeignete Partner für mein Objekt zu finden und sie zu überzeugen - nicht zu überreden. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ist die Ernte der Lebensjahre. Wir haben erfahren, was wir zu tun im Stande sind. Wir haben gelernt, dass eine Zurückweisung nicht das Ende bedeutet, sondern, im Gegenteil, sich nunmehr neue Chancen ergeben. Wir haben gesehen, dass sich nicht alles von vornherein auf den Weg bringen lässt. Einiges geht schief und manche Gelegenheit ergibt sich durch Zufall. Fügung, Glück, Pech, Zufall - wie immer man das Unvorhergesehene nennt, es kann neue Wege eröffnen. Doch diese unbeschrittenen Pfade müssen genutzt werden. Dazu ist Zuversicht unumgänglich. Jeder bezieht seinen Optimismus aus einer anderen Quelle. Liebe, Ehrgeiz, es allen zeigen zu wollen, Glauben - oder eben Lebenserfahrung. Bei mir ist es eine Mischung aus Gottesglauben und Erfahrung. Dabei habe ich gesehen, dass es auf Dauer nie in eine Richtung geht, selbst wenn ich mich optimal vorbereitet habe, kann vieles schiefgehen - etwa wenn der Zufall es will oder falls unvorhergesehene Gegner auftreten. Es wäre freilich falsch, sich allein auf das Wissen des Alters und eine sich daraus ergebende Abgeklärtheit zu verlassen. Das richtige Lebensrezept ist in meinen Augen vielmehr zu versuchen, den Elan und die Unbeschwertheit der Jugend nicht vollständig einzubüßen, sondern diese Zuversicht mit der späteren Erfahrung zu verbinden. Daraus ergibt sich eine Stärke, die wir nötig haben, um die Unwägbarkeiten des Daseins zu meistern. Dann entsteht eine Heiterkeit, die hilft, den Schmerz des gelegentlichen Scheiterns in Kauf zu nehmen und uns die Kraft und Beharrlichkeit verleiht, unseren Weg zu gehen. © Fnp / Paul Siebel

Es hilft der Seele, älter zu werden und dabei Erfahrung zu sammeln. Denn mit den Jahren lernen wir, dass das Leben keine Planerfüllung ist. In jungen Jahren stellen wir uns vor, dass die Dinge nach unserem Willen laufen werden.

Doch mit der Zeit müssen wir erkennen, dass unser Dasein eher einer Berg- und Talfahrt gleicht. Selbst ein Raketenflug erreicht irgendwann seinen Scheitelpunkt, danach geht es wieder abwärts - einerlei, was wir beabsichtigt haben. Wir lernen, dass der Dunkelheit der Nacht ein strahlender Morgen folgen wird.

Diese Lektion ist die größte Quelle unserer Zuversicht und Stabilität.

Niederlagen bleiben nicht aus. Bekam ich früher einen Korb von einer angeschmachteten Frau oder erlitt ich im Beruf eine Niederlage, quälte mich über Wochen und gelegentlich sogar länger das Gefühl, versagt zu haben.

Heute dagegen spornen mich Zurückweisungen an. Vor einiger Zeit lehnte ein Unternehmer meinen lange entwickelten Plan für ein Kunstwerk ab. Dies hätte ich vor Jahren noch als persönliche Schmach empfunden und lange daran genagt. Auch gegenwärtig habe ich mich zunächst geärgert und die Nacht schlecht geschlafen: Verlieren tut weh.

Doch am folgenden Morgen wachte ich voller Zuversicht auf. Ich war überzeugt, dass mein Projekt gut war und bleibt. Dabei vergesse ich nicht, positiv für mich bedeutet nicht gut für jedermann. Ich denke vielmehr, dass es nun meine Aufgabe ist, geeignete Partner für mein Objekt zu finden und sie zu überzeugen - nicht zu überreden. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ist die Ernte der Lebensjahre. Wir haben erfahren, was wir zu tun im Stande sind. Wir haben gelernt, dass eine Zurückweisung nicht das Ende bedeutet, sondern, im Gegenteil, sich nunmehr neue Chancen ergeben. Wir haben gesehen, dass sich nicht alles von vornherein auf den Weg bringen lässt. Einiges geht schief und manche Gelegenheit ergibt sich durch Zufall.

Fügung, Glück, Pech, Zufall - wie immer man das Unvorhergesehene nennt, es kann neue Wege eröffnen. Doch diese unbeschrittenen Pfade müssen genutzt werden. Dazu ist Zuversicht unumgänglich.

Jeder bezieht seinen Optimismus aus einer anderen Quelle. Liebe, Ehrgeiz, es allen zeigen zu wollen, Glauben - oder eben Lebenserfahrung. Bei mir ist es eine Mischung aus Gottesglauben und Erfahrung. Dabei habe ich gesehen, dass es auf Dauer nie in eine Richtung geht, selbst wenn ich mich optimal vorbereitet habe, kann vieles schiefgehen - etwa wenn der Zufall es will oder falls unvorhergesehene Gegner auftreten.

Es wäre freilich falsch, sich allein auf das Wissen des Alters und eine sich daraus ergebende Abgeklärtheit zu verlassen. Das richtige Lebensrezept ist in meinen Augen vielmehr zu versuchen, den Elan und die Unbeschwertheit der Jugend nicht vollständig einzubüßen, sondern diese Zuversicht mit der späteren Erfahrung zu verbinden.

Daraus ergibt sich eine Stärke, die wir nötig haben, um die Unwägbarkeiten des Daseins zu meistern. Dann entsteht eine Heiterkeit, die hilft, den Schmerz des gelegentlichen Scheiterns in Kauf zu nehmen und uns die Kraft und Beharrlichkeit verleiht, unseren Weg zu gehen.

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