Blockaden, Brände, Barrikaden

Niederländische Bauern bringen die Regierung von Premier Rutte in Not
Den Haag -Dicke, schwarze Rauchwolken ziehen über die Straßen, Heuballen brennen. Auf #Transparenten wird gedroht: "Der Krieg hat begonnen." Trecker blockieren Autobahnen und Großlager von Supermärkten, rammen Polizeiwagen. Bauern bedrohen Politiker. Es herrscht Aufstand in den Niederlanden. Das sind die Vorboten eines "Bürgerkrieges", warnte der Chef der Koalitionspartei Christen-Unie, Gert-Jan Segers.
Seit Wochen protestieren Bauern gegen geplante Umweltauflagen. Und inzwischen haben die Proteste auch Deutschland erreicht. Landwirte solidarisieren sich mit ihren Kollegen im Nachbarland, hängen Transparente von Autobahnbrücken und rufen zu Kundgebungen auf.
In den Niederlanden droht die Eskalation, nachdem in der vergangenen Woche ein Polizist beim friesischen Heerenveen sogar zur Schusswaffe gegriffen hatte. Der 16-jährige Bauernsohn Jouke wurde nur knapp verfehlt. Die Schüsse sind das düstere Vorzeichen für einen heißen Sommer.
Ministerpräsident Mark Rutte will nun mit Bauern im Land reden. "Ich verstehe die unglaublich großen Sorgen, die die Bauern haben", sagte er.
Das Problem ist nicht neu. Seit Jahrzehnten verstoßen die Niederlande gegen die Normen für den Stickstoff-Ausstoß und schädigen damit Naturgebiete. 2019 zog das höchste Gericht die Notbremse und ordnete die Einhaltung der Grenzwerte an. Die Regierung legte nun einen Plan vor. Bis 2030 müssen die Emissionen im Durchschnitt um 50 Prozent reduziert werden, bei Naturgebieten sogar um mehr als 70 Prozent. Das trifft vor allem die intensive Landwirtschaft, den größten Verursacher. 30 Prozent der Viehbetriebe droht nach Angaben der Regierung das Aus. Kein Wunder, dass die Bauern um ihre Existenz fürchten. Das Stickstoff-Problem schwelt seit Jahren. Und das wird vor allem Premier Rutte angelastet. Der 55 Jahre alte Rechtsliberale, seit fast zwölf Jahren Regierungschef, ist #der Strahlemann, immer scheinen Probleme von ihm abzugleiten. Teflon-Mark ist sein Spitzname. Rutte ist ein Meister im Wegschieben von Problemen, bis ans äußerste Ende der langen Bank. Doch das rächt sich nun. Die Bauern sind nicht Ruttes einziges Problem. Da ist etwa auch die große Wohnungsnot, die zunehmende Armut, die hohe Inflation.
Mit großem Elan war die Mitte-Rechts-Koalition vor gut sechs Monaten angetreten. Ruttes vierte Regierung versprach einen neuen Führungsstil - offener, partnerschaftlicher. Und sie braucht die Opposition. Denn in der Ersten Kammer des Parlaments - vergleichbar dem Bundesrat in Deutschland - hat Rutte keine Mehrheit.
Und nun? Nun steht die Koalition mit dem Rücken zur Wand, und sieht die Masse der Trecker bedrohlich auf sich zukommen. Sie sind das Symbol für den zunehmenden Unmut vieler Bürger.
Die Opposition wetzt die Messer. Vor allem für die rechten und populistischen Parteien kommt der Bauern-Aufstand wie gerufen. Die Bauern selbst werden immer radikaler, wie Umfragen zeigen.
Und nach Angaben der Anti-Terrorismusbehörde hängen sich immer häufiger gewaltbereite Gruppen an die Proteste. Der politische Kommentator der Zeitung NRC Handelsblad, Tom-Jan Meeus, sieht zunehmend antidemokratische Tendenzen. und politische Instabilität.