Bundestagswahl, bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen. Direktkandidatin für die Landeshauptstadt Potsdam, wo die 40-Jährige auch lebt, ist sie bereits. Sie gibt sich ehrgeizig: „Wir wollen das erste bündnisgrüne Direktmandat in Ostdeutschland seit 30 Jahren gewinnen.“
Der andere potentielle grüne Kanzlerkandidat Habeck wirkte gelöst bei seinem Auftritt auf der Wiese des Jugendhofs in Steinbergkirche wie er es nur selten auf der Berliner Bühne ist. Dass er gegen das Krächzen zahlreicher Krähen anreden musste bei diesem Freiluft-Termin, nahm der frühere „Draußenminister“, wie er sich selbst gern bezeichnet hat, gelassen hin.
Die rund 20 Kilometer aus Flensburg hatte er mit dem Rad zurückgelegt. Die „Nordabstinenz“, die er sich nach dem Wechsel nach Berlin auferlegt habe, um mit dem „Phantomschmerz“ des Abschieds aus Schleswig-Holstein klarzukommen, habe er mit der Entscheidung für das Direktmandat beendet. „Ich habe gemerkt, wie sehr diese Region tatsächlich Heimat ist“, sagte Habeck. Nicht nur politisch, sondern auch familiär. Er lobte die kulturelle Vielfalt der Region, mitten in seiner Rede wechselte er ins Dänische.
Bei Auftritten in Berlin verheddert sich der Vater von vier erwachsenen Söhnen manchmal in den eigenen Gedankengängen. In Steinbergkirche war er auf den Punkt, beredt, locker. Die Bundespolitik sei manchmal zu sehr auf Berlin konzentriert, Meeresschutz habe kaum eine Bedeutung, monierte Habeck. Was nütze die schwarze Null bis 2030, wenn dafür das Klima ruiniert werde. „Politik
wirkt im Konkreten“, sagte interessanterweise auch die mögliche Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock in ihrer Rede und verwies auf ihr Engagement für Geflüchtete in Potsdam und auf die Nöte von Kindern in der Pandemie.
Seit sie die Führung der Grünen Anfang 2018 übernommen haben, leben Baerbock und Habeck mit dem ständigen Vergleich. Er lag lange vor ihr in den Umfragen, auch wenn sich das Blatt zuletzt wendete. Während Habeck bei den schleswig-holsteinischen Grünen rasch Karriere machte arbeitete sie in Gremien der Bundespartei mit und war Vorstandsmitglied der Europäischen Grünen Partei. Die Mutter zweier kleiner Töchter gilt als parteiintern exzellent vernetzt. Im Vergleich zu ihrem Co-Parteichef wirkt sie inhaltlich sattelfester, bringt aber auch weniger vom Außenseiter-Charme des Buchautors und studierten Philosophen Habeck mit.
Womit die Öko-Partei bei Wählerinnen und Wählern eher punkten kann, darüber lässt sich trefflich streiten. Habecks Ausstrahlung könnte weiter über das grüne Milieu hinausreichen, Baerbock einen harten Wahlkampf womöglich unfallfreier überstehen. So oder so wollen beide die Grünen als Spitzenduo in den Wahlkampf führen, „unabhängig davon, wer einen halben Schritt zurückgeht“, wie Habeck es in Bezug auf die Kanzlerkandidaten-Frage formuliert.
Dass beide nach der Wahl Ende September in den Bundestag einziehen, daran bestehen keine Zweifel. Zwar dürfte es Habeck schwer haben, der Konkurrentin von der CDU* das Direktmandat abzujagen, denn der ländliche Raum im Norden Schleswig-Holsteins ist fest in Hand der CDU - und bei Landwirten und Windkraftgegnern dort hat er nicht nur Freunde. Er steht allerdings auf dem sicheren Platz zwei der Landesliste. Auch bei Baerbock ist das Direktmandat keineswegs sicher. Ihr Potsdamer Wahlkreis ist heiß umkämpft, sie tritt dort unter anderem gegen den SPD*-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz an.
Bei Fragen nach der grünen Kanzlerkandidatur* blieb auch Baerbock am Samstag auf Linie. Eine Spitze gegen die Union und deren sture Kandidaten verkniff sie sich nicht: Anders als andere halte man sich an das verabredete Verfahren. „Was vorher gilt, gilt auch
nachher. Und deswegen werden wir all diese Entscheidungen am Montag dann verkünden“, versprach sie. (dpa, mg) *merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA