Ampel kommt ins Rollen: Interne Corona-Gespräche laufen - FDP erinnert Merkel ans „Versteinerungsgebot“

Erst im Dezember soll die Ampel-Koalition stehen. Doch CDU und CSU hinterlassen schon jetzt ungelöste Corona-Aufgaben - zumindest die Grünen machen sich zum Kaltstart bereit.
- SPD, Grüne und FDP verhandeln über eine Ampel-Koalition. Weitergesprochen wird aber erst nach der Konstituierung des Bundestags.
- Trotzdem sind die Ampel-Parteien schon unter Zugzwang - ausgerechnet beim wieder höchst dringlichen Thema Corona. (siehe Erstmeldung)
- Die Grünen machen derweil Druck und fordern eine Erhöhung des Wohngelds sowie des Steuerfreibetrags (Update vom 25. Oktober, 9.44 Uhr).
Update vom 25. Oktober, 16.55 Uhr: Die noch gar nicht existente Ampel-Koalition kommt offenbar im Bundestag schon ins Rollen: Die SPD peilt eine neue rechtliche Basis für Anti-Corona-Maßnahmen wie Maskenpflicht und Abstandsregeln (siehe Erstmeldung) an. Mit den möglichen künftigen Koalitionspartnern Grüne und FDP sei die SPD im Gespräch über neue Regelungen im Infektionsschutzgesetz, sagte Mützenich am Nachmittag vor einer Fraktionssitzung.
Eine weitere Verlängerung der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ um drei Monate sei hingegen nicht angedacht. Mit neuen Regelungen sollten die Länder in die Lage versetzt werden, weiter auf die Herausforderungen reagieren zu können. „Wir wollen dies im Infektionsschutzgesetz abbilden.“ Ferner solle in dieser Legislaturperiode das Infektionsschutzgesetz auch an anderen Stellen geändert werden. Die Pandemie habe gezeigt, dass es „Nachbesserungsbedarf“ gebe.
Einen Tag vor der Neukonstituierung des Bundestags mahnte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Marco Buschmann, zudem die Regierung von Noch-Kanzlerin Angela Merkel zur Zurückhaltung. Er erinnerte an das so genannte „Versteinerungsgebot“: Dieses staatsrechtliche Prinzip schreibe fest, dass Regierungen, die nur noch geschäftsführend im Amt sind, sich zurückhalten müssen - so sollten sie keine politischen Grundsatzentscheidungen mehr treffen und auch keine Personalia mehr durchsetzen.
Hartz und Energie-Kosten: Grüne und SPD erhöhen jetzt Ampel-Druck auf die FDP - „Kann nicht warten“

Update vom 25. Oktober, 13.15 Uhr: Grüne und SPD erhöhen in sozialen Fragen den Druck auf die FDP - konkret geht es um das neue „Bürgergeld“, aber auch Entlastungen von finanziell schwächeren Haushaltungen angesichts der hohen Energiepreise.
SPD-Chefin Saskia Esken fordert, das von den Ampel-Koalitionären geplante Bürgergeld als Ersatz für Hartz IV hoch genug anzusetzen. „Das Bürgergeld muss auskömmlich sein, das ist klar“, sagte sie der taz vom Montag. Basis der Berechnungen müssten die Lebenshaltungskosten sein, „und die ändern sich“, fügte sie hinzu. „Aktuell zum Beispiel durch die Entwicklung der Energiepreise. Wir müssen uns daher an den Lebensrealitäten orientieren.“
Eine konkrete Höhe der künftigen Regelsätze wollte Esken nicht vorschlagen. Sie wolle den am Mittwoch startenden Koalitionsverhandlungen nicht vorgreifen. „Die Sätze müssen auf die aktuelle Lohn- und Preisentwicklung Rücksicht nehmen“, betonte sie gleichwohl .Esken wies zudem darauf hin, dass im Wahlprogramm der SPD stehe, dass die Berechnung überarbeitet werden solle. „Gleichzeitig gilt das Lohnabstandsgebot.“ Wer Vollzeit arbeite, müsse „mehr in der Tasche haben“ als Bezieher und Bezieherinnen einer Lohnersatzleistung.
Zuvor hatte sich Grünen-Verhandler Jürgen Trittin ähnlich geäußert - er forderte schnelle Schritte der neuen Koalition (siehe voriges Update). Noch mehr Druck macht der Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner: Er will prüfen, „ob man Geringverdiener oder Hartz-IV-Empfänger oder Wohngeldempfänger direkt unterstützen kann“, wie er dem rbb-Inforadio sagte. „Das ist eine Aufgabe, die kann tatsächlich nicht warten, bis eine neue Bundesregierung im Amt ist. Da müssen jetzt schon die Vorarbeiten laufen, sonst dauert das zu lange.“
Ampel: Grünen-Verhandler prescht in zwei Fragen vor - „Müssen etwas tun“
Update vom 25. Oktober, 9.44 Uhr: Die Grünen fordern eine Erhöhung des Wohngelds, des steuerfreien Existenzminimums und des Grundeinkommens als Ausgleich für die stark gestiegenen Energiepreise. Der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin, der für die Grünen in den Koalitionsverhandlungen die Bereiche Klima und Energie verhandelt, sagte am Sonntagabend dem Sender Bild TV: „Ich persönlich bin der Auffassung, dass wir in der Tat beim Wohngeld und bei der Frage des Steuerfreibetrages hier etwas tun müssen.“
Maßnahmen in diesen Bereichen seien „zielgenau und das hilft denjenigen, die von steigenden Energiepreisen betroffen sind und die das nicht wegstecken können“, sagte Trittin. Sollte es gelingen, bis Anfang Dezember eine Ampel-Koalition zu bilden, könnten die Hilfen zum 1. Januar 2022 in Kraft treten. Er gehe davon aus, dass allein durch eine Wohngelderhöhung „für viele übers Jahr gerechnet wahrscheinlich mehr als einhundert Euro“ rauskommen, sagte Trittin dem Sender.
Einer Senkung von Energiesteuern erteilte der Grünen-Politiker eine Absage: „Dann ist erstens nicht sichergestellt, dass dadurch die Preise auch wirklich sinken. Und Sie erreichen zweitens Leute, die es nicht nötig haben.“ Zudem maximiere dies „Einnahmeausfälle, die der Staat an dieser Stelle hat“. Das sei „teuer, ineffizient und sozial ungerecht“.
Ampel-Koalition: Lauterbach sieht „riesige Baustellen“ im Gesundheitswesen
Update vom 25. Oktober, 6.30 Uhr: SPD-Politiker Karl Lauterbach hat die Ampel-Parteien in die Pflicht genommen, das Gesundheitswesen zu verbessern. Es gebe „riesige Baustellen“ in diesem Bereich, sagte Lauterbach dem Kölner Stadt Anzeiger. Die Pandemie habe die Situation nicht verbessert. „In den letzten zwei Jahren ist sehr viel liegen geblieben.“ Konkret: „Die Krankenhäuser sind stark defizitär, insbesondere die Unikliniken. Der Ausbau der Digitalisierung ist ins Stocken geraten, sowohl in den Praxen als auch in Krankenhäusern. Die Krankenkassen machen zweistellige Milliardendefizite. Es gibt erhebliche Probleme in der Vorbeugemedizin.“
Ampel-Koalition unter Druck: Grüne reagieren - Spahn und Söder schieben Scholz-Truppe in Corona-Verantwortung
Erstmeldung vom 24. Oktober: Berlin/München - Erst am Mittwoch wollen die Ampel-Parteien weiterverhandeln - und dann bis Anfang Dezember eine Koalition auf die Beine stellen. Doch es sieht so aus, also werde schon zuvor eine erste, sehr praktische Aufgabe auf SPD, Grüne und FDP warten. Eine große zudem: Eine Nachfolge-Regelung für die „epidemische Lage“ wird gesucht. Und die Union möchte sich offenbar bei der Lösungsfindung raushalten. Auch, wenn sie mit Jens Spahn (CDU) weiterhin den Gesundheitsminister stellt.
Ampel und Corona: Spahns CDU hinterlässt Scholz, Baerbock und Co. Aufgaben
Spahn wird am Dienstag - wie auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) - die Entlassungsurkunde erhalten*. Ab diesem Moment wird das Kabinett nur noch „geschäftsführend“ im Amt sein. Das hält die Noch-Bundesregierung eigentlich weder rechtlich noch praktisch davon ab, neue Initiativen auf den Weg zu bringen. Große Lust darauf haben CDU und CSU aber offenbar nicht mehr. Spahn hatte zuletzt die „epidemische Lage“ angezählt, aber keine Nachfolgeregelung präsentiert. Teils wohl auch zum Unmut der Ministerpräsidenten in den Ländern.
Wie zuvor schon Bayerns Regierungschef Markus Söder* hat nun auch Unionsfraktionsvize Stephan Stracke (CDU) die Ampel in die Pflicht genommen. Er forderte in der Welt eine recht weitgreifende Änderung: Auch ohne „epidemische Lage“ solle Paragraf 28a des Infektionsschutzgesetzes in Anspruch genommen werden können, meinte er - zumindest aber die Regeln für Maskenpflicht und AHA-Regeln. In der Verantwortung dafür sah er SPD, Grüne und FDP.
Die erste große Aufgabe für die noch im Werden begriffene Ampel-Koalition* also. Und das, noch bevor die ersten Positionen fürs Koalitionspapier stehen. Gefragt sind nun die Bundestags-Fraktionen der drei Parteien. Zumindest die Grünen scheinen das Problem aber in Angriff nehmen zu wollen.
Grüne reagieren auf Corona-Problem: Erster Vorschlag zur „epidemischen Lage“ - befristete Lösung im Visier
Die bayerische Grünen-Abgeordnete Manuela Rottmann sprach sich in der Welt gegen die Fortführung der epidemischen Lage aus. „Um der neuen Situation und der Zahl der Geimpften Rechnung zu tragen, schlagen wir stattdessen eine rechtssichere Übergangsregelung vor, die die befristete Fortführung bestimmter Maßnahmen ermöglicht“, sagte sie.
Zwar sei die Lage derzeit anders als im vergangenen Herbst, „weil wir dem Virus durch die Impfungen nicht mehr schutzlos ausgeliefert sind“, sagte Rottmann. Aber die Situation sei „nach wie vor ernst, denn die Infektionszahlen steigen deutlich“. Einen konkreten Plan gibt es bei den Grünen offenbar aber noch nicht: Die Fraktion sei „im Gespräch“ zu der Frage, wie eine Übergangsregelung aussehen könne.
Spahn bekräftigte unterdessen am Sonntagabend noch einmal, er sei für das Ende der epidemischen Lage. „Der Ausnahmezustand, vom Bundestag festgestellt, der kann aus meiner Sicht beendet werden, weil vier von fünf Erwachsenen geimpft sind“, sagte er im ZDF-„heute journal“. Damit werde nicht die Pandemie für beendet erklärt. „Auch ich sage beständig, wie viele andere auch, wir brauchen in Herbst und Winter weiterhin Vorsichtsmaßnahmen, vor allem 3G - geimpft, genesen, getestet - im Innenraum, vor allem medizinische Schutzmasken, AHA-Regeln, in Bus und Bahnen, im Einzelhandel.“ Die Regeln dafür sollen nun aber wohl andere machen. (fn/AFP) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.