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Wie man mit Bildern aus dem Ukraine-Krieg umgehen lernt

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Von: Monja Stolz

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Der Ukraine-Krieg beschäftigt zur Zeit tausende Menschen. Die permanente Konfrontation mit Bildern und Nachrichten kann dabei sehr belastend sein.
Der Ukraine-Krieg beschäftigt zur Zeit tausende Menschen. Die permanente Konfrontation mit Bildern und Nachrichten kann dabei sehr belastend sein. © Patrick Pleul/dpa

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine überschlagen sich die Nachrichten. Das kann belastend sein. Mit ein paar Tricks, können sich Betroffene schützen.

Frankfurt – Auf der Straße, in Gesprächen, im Fernsehen, im Radio oder auf Social Media – der Ukraine-Krieg begegnet einem in diesen Tagen nahezu überall. Nicht selten verbunden mit Bildern oder Videos, auf denen zerstörte Häuser oder in Bunkern sitzende Menschen* zu sehen sind. Häufig untermalt mit Worten, die das Schlimmste beschreiben.

Die Gefahr dabei: Zu viele negative Nachrichten können krank machen. Eine Studie des amerikanischen Radiosenders NPR in Zusammenarbeit mit der Robert Wood Johnson Stiftung und der Harvard School of Public Health zeigt, dass Menschen, die sehr viele Medien konsumieren, häufig unter „sehr viel“ Stress stehen. Eine Forscherin der Universität Bradford fand heraus, dass Online-Videos sogar zu posttraumatischen Belastungssymptomen führen können

Diese Forschungsergebnisse sprechen dafür, weniger Zeit auf Social Media und im Internet zu verbringen, wo negative Nachrichten Userinnen und User häufig ungefragt und ungefiltert begegnen und Kommentare fatalistische Bilder zeichnen: Zahlreiche Wladimir Putin-Experten* und -Expertinnen sehen die Hand des russischen Präsidenten bereits auf dem Atom-Knopf. Zusätzliche Sorgen und Ängste schüren Fotos und Videos, die im Netz kursieren und den Usern und Userinnen auf emotionale und drastische Weise die Situation vor Ort bewusst machen.

Ukraine-Krieg: Medienkonsum so gering wie möglich halten

Um sich vor den Folgen, die solche Bilder, Videos und Berichte auslösen können, zu schützen, sollte man laut Alison Holman, Professorin an der University of California, den Medien- und Nachrichtenkonsum einschränken. „Menschen, die sich täglich sechs oder mehr Stunden den Medien aussetzten, berichteten tatsächlich über mehr akute Stresssymptome als Menschen, die den Anschlägen direkt ausgesetzt waren – das heißt, sie befanden sich am Ort des Geschehens“, sagte sie gegenüber NPR. Besser sei es, Medien in kleinen Dosen zu konsumieren.

Holman selbst hat an einer Studie mitgewirkt, die zeigt, dass Personen mit Traumata häufig einen höheren Medienkonsum aufweisen, der dann wiederum posttraumatischen Stresssymptome und Ängste auslösen kann. Um aus diesem Kreislauf auszubrechen, sollten Betroffene den Medienkonsum möglichst gering halten und sich über seriöse Nachrichtenquellen nur über die nötigsten Hintergründe der Geschehnisse der Welt informieren. Mehr sei nicht nötig und auch nicht sinnvoll: „[H]ören Sie dann auf – machen Sie nicht weiter“, sagte sie gegenüber der britisch-amerikanischen Nachrichten-Webseite Mashable.

Zusätzlich zu dem psychischen Selbstschutz wird durch das Dosieren des Medienkonsums die Fähigkeit erhalten, beziehungsweise erhöht, anderen gegenüber mitfühlend zu sein. Das aktive Einstehen für die eigene mentale Gesundheit führe laut Holman zu mehr Verständnis gegenüber den Sorgen anderer. Die Bindungen zu anderen Menschen seien dann wiederum ein essenzieller Faktor für das Wohlergehen der eigenen Psyche. Es entsteht ein positiver Kreislauf.

Bilder und Nachrichten vom Ukraine-Krieg begegnen einem zurzeit fast überall.
Bilder und Nachrichten vom Ukraine-Krieg begegnen einem zurzeit fast überall. © Sebastian Gollnow/dpa

Ukraine-Krieg: Gedankliche Kontrolle über Situation zurückgewinnen

In der momentanen Situation treffen mehrere Stressfaktoren aufeinander: Der eskalierte Ukraine-Konflikt*, der bei vielen Menschen die Angst vor einer nuklearen Eskalation auslöst inmitten einer globalen Pandemie und dem Klimawandel, der für eine wachsende Anzahl an Naturkatastrophen sorgt. „Dies sind sich verstärkende, eskalierende Stressfaktoren“, wird die Psychologie-Professorin Dr. Roxane Cohen Silver von Mashable zitiert.

Laut Silver müsse man versuchen, die gedankliche Kontrolle über die Situation zurückzugewinnen, indem man sich selbst von der Verzweiflung wegführe und zu einem handelnden Akteur in der Krise wird. Im Falle der Ukraine-Krise können das Spenden an humanitäre Organisationen oder das Unterzeichnen von Petitionen sein. Die richtigen Hebel für sich zu finden, um das Gefühl zu bekommen, ein Leben mit Sinn und Absicht zu führen, seien entscheidend, „selbst wenn man den 40 Meilen langen [Militär]Konvoi nicht aufhalten kann“, so Silver.

Ein zusätzlicher Stressfaktor sei laut Silver, dass die Invasion Russlands* in der Ukraine* gerade erst eine Woche zurückliegt und es somit schwer sei, die Tragödie einzuordnen. Viele Menschen haben wilde Vorstellungen von dem, was kommen könnte, da der Ausgang des Krieges noch nicht einschätzbar ist. Die Ungewissheit gepaart mit dem Wissen, dass Menschen leiden, versetze in eine Art Schwebezustand, der nur schwer zu ertragen sei.

In so einem Zustand ist es umso wichtiger, sich bewusst zu machen, woher die Ängste und Stressgefühle stammen. Sich Auszeiten von Nachrichten und sozialen Medien zu nehmen und Gespräche ab und zu auf andere Themen zu lenken, ist dabei für die eigene Psyche essenziell. (Monja Stolz) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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