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„Herkules-Aufgabe“: Virologe Drosten kritisiert Erwartungen an Corona-Sachverständige

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Von: Julius Fastnacht, Isabel Wetzel

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Vor einer Woche trat Virologe Christian Drosten aus dem Corona-Sachverständigenausschuss zurück. Hauptverantwortlich dafür macht er die Politik.

Update vom Dienstag, 3. Mai, 12.55 Uhr: Im Interview mit dem Deutschlandfunk hat Virologe Christian Drosten am Mittwoch (3. Mai) die Hintergründe seines Rücktritts aus dem Corona-Sachverständigenausschuss erläutert. Zentral für seinen Rückzug: Unterschiedliche Auffassungen darüber, was der Ausschuss leisten kann und das, was die Politik von ihm erwartet.

Bei der Bewertung des Pandemiegeschehens „läuft der Wissenschaftsprozess leider etwas langsamer, als die Politik sich das vom Gremium wünscht. Das ist der eigentliche Reibungspunkt.“ Was die Politik vom Ausschuss verlange, sei eine „Herkules-Aufgabe“, die eigentlich die fachwissenschaftliche Community in ihrer Gesamtheit leistet.

Corona-Sachverständigenausschuss: Drosten kritisiert Zusammensetzung und Ausstattung

Deutliche Kritik äußerte Drosten auch an der Zusammensetzung und Ausstattung des Gremiums, die eine angemessene wissenschaftliche Evaluation unmöglich mache. So habe die Politik Mitglieder ohne wechselseitige Abstimmung ausgewählt. Ein hauptberuflicher Epidemiologe in der Kommission? Laut Drosten Fehlanzeige. „Ich habe in der ersten Sitzung gleich angemahnt, dass wir bitte Epidemiologen nachberufen müssen. Und das wurde dann verneint.“

Nach seinem Rücktritt aus dem Corona-Sachverständigenausschuss kritisiert Virologe Christian Drosten die Politik deutlich. (Archivfoto)
Nach seinem Rücktritt aus dem Corona-Sachverständigenausschuss kritisiert Virologe Christian Drosten die Politik deutlich. (Archivfoto) © Stefan Boness/Imago Images

Außerdem habe es keine wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegeben, die etwa Fachliteratur aufbereiten – obwohl das Gremium nur aus ehrenamtlichen Mitgliedern besteht, die hauptberuflich anderweitig eingespannt sind. „Da bin ich nicht der einzige in der Kommission, der sagt, ich habe da meine Zweifel“, sagte Drosten dem Deutschlandfunk.

Bis zu einer Gesamtbewertung der Pandemie, so äußerte sich Drosten final zum Thema, werde noch einige Zeit ins Land gehen müssen: „Ich denke, deutlich mehr als noch ein Jahr, bis wir abschließend etwas sagen können.“

Karl Lauterbach verkündet Drosten-Rücktritt aus Corona-Ausschuss

Erstmeldung vom Donnerstag, 28. April: Berlin – Laut Angaben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zieht sich Virologe Christian Drosten künftig aus dem Corona-Sachverständigenausschuss zurück. Aufgabe des Ausschusses ist es, Maßnahmen und Einschränkungen in der Pandemie unabhängig zu bewerten und Vorschläge für Änderungen zu machen. Das Gremium ist nicht zu verwechseln mit dem Expertenrat der Bundesregierung.

„Leider hat mir gerade Christian Drosten mitgeteilt, dass er die Auswertung des Infektionsschutzgesetzes für die Bundesregierung und das Parlament nicht weiter begleitet. Das ist ein schwerer Verlust, weil niemand könnte es besser“, twitterte Lauterbach am Donnerstag (28. April).

Aktuell arbeitet der Sachverständigenausschuss an einer Empfehlung zur Reform des Infektionsschutzgesetzes. Am 30. Juni sollte ein entsprechender Bericht der Bundesregierung übergeben werden.

Nach Informationen des Tagesspiegels sollten zudem auch die bisherigen Corona-Maßnahmen evaluiert werden. Den Auftrag habe Gesundheitsminister Lauterbach auf Drängen der Kommission allerdings zurückgenommen. Da Drosten die zentrale Person für diese Aufgabe gewesen sei, mutmaßt die Tageszeitung, dass Drosten aufgrund dessen auf seine Teilnahme verzichtet. Drosten hatte vor rund vier Wochen bereits seinen Podcast „Coronavirus-Update“ eingestellt. Damals erklärte er, er wolle sich wieder vermehrt auf sein eigentliches Forschungsfeld konzentrieren. (iwe)

Dieser Artikel wird aktualisiert.

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