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Saufen, Sex und Urlaub

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Hier zünden nur bestimmte Songs: der berühmte "Ballermann" auf Mallorca. © DPA

Warum die Texte von Ballermann-Liedern wie "Layla" so beliebt sind

Berlin -Für das Experiment muss man sich vielleicht ein Bier aufmachen. Wenn man herausfinden will, wie Ballermann-Hits so funktionieren, kann man verschiedene Playlists durchhören. Eines der Lieder darauf sorgte diese Woche für Debatten: "Layla" soll auf einem Volksfest in Würzburg nicht mehr gespielt werden. Auch auf der Düsseldorfer Kirmes soll es nicht überall laufen. Grund ist der Text. "Ich hab' 'n Puff - und meine Puffmama heißt Layla. Sie ist schöner, jünger, geiler." Wie steht es also um deutschsprachige Partysongs?

Hört man sich durch die Playlists durch, findet man Lieder, zu denen selbst manche Politiker schon getanzt haben ("Mach den Hub Hub Hub; Mach den Schrauber, Schrauber, Schrauber; Mach den Helikopter 117..."). Und gut mitgrölen ließe sich vermutlich auch "Der Zug hat keine Bremse": "Döp, döö-döö-döö-dööp".

Es gibt Lieder mit inspirierenden Titeln wie "Saufi saufi" ("Ich feier' richtig hart, ich bin ein Saufautomat"). Alkohol ist ohnehin ein, wie würde man sagen, wiederkehrendes Motiv. Schön bearbeitet etwa in "Dicht im Flieger" ("Und ich sitz schon wieder dicht in 'nem Flieger. Alles egal, denn mein Kopf macht nur La - Lalalala...").

Das Hirn macht nur La - manche Menschen, die den Karneval oder die Kirmes mögen, kennen diesen Zustand sicherlich. Warum ist nun ausgerechnet "Layla" von DJ Robin & Schürze auf dem ersten Platz der deutschen Charts gelandet? Die Musikwissenschaftlerin Marina Forell hat sich das auch gefragt. Sie hat an der Universität Leipzig zur Schlagerwelt geforscht und ist Herausgeberin des Buchs "Das verdächtig Populäre in der Musik: Warum wir mögen, wofür wir uns schämen". "Layla" sei ein moderner Partysong. Ansprechend produziert. "Als ich den zum ersten Mal angemacht habe, dachte ich mir so: "Oh, das könnte was sein"», sagt Forell. Bei ihr sei der positive Eindruck verflogen, als der Gesang eingesetzt habe. Trotzdem hat Forell nach eigenen Worten einen Ohrwurm. Vielleicht sei das das Erfolgsrezept. Vielleicht hätten Leute nach den Pandemiejahren Lust auf einen Partysong. Dabei hat Forell zum Inhalt eine klare Haltung.

Über den Text wird diskutiert. Würzburg hat das Abspielen von "Layla" auf dem Kiliani-Volksfest untersagt. Und auf der Düsseldorfer Kirmes haben die Schützen das Lied als Veranstalter in ihrem Festzelt verboten. Manche fragen: Ist der Text wirklich so schlimm?

"Ich finde den Song extrem sexistisch", sagt Forell. Die besungene Frau werde extrem auf ihren Körper reduziert. Zudem werde Prostitution ein bisschen als Lifestyle abgefeiert, dabei habe sie bekanntermaßen Schattenseiten.

Wenn man sich durch solche Partyhits hört, findet man auch Lieder wie "Beate, die Harte" oder "Anna-Lena" ("Geiler Arsch, geiler Blick, geiles Stück").

Gibt es sexistische Textzeilen öfter? "Ja, der Eindruck ist schon richtig", sagt Forell. Viele Songs drehten sich ums Saufen und ums Urlaubmachen. Aber es gebe natürlich Songs wie "Dicke Titten, Kartoffelsalat", die seien schon an den Grenzen des guten Geschmacks und natürlich auch sexistisch.

"Dicke Titten, Kartoffelsalat" ist ein Lied von Ikke Hüftgold, der eigentlich Matthias Distel heißt. Seine Plattenfirma hat auch "Layla" veröffentlicht. Online wirbt er nun mit anderen Künstlern für die Petition #freelayla. Im Begleittext heißt es: "Gegen Zensur! Für ein Leben nach Corona! Für künstlerische Freiheit!" Einige Tausend Menschen haben bisher online unterzeichnet.

Musikwissenschaftlerin Forell wundert sich, dass mit der Kunstfreiheit argumentiert wird. Der Song sei nicht allgemein verboten er werde nur in einigen Kontexten nicht mehr gespielt. Fragt man Forell, warum Menschen solche Songs mögen, erinnert sie an deren Kontext. Urlaub am Ballermann sei für manche bewusst gebuchter Exzess. "Und da lassen viele halt los." Im Urlaub zählten die Regeln des Alltags nicht mehr. Auch der gute Geschmack werde zu Hause gelassen.

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