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Coronavirus wird zum Spielball im Duell USA gegen China

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Wuhan: Schauplatz der misslungenen Kooperation zwischen China und Frankreich
Wuhan: Schauplatz der misslungenen Kooperation zwischen China und Frankreich © AFP

Das Labor für Virologie in Wuhan sollte eine Kooperation zwischen China und Frankreich werden - nun ist es Grundlage für gegenseitige Anschuldigungen.

Wuhan - Zumindest 2017 war Frankreich noch „stolz und glücklich“: Mit diesen Worten eröffnete der damalige Premierminister Bernard Cazeneuve in Wuhan ein neues Immunologie-Labor. Das franko-chinesische Gemeinschaftswerk der höchsten Sicherheitsstufe P4 ging auf die Amtszeit von Präsident Jacques Chirac zurück, eines ausgesprochenen Freunds asiatischer Zivilisationen. Sein Bekannter, der chinesische Arzt Chen Zhu, der teilweise an Pariser Kliniken ausgebildet worden war, leitete das Pilotprojekt zusammen mit Alain Mérieux, dem Chef eines P4-Labors in Lyon.

2017 wurde daraus ein bilaterales Kooperationsabkommen. China finanzierte den 40 Millionen Euro teuren Bau, Frankreich lieferte die begehrte Sicherheitstechnologie – weltweit gibt es nicht einmal 30 Labors des Top-Niveaus P4.

Labor für Virusforschung in Wuhan: gescheiterte Zusammenarbeit von China und Frankreich

Das passte nicht allen. Als das am Stadtrand von Wuhan gelegene „Institut für Virologie“ 2018 seinen Betrieb aufnahm, wollte die „Washington Post“ von Sicherheitsmängeln wissen. Seit Beginn der Corona-Krise haben Donald Trump und sein Hofsender Fox News mehrfach den Ursprung der Pandemie in dem Institut ausgemacht. China habe dort einen „Fehler“ begangen und ihn „vertuschen“ wollen, tönte der Präsident am Sonntag. Und er werde das „schlüssig“ beweisen. Wissenschaftler und alle US-Geheimdienste gehen aber von einem tierischen Ursprung des Virus aus.

Unbewiesen, wie sie sind, zeigen die Vorwürfe aber höchst deutlich, dass die Immunologie längst Teil des chinesisch-amerikanischen Weltmachtduells geworden ist. In Zeiten von Corona erst recht. Nach Andeutungen Pekings von März, das Virus könnte in den USA in Umlauf geraten sein, staunt niemand, dass Trump & Co. das P4-Labor von Wuhan ins Visier nehmen.

China und Frankreich: Schon vor dem Coronavirus eine gescheiterte Kooperation

Die Europäer geraten dabei wieder einmal zwischen die Fronten. Frankreichs Chinapolitik sieht verdächtig nach einem Scherbenhaufen aus. Denn Wuhan war für Paris nicht nur ein Labor, sondern ein Mittelpunkt der Handelspolitik. Großkonzerne wie L’Oréal, Peugeot, Renault, Schneider und Pernod-Ricard sind in der Elf-Millionen-Metropole vertreten. Das P4-Labor war ein Teil dieses kommerziellen Clusters, genauso wie ein französisches Museum für Städtebau und der Bau eines Bahnhofs.

Allerdings ist die wissenschaftliche Kooperation, über die Premier Cazeneuve so glücklich war, nie weit gediehen. Die 50 in dem Abkommen vorgesehenen französischen Virologen und Bakteriologen kamen nie nach Wuhan. Die französische Pharmaholding Mérieux hat sich aus Wuhan zurückgezogen, weil das Labor ihr wohl zu „sehr chinesisch“ geworden ist.

Gemeinsame Virusforschung: Deshalb scheiterte der Plan von China und Frankreich sogar noch vor dem Coronavirus

Der Leiter des P4-Labors in Lyon, Hervé Raoul, bestätigte gegenüber dem Radio France-Info, in dem angeblichen Schwesterlabor von Wuhan seien keine französischen Forscher mehr tätig. Nach einer langen Recherche konnte der Sender aufzeigen, dass das Labor „nach und nach der Kontrolle der französischen Wissenschaftler entglitten“ ist.

Antoine Izambard, der Autor eines Buches über die „gefährlichen Liebschaften“ (so der Titel) zwischen China und Frankreich, schildert ausführlich, wie Peking zuerst von der wissenschaftlichen Expertise aus Europa profitierte – um das Labor dann aber allein zu betreiben. Offiziell ist der vierstöckige Bunkerbau seit Ende Januar wegen Corona geschlossen. Laut France-Info wird dort aber weiter nach einem Gegenmittel* geforscht. Nur eben ohne jede französische Beteiligung oder auch nur Mitsprache.

Frust in Frankreich - Keine Kooperation mit China bei Forschung zu Coronavirus

Die frühere französische Gesundheitsministerin Marisol Touraine findet das – vielleicht etwas naiv – „schade“. Für Izambard ist die chinesische Haltung „geopolitisch motiviert“, wie er am Donnerstag ausführte. Neben Cyberattacken und Industriespionage zielten auch „unausgeglichene Wissenschaftspartnerschaften“ darauf ab, in Europa „Know-how zu stibitzen“, schreibt der französische China-Spezialist.

Die Staatsführung in Paris verhehlt ihren Frust über das chinesische Doppelspiel nur noch wenig. Als der chinesische Botschafter in Paris Mitte April auch noch begann, den französischen Umgang mit der Corona-Krise offen zu kritisieren, bestellte ihn Außenminister Jean-Yves Le Drian erbost zu sich. Präsident Emmanuel Macron sagte in einem Interview, in China gebe es „offensichtlich Dinge, die man nicht weiß“. Nichts von alledem sind Voraussetzungen für einen erfolgreichen wissenschaftlichen Austausch.

Von Stefan Brändle 

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