Wie ein unsterblicher König aller Albträume

Ohne Verfallsdatum: Schock-Rocker Alice Cooper live in der Jahrhunderthalle Frankfurt
Frankfurt -Als anno 1971 die sieben Jahre zuvor in Phoenix, Arizona, auf der High School aus der Taufe gehobene Formation Alice Cooper nach diversen Namenswechseln mit ihrem dritten Studioalbum "Love It To Death" endlich auf der Karriere-Zielgeraden landete, konnte so ein sittlicher Frevel tatsächlich noch die US-Mehrheitsgesellschaft schockieren: Im aufklappbaren Innencover starrte den Betrachter ein von schwarzem Make-Up umflortes Augenpaar entgegen.
Besonders im Bible Belt des Mittelwesten wähnte man dahinter Luzifer, Satan, Beelzebub und Teufel in Personalunion. Als in den USA die Zweitauflage der zumeist unter den Ladentischen verkauften LP in den Handel kam, fehlte die von Fotograf Dave Griffith geschaffene Aufnahme. 51 Jahre später prangt sie ikonisch in Überlebensgröße auf dem Bühnenvorhang.
Als sich die Pupillen ins Blutige verfärben, startet das minutiös durchgetaktete Illusions-Entertainment mit Hang zum Makabren: "You are invited to Nightmare Castle", hallt es mit Grabesstimme aus dem Off. Sekunden später legt die Sichtblende den Blick frei auf das Innere einer albtraumhaften Burgkulisse. Jedwede Parallele zum Ambiente von James Whales Kinoklassiker "Frankenstein" (1931) mit Boris Karloff als von Dr. Henry Frankenstein aus Leichenteilen geformte Kreatur können nur rein zufällig sein.
Dazu haut das exzellente Ensemble mit Lead-Gitarristin Nita Strauss, Chuck Garric am Bass, Schlagzeuger Glen Sobel sowie den Gitarristen Ryan Roxie und Tommy Henriksen zum Auftakt in vorzüglichem Klangbild den rasanten Cooper-Klassiker "Feed My Frankenstein" raus. Ein gigantisches Frankenstein-Monster samt Faktotum Igor tummelt sich im Rampenlicht - nicht zum letzten Mal. Zum Finale kehren die beiden mit "Teenage Frankenstein" wieder.
Da rückt auch schon der in Kunstleder, Stiefel und Zylinder gehüllte Bandchef an. Mit bösem Blick im wüst geschminkten Antlitz schwingt er seinen obligatorischen Spazierstock hin und her. Augenzwinkernd nimmt Alice Cooper, dessen bürgerlicher Name vor der offiziellen Namensänderung Vincent Damon Furnier lautete, sein seit Dekaden als soziopathischer Bösewicht festgezurrtes Image mit "No More Mr. Nice Guy" auf die Schippe. Danach geht es zum Kuscheln ins Nagelbett ("Bed Of Nails"), im satten Blues "Fallen in Love" bläst Cooper virtuos Mundharmonika, und die Punk-Reminiszenz "Go Man Go" wirkt als nochmaliger Adrenalinschub.
Ein Cooper-Klassiker folgt dann auf den nächsten, aus der Frühzeit wie aus späteren Jahren. Vom Solodebüt "Welcome To My Nightmare" (1975) erstrahlen die als Band-Jam servierten Auszüge "Devil's Food" und "Black Widow" sowie "Steven" und "Escape". Zwischendrin dürfen sämtliche Musiker als Solisten glänzen. Riesige Figuren, heimtückisch gespenstische Inszenierungen sowie Gattin Sheryl Cooper in diversen Rollen garnieren die opulente Show. Nach "Dead Babies" ist Schluss mit lustig: Unhold Cooper landet auf der Guillotine - steht aber Minuten später schon wieder im weißen Frack und Zylinder im Rampenlicht, um die Zugabe "School's Out" samt Seifenblasen, Konfettibeschuss und Riesenbällen zu servieren. Mit einer gehörigen Portion Noblesse und den Worten "May all of your nightmares be horrific! Good Night!" verabschiedet sich der Fürst der Finsternis.