Weibliche Musikgeschichte

Beyoncé, Taylor Swift oder Rihanna: Die meisten großen Popstars der vergangenen Jahre sind weiblich. Doch als Frau hat man es in der Musikszene trotzdem bis heute nicht unbedingt leicht. Auf Festivalbühnen sind weibliche Acts seltener vertreten. Musikerinnen berichten von Diskriminierungen auf ihren Tourneen, wenn ihnen etwa nicht zugetraut werde, sich mit der Technik auszukennen.
Und viele herausragende Musikerinnen aus der Vergangenheit sind heute fast vergessen. Dagegen unternimmt die Journalistin Juliane Streich gemeinsam mit vielen Mitstreiterinnen in dem Buch »These Girls, too« etwas. Es ist der zweite Band, der sich Künstlerinnen widmet, die Musikgeschichte geschrieben haben. Verschiedene Autorinnen schreiben in über 100 Texten über Musikerinnen, die sie beeinflusst haben. Dabei lassen sich viele inspirierende Frauen entdecken.
Persönlich und
unterhaltsam
Sicher, Beyoncé kennt jeder. Aber wie sieht es aus mit Sister Rosetta Tharpe (eine Gospel-, Jazz- und Bluessängerin, die Superstars wie Elvis Presley beeinflusst hat) oder MC Lyte (sie brachte dem Buch zufolge 1988 im Alter von 17 das erste Studioalbum einer Solo-Rapperin überhaupt heraus)?
Die Geschichten sind spannend, weil es neue Musikerinnen zu entdecken gibt. Aber auch, weil sie persönlich und unterhaltsam geschrieben sind. Etwa der Text der Journalistin Ulrike Nimz über die Band Xmal Deutschland. Als ihr »pubertierendes Ich nur noch von Haarspray und kaputten Strumpfhosen zusammengehalten wurde«, sei ihr eine Kassette der Hamburger Gothicband zugesteckt worden, schreibt die Autorin. Sie hört ein »klirrendes, treibendes Stück Musik, zu dem man sich im Kreis drehen will, bis der Schwindel einsetzt«.
Von fünf Musikerinnen gegründet, löste sich Xmal Deutschland irgendwann auf. Viele Jahre später waren Motive der Band plötzlich auf den Outfits der Designerin Julia Seemann bei der Berliner Fashion Week zu sehen. Der prominenteste Fan des Labels soll übrigens Rihanna sein. dpa
Juliane Streich (Hg.), These Girls, too. Feministische Musikgeschichten, Ventil Verlag, 304 Seiten, 20 Euro, ISBN 9 783 955 751 692
Zauberhafte Geschichten vom Meer und seinen Bewohnern erzählt Chae Strathie in ihrem durchgehend farbig gestalteten Buch »Wunderwelt der Tiere im Meer«. Auf über hundert Seiten werden hier die fantastischen Abenteuer von Tintenfischen, Mantarochen, Hummern, Papageifischen und vielen mehr erzählt; kurze Geschichten, die von Angst und (Über-)Mut handeln, von Klugheit und Freundschaft, vom Leben und Lernen in den Tiefen des Ozeans und am Rand des Meeres. Jedes der ermutigenden und weisen Märchen endet in einem vierzeiligen Vers, der noch einmal das Erlebte zusammenfasst. Da ist die schwimmende Riesenmuschel, die nicht versteht, dass sie nie wieder weiter kann, wenn sie sich einmal für einen festen Wohnsitz entschieden hat, da ist das freche Seepferdchen, das beim Versteckspielen so oft vor einem ausgedachten Stachelrochen warnt, bis seine Freunde ihm nicht mehr glauben - was beinahe zu einer Katastrophe führt, als der Stachelrochen tatsächlich kommt. Jedes der Tiere, vom kleinen Einsiedlerkrebs bis hin zum gewaltigen Mondfisch mit über drei Metern Länge, geht aus seinem Abenteuer ein wenig klüger hervor und gibt sein Wissen weiter, nicht zuletzt auch an die Kinder, denen das Buch vorgelesen wird oder die die Märchen schon selbst lesen können. Als kleines Extra hält die Autorin auf den letzten Seiten kurze Kapitel mit Sachinformationen zu jedem ihrer Abenteurer bereit.
Das großformatige Buch im Hardcover lädt nicht nur Kinder zum Stöbern und Lesen ein, auch Erwachsene werden ihre Freude an den bunten Farben und den vielen liebevollen Details haben, mit denen Erin Brown die Geschichten bebildert hat. Ein wunderschöner Geschichtenschatz für Klein und Groß, findet heute eure Maren
Chae Strathie: Wunderwelt der Tiere im Meer. Aus dem Englischen von Beatrix Rohrbacher. Bilder von Erin Brown. Leimen: 360 Grad Verlag, 2021. 126 Seiten. 18 Euro. Ab 5 Jahre.
In die Idylle eines kleinen Dorfes in den Voralpen bricht etwas Unerhörtes herein: Eines Tages klaffen auf dem Feld des stillen Bauern-Ehepaars Tanner zwei riesige Löcher. »Als hätte ein Riese mit einem Bohrer hantiert«, schreibt Lukas Maisel. Die Novelle »Tanners Erde« ist das zweite Buch des Schweizers.
Der 34-jährige Autor erzählt die Geschichte des in seinem Tagesablauf gefestigten Tanner-Hofes, auf dem das Schweigen häufiger Gast ist als das Reden. Wenn er das Lächeln seiner Frau sieht, werde es dem Bauern warm ums Herz, heißt es. Doch »er kann ihr nicht einfach die Stirn küssen, sie würd erschrecken und fragen, was denn los ist«.
Die Milchkühe dürfen nach dem Winter erstmals wieder auf die Weide. Bei einer, der Vreni, ertastet Tanner eine verhärtete Zitze. »Ich werds ausmelken und mit Tonerde bestreichen«, sagt er zu seiner Frau. Für alles gibt es scheinbar eine Lösung, ganz ohne fremde Hilfe. »Die Beine Tanners stehen stramm auf der Erde. Er wankt nie«, heißt es. Außer diesmal: Die schwarzen Abgründe, aus denen faul riechender Dampf aufsteigt, heben das bäuerliche Gefüge aus seinen Angeln.
Maisel schreibt in gediegenem, leicht schweizerischen Sprachrhythmus alpiner Literatur. Da werden »Mocken« (Brocken) einer Brotscheibe in den Kaffee gegeben und bei »Zvieri« (Nachmittagsvesper) oder »Stange« (kleines Bier) zusammengesessen. Bestechend einfache und poetische Bilder zeigen ein anstrengendes und bescheidenes Leben auf dem Hof. »Die Stallkleidung riecht sauer«, ist so eines.
Die Suche nach dem Ursprung der Gruben steht in »Tanners Erde« nicht im Mittelpunkt. Schnell zeigt sich: Nicht nur das Land hat Löcher, sondern auch das Leben. Unerwartet stellen sich ganz andere Fragen. dpa
Lukas Maisel: »Tanners Erde«, Rowohlt, 144 S., 22 Euro, ISBN: 978-3-498-00 308 -1
Das Kuscheltier-Kommando ist eine Gruppe besonderer Spielzeugfiguren und steht im Mittelpunkt der Kinderbücher von Samuel und Sarah Koch. Im zweiten Band muss sich die Truppe nun von dem Mädchen Suse und ihrem Stofflamm Leila verabschieden. Ein Abschied, der für alle nicht leicht zu verkraften ist. Das Ehepaar Koch beschäftigt sich in seinem zweiten Kinderbuch mit dem Thema Loslassen.
Der Esel brüllt
Das fällt vor allem dem Chef des Kuscheltier-Kommandos, dem Esel Eduard, schwer. Der randaliert und brüllt in seinem Schmerz den Mond an. Wie seine Freunde ihn doch noch dazu bringen, Leila »Lebewohl« sagen zu können, ist in dem Bilderbuch »Das Kuscheltier-Kommando: Auf Wiedersehen, Leila - Loslassen ist nicht leicht« zu erfahren.
Das für Kinder bis sechs Jahre gedachte großformatige Buch ist wunderbar illustriert von Nadine Y. Resch. Auf den 32 Seiten gibt es viel zu entdecken: Die Rasta-Mähne von Esel Eduard, den Hai mit Regenschirm und die Puppe Ha-Tschi mit Detektivmütze. Bär Pollos Spezialarm erinnert an den ersten Band des Schauspielerpaares mit dem Fokus auf Leben mit Behinderungen, der laut dem Verlag »Edel Kids Books« 22 000-mal über die Ladentheke ging.
Dieses erste gemeinsame Buchprojekt des Paares weckte auch Erinnerungen an den Unfall Samuel Kochs in der ZDF-Show »Wetten, dass..?«. Im Dezember 2010 verletzte er sich bei einem Salto über ein Auto so schwer, dass er in der Folge querschnittsgelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Mit dem Loslassen verbindet der einstige Kunstturner sicherlich viel Autobiografisches. Er und seine Frau rufen mit ihrem Buch auf, allen Mut zusammenzunehmen und loszulassen. Denn: »Manchmal ist es schmerzhafter, an etwas festzuhalten, als etwas loszulassen.« Die 36-jährige Sarah Koch steht gerade auf der Bühne im Mannheimer Oststadt-Theater. Ihr 34-jähriger Mann ist mit »Wounds Are Forever«, dem politischen Stück einer israelischen Autorin, auf Tour. Beide zusammen wirken bei dem Liebesfilm »Sachertorte« von Amazon Prime mit. Samuel Koch ist auch sozial engagiert. Der von ihm gegründete Verein »Samuel Koch und Freunde« hat Ukrainer mit Behinderungen und deren Familien aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland geholt und ihnen eine sichere Bleibe verschafft. dpa
Sarah und Samuel Koch: Das Kuscheltier-Kommando: Auf Wiedersehen, Leila - Loslassen ist nicht leicht. Edel Kids Books, 32 Seiten, Hardcover, illustriert von Nadine Y. Resch, 14,99 Euro, ISBN: 9 783 961 292 370
Abschied nehmen fällt Kindern oft nicht leicht, weil sie nicht einschätzen können, ob und wann es ein Wiedersehen geben wird. Das Loslassen ist Thema im zweiten Kinderbuch von Sarah und Samuel Koch, mit all dem Schmerz, den ein Abschied mit sich bringt. Für die Märchenliebhaber hat Maren heute einen Kinderbuchschatz mitgebracht, der uns in eine zauberhafte Unterwasserwelt führt.
Auch für die erwachsenen Leser gibt es wieder zwei ganz unterschiedliche Bücher, einmal ganz bodenständig, einmal voller Glamour. kan
