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Kunst am Kopierer weitet den Blick

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Die Welt auf den Kopf stellen, das ist charakteristisch für Georg Baselitz: Sein "Fahrradfahrer" von 1982. © bundesbank

Frankfurts Museum Giersch zeigt die exquisite Sammlung der Bundesbank

Frankfurt -Was ist nur mit der netten Frau los? In der Deutschen Bundesbank dreht sich alles ums Geld, aber die Mitarbeiterin spricht im Film von Emotionen. Schuld daran ist ein Gemälde: "Es kann Gefühle auslösen, Kraft ausstrahlen, Energie ausstrahlen. Wenn ich morgens zur Arbeit komme und sonst niemand da ist, wirkt das Bild am eindrucksvollsten", so die Bankerin. Dabei wird das leuchtend rote und große Bild nicht einmal ideal präsentiert im holzvertäfelten Flur vor dem Sitzungssaal. Trotzdem ist die Mitarbeiterin, wie viele andere, begeistert von der Kunstsammlung.

Bekanntlich haben viele deutsche Geschäftsbanken seit den 1980er Jahren eine Kunstsammlung aufgebaut. Die Deutsche Bundesbank war schneller, sie begann schon in den 1950ern, kurz nach der Währungsreform. Da hieß sie noch "Bank deutscher Länder", aber einige Vorstände setzten bereits die Idee mit der Kunstsammlung um. Zur Weitung ihres Horizonts sollten sich die Mitarbeiter mit der Kunstwelt beschäftigen - intellektuell, ästhetisch, emotional.

Inzwischen umfasst die Sammlung 5000 Werke, Gemälde, Grafiken und Skulpturen, vereinzelt auch Fotos. Gesammelt wird Kunst aus dem deutschsprachigen Raum von den 50er Jahren bis heute. Neben der Zentrale in Frankfurt sammelten auch die Hauptverwaltungen in den Bundesländern. Mit diesen regionalen Einsprengseln ergibt sich ein breites Spektrum aus mehr als 70 Jahren. Damit ausgestattet wurden Büros von Mitarbeitern und Vorständen, aber auch Flure, Sitzungssäle und Cafeterias.

Freilich ist die Frankfurter Zentrale in die Jahre gekommen, zudem platzt sie aus allen Nähten. Nun hat eine Sanierung der Gebäude von 1967-72 begonnen. Deswegen zeigt jetzt das Frankfurter Museum Giersch eine exquisite, erfrischende Auswahl von 93 Exponaten.

Der Ausstellungstitel "Ortswechsel" weist darauf hin, dass Kunst in der Bank oft beiläufig beim Durchqueren des Flurs wahrgenommen wird. Im Museum hingegen ist alles auf die Kunst konzentriert. Zudem ist das Museum Giersch eine Villa, die nicht über sonderlich hohe Räume verfügt. Die Situation am Arbeitsplatz lässt sich also nicht ins Museum übertragen.

Deshalb hat Museumschefin Birgit Sander zusammen mit den beiden anderen Kuratorinnen Katrin Kolk und Iris Cramer einen Dokumentationsraum eingerichtet, der mit Bildern und Filmen den Arbeitsalltag gut vermittelt. So ist über dem Kopierer eine schwungvolle Zeichnung von Hermann Glöckner zu entdecken, neben dem Garderobenständer ein Gemälde von Hein Heckroth. Insgesamt kann sich die Kunst gut behaupten zwischen Büromöbeln und Zimmerpflanzen.

Die Ausstellung beginnt mit den frühesten Bildern aus dem Informel. In den 50er Jahren wollten sich die Maler ungehindert entfalten, sich mit der Farbe auf der Leinwand körperlich austoben und ihre Freiheit in der jungen Bundesrepublik ausdrücken. Freilich ist auch die Realität in etlichen Bildern präsent: Michael Riedel hat vor fünf Jahren auf Notenbank-Papier sein eigenes Geld drucken lassen, den "Riedel", um auf den Warencharakter der Kunst aufmerksam zu machen.

Die Bundesbank hat sogar einige Werke von unter den Nazis verfemten Künstlern angekauft. Karl Hofers "Sinnende" von 1936, dem Jahr der Berliner Olympiade, ist nicht fröhlich gestimmt. Das Porträt der nachdenklichen Frau wirkt wie ein Sinnbild für all das, was den Menschen damals noch bevorstand.

Informationen

Museum Giersch, Schaumainkai 83. Bis 8. Januar, Di bis So 10-18, Do bis 20 Uhr. Eintritt 7 Euro. Katalogheft: 10 Euro. Internet: www.mggu.de

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