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"Humor ist das Allerwichtigste"

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Harald Lesch (links) und Thomas Schwartz am Ufer des Klostersees vor dem Kloster Seeon. FOTO: ZDF © ZDF und Stefan Schneider (Gruppe

In der ZDF-Reihe "Lesch sieht Schwartz" plaudert der Physiker über Gott und die Welt

München - Fernsehzuschauer kennen ihn als Experten aus "Terra X" und anderen Sendungen. Doch der Astrophysiker und Naturphilosoph Harald Lesch kann auch anders: In seiner neuen ZDF-Gesprächsreihe spricht Deutschlands bekanntester Wissenschaftsjournalist immer an Feiertagen mit dem befreundeten Theologen Thomas Schwartz. Die Reihe startet an Fronleichnam (16. Juni, 17.45 Uhr, ZDF).

Herr Lesch, die erste Ausgabe von "Lesch sieht Schwartz" dreht sich um die Hysterie, die bei manchen Debatten um sich greift. Wie entsteht sie?

Sie bricht deshalb immer wieder aus, weil viele Nachrichten seit ein paar Jahren so bedrohlich sind. Viele Leute wissen einfach nicht, wie sie damit umgehen sollen. Ob Coronakrise, Klimawandel, Energiewende oder der Ukrainekrieg: Die Menschen sind von den ganzen beängstigenden Entwicklungen einfach verunsichert, und der mediale Druck verstärkt diese Angst natürlich noch. Man weiß nicht mehr, was man machen soll, dann entstehen auch noch Verschwörungserzählungen, das Vertrauen in die Institutionen nimmt ab. Letztlich geht es um das Thema Vertrauen. Inwiefern haben wir überhaupt noch Vertrauen in die Welt, in unsere Mitmenschen, in uns selber, in Gott?

Machen auch Ihnen schlechte Nachrichten zu schaffen?

Aber klar, nur ein Beispiel: Ich bin vor kurzem mit meiner Frau auf der Fähre vom italienischen Festland nach Elba gefahren und auf der Fahrt schaut meine Frau aufs Smartphone und sagt: "Putin hat die nuklearen Streitkräfte aktiviert." Da habe ich eine Panikattacke bekommen. Ich wollte sofort nach Hause zurück und habe mich dann zum Glück wieder beruhigt, aber im ersten Augenblick dachte ich, das darf doch nicht wahr sein. Zum Glück haben mich seriöse Medien aufgeklärt, dass das eine Prozedur ist, die nicht zwangsläufig zum Atomkrieg führen muss.

Wie schützen Sie sich vor der medialen Überflutung?

Ich habe kein Smartphone und bin relativ wenig online unterwegs. Mir ist es wichtig, der total aufgeregten Gackerei im Internet etwas entgegenzusetzen, diesem Tsunami aus Nachrichten und schlechten Botschaften. Da gilt es Ruhe zu bewahren und sich Orientierung zu verschaffen.

Was führt noch zu Hysterie?

Die allgemeine Hetzerei, die in Deutschland herrscht. Wir fahren schnell Auto, reisen schnell, unsere Terminkalender sind auf Kante genäht, um diesen schönen Begriff mal zu verwenden, wir lassen uns ja kaum noch Freiräume. Da muss alles perfekt passen, alles schnell gehen - dabei sind doch die wenigsten von uns in der Notfallchirurgie beschäftigt. Ich träume von einem Deutschland, wo alle morgens um neun erstmal rechts ranfahren, aussteigen, sich begrüßen und ein Schwätzchen halten (lacht).

Wie hilfreich ist Humor?

Absolut hilfreich, unbedingt! Ein Hahn kommt in einen Hühnerstall, hat ein Straußenei in der Hand und sagt: "Meine Damen, so wird am anderen Ende der Welt gearbeitet." Das ist doch großartig. Humor ist die allerwichtigste Sache, um Situationen aufzubrechen und diesen Ballon, der da aufgeblasen wird, mit einem kleinen Stich platzen zu lassen. Man kann sich auch selber ein bisschen auf den Arm nehmen dabei, wunderbar. Wir sind alle lauter arme, kleine Würstchen, hat Reinhard Mey mal gesungen, recht hat er.

"Lesch sieht Schwartz" läuft immer an Feiertagen. Haben Feiertage heutzutage noch eine Bedeutung oder sind sie einfach nur Brückentage?

Für viele Menschen sind sie in der Tat nur noch Brückentage, fürchte ich. Für andere sind sie aber nach wie vor eine Gelegenheit, mal runterzukommen, innezuhalten. Wir möchten mit unserer Sendung auch für den Feiertag in seiner ursprünglichen Bedeutung werben. Ich denke, dass es ab und zu wichtig ist, einen Sabbat einzulegen.

Die Reihe startet an Fronleichnam, einem katholischen Feiertag. Können Sie als Protestant damit etwas anfangen?

Ehrlich gesagt nein, das muss mir dann der Thomas Schwartz erklären, was an Fronleichnam los ist.

Glaube und Wissenschaft sind für Sie kein Widerspruch. Wo hört die Physik auf, wo fängt Gott an?

Ich will es mal so sagen: So wie ich Physik betreibe, ist sie keine Sache Gottes. Aber so wie ich mit den Menschen umgehe und wie ich mit mir und der Welt umgehe, da spielt meine Religion doch eine ganz zentrale Rolle. Was ich als Physiker mit den Mitteln der empirischen Wissenschaft erkennen kann, sind die Gesetze, nach denen die Natur funktioniert. Aber welchen Wert ich der Welt beimesse und nach welchen Werten ich lebe, ist eine Sache der Religion und meines Glaubens.

Sind der Theologe Thomas Schwartz und Sie sich in den meisten Fragen einig?

Wir sind seit Jahren gut befreundet. Wir verstehen uns gut, sind aber nicht immer einer Meinung, und das wird man auch merken.

Wo hakt's?

Manchmal am Widerspruch zwischen Tradition und Moderne. Er ist in manchen Fragen ein traditioneller Katholik, wo ich mehr auf Seiten der modernen Religionsausübung bin, die mit den Menschen mitgeht. Martin Weber

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