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Hip mit Sport im Palmengarten

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Peter Schermer steht mit seinem neuen Buch unterm Arm vor dem Palmengarten-Eingang. Sein Werk trägt den Titel »Palmengarten-Neugarten: Sport in der ›Belle Époque‹«. © Red

Um 1886 war der Fußball, wie einige andere Sportarten auch aus England importiert, in Deutschland und damit auch in Frankfurt sehr umstritten - und wurde anfangs denn auch verächtlich als »Fußlümmelei« bezeichnet. »Unter Berücksichtigung der Zeitverhältnisse war es damals also eine mutige und vorausschauende Entscheidung der für die Palmengarten-Gesellschaft Verantwortlichen, die Erweiterung des Palmengartens um den Neugarten auch für den Bau einer Sportanlage zu nutzen«, sagt der Autor Peter Schermer.

Der historisch und sportlich interessierte Frankfurter, ehemals Lehrer Peter Schermer tauchte anlässlich des 150-jährigen Jubiläums des Frankfurter Palmengartens im vergangenen Jahr tief in die Sporthistorie der »Grünen Oase« ein. Und sagt: »Von 1887 bis 1910, also in einem Zeitraum der Belle Époque, die von 1871 bis 1914 dauerte, gehörte der Palmengarten neben dem Main und der Rennbahn am Oberforsthaus zu den wichtigsten Sportstätten Frankfurts.« Hier fanden gut besuchte Eislaufkonkurrenzen und Radrennen statt, aber auch Rugby-Begegnungen und als »Olympische Spiele« bezeichnete athletische Wettkämpfe. Lawn-Tennis gab es im Palmengarten da, wo heute die Steppenanlage ist. »Der Palmengarten galt zu jener Zeit nicht nur als ein Hort exotischer Pflanzen und beliebter Treffpunkt der Frankfurter, sondern auch als ein Ort, der dem Sport diente«, so Schermer. Das war damals nicht selbstverständlich, Stadtverwaltungen sahen es nicht als ihre Aufgabe an, Sportanlagen zu bauen oder zu unterhalten. Das Frankfurter Waldstadion mit Schwimmbad und Radrennbahn wurde beispielsweise erst im Jahr 1925 eröffnet.

Die ersten mutigen Radfahrer fanden im Frankfurt der Belle Époque nur mit Mühe geeignete Strecken, um ihre wackeligen Hochräder auszuprobieren. Sie erregten enormes Aufsehen, wurden bei ihren Ausflügen oft sogar angefeindet. Im Palmengarten drehten sie hingegen auf befestigten Wegen ihre Runden.

Lawn-Tennis konnten damals nur Begüterte spielen, die den zu ihrer Villa gehörenden Park um einen Tennisplatz erweiterten. Jugendliche hingegen nutzten freie Flächen am Rand der Stadt vor allem für den aus England importierten »Football« in seiner Ausformung als Rugby. »Der Bau einer Sportanlage im erweiterten Palmengarten mit einer Radfahrbahn und einem Fußballplatz sowie Plätzen für Croquet und Lawn-Tennis wurde deshalb zumindest von Vertretern der wohlhabenden Schichten begrüßt«, sagt Schermer. Diese Schichten bewohnten damals vor allem das Westend. 23 Jahre lang entwickelte sich im »Neugarten« prompt ein sehr abwechslungsreiches Sportgeschehen.

Schermer weiß die Epoche historisch einzugliedern: »Der technische und wirtschaftliche Fortschritt während der Belle Époque, also der relativ langen Phase zwischen 1871 und 1914 ohne größere kriegerische Auseinandersetzungen, förderte eine optimistische Grundhaltung. Nutznießer des Fortschritts war in Frankfurt vor allem das gehobene Bürgertum, das von den neuen Unterhaltungsmöglichkeiten profitierte.« Bauern, Arbeitern und einfachen Angestellten blieb anfangs nur die Rolle als Beobachter.

Schon frühzeitig arbeitete die Palmengarten-Gesellschaft mit führenden Frankfurter Sportvereinen zusammen. Schermer sagt: »Das hatte auch damit zu tun, dass man weitere Einnahmen generieren musste.« Sportliche Wettbewerbe lockten Menschen an, die Eintritt zahlten.

Die Stadt kaufte 1885 das nördlich angrenzende Areal des Palmengartens zwecks Erweiterung um einen »Neugarten«. Dort entstanden Plätze für Croquet und Lawn-Tennis und eine 400 Meter lange und sechs Meter breite »Bicycle-Bahn«. Im Winter verwandelte sich die Fläche bei entsprechenden Außentemperaturen in eine künstliche Eisbahn. Die Rudergesellschaft Germania feierte im Winter Eisfeste dort.

Direkt daneben lag ein Fußballplatz, der ab 1892 von den Mitgliedern des 1880 gegründeten »Fußballclubs Frankfurt« (heute Sportclub 1880) vor allem für Rugby genutzt wurde. Auch die Vereine »Frankfurter Schlittschuhclub von 1861« und der »1. Frankfurter Bicycle-Club von 1881« trugen dazu bei, von 1887 bis 1910 den Neugarten zu einer bedeutenden Sportstätte zu machen.

Dass der Sport der holden Weiblichkeit zu mehr Emanzipation verhalf, ist ein weiterer interessanter Aspekt der damaligen Zeit. Croquet war neben Reiten, Fechten und Bogenschießen eine Sportart, welche für die Damen der englischen Oberschicht als unbedenklich galt. Der Trend schwappte nach Deutschland. Tennis wurde jedoch beliebter, weil die Regeln einfacher und das Spiel abwechslungsreicher waren. Und Männer fanden es reizvoll, dass der Tennissport sie so »unbeschwert in die Gesellschaft hübscher Damen brachte«.

Höchst ungewöhnlich waren damals vor allem radelnde Frauen, die mit ihrer Kleidung dafür sorgen mussten, nicht unangenehm aufzufallen. So stand in der Tageszeitung »Kleine Presse« vom 28. Juli 1895: »Das Rockbeinkleid wird in der Taille in Falten geordnet und an beiden Seiten durch Knöpfe und Knopflöcher geschlossen. Hierzu können entweder hohe Gamaschen oder auch nur braune Strümpfe und Halbschuhe getragen werden.«

Die Popularität der neuen Sportarten war bis 1910 so gestiegen, dass sich für die Frankfurter Druckerei Dondorf die Herausgabe eines Sport-Quartetts lohnte. So können die Ausführungen zur damaligen Sportmode mit farbigen Bildern belegt werden. Sie beweisen, dass die Damen stark benachteiligt waren: Sie mussten Hüte, Halsrüschen, Gürtel und lange Kleider tragen, dafür konnten die Herren ohne Hut den Schläger schwingen und Ärmel und Hosenbeine umkrempeln. Ab 1910 wurde sommers im Palmengarten nur noch Tennis gespielt, es gab 16 Plätze. Das ging nur, weil die ab 1895 nicht mehr genutzte Radrennbahn einbezogen wurde. Die Rasentennisplätze waren frühzeitig durch Hartplätze ersetzt worden.

Punktuell wurde der Palmengarten aber auch für viele Veranstaltungen der Frankfurter Turnvereine und der Turnerschaft Frankfurt genutzt. Es gab Gaufeste, Wettfechten, Freiübungen und Riegenturnen, Keulenübungen, Wettspiele und Pyramidenbildungen. Hinzukamen Faustball, Schlagball und Tamburinball. Peter Schermer bilanziert: »Beim Vergleich mit anderen Sportstätten der damaligen Zeit kann davon ausgegangen werden, dass die Anlage im Palmengarten-Neugarten Vorbildcharakter hatte, zumal sie ganz unterschiedlichen Sportarten gerecht wurde.« Das lag auch daran, dass es Zuschauer- und Richtertribünen gab, Platzkategorien zu differenzierten Preisen, geregelte Zugänge, Lagermöglichkeiten und elektrische Beleuchtung. Außerdem lockte ein Restaurationsgebäude mit Umkleiden und der Palmengarten war mit der Pferdebahn, respektive Trambahn, gerade bei großen Veranstaltungen für Zuschauer gut zu erreichen.

Wie viel Zeit Peter Schermer, verheiratet und in der Nordweststadt lebend, für die Recherchen und das Schreiben aufgebracht hat, kann er nicht sagen. »Das Ganze ist ein Luxusunternehmen von mir. Geld verdiene ich damit nicht, die Auflage beträgt nur 500 Stück. Das ist Spezialliteratur für Liebhaber.« Doch seine Motivation ist klar: »Lange Zeit war das Thema Sport im Palmengarten verschüttet. Doch ich beschäftige mich seit Jahren mit Sportgeschichte in Frankfurt.« Zudem gebe es ein tolles, offenes Klima für interessierte Bürger wie ihn, etwa in der Nationalbibliothek, der Uni-Bibliothek und im Institut für Stadtgeschichte. Zudem hätten viele alteingesessene Vereine fantastische Chroniken.

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Im Palmengarten gibt es Palmen. Und Gewächshäuser mit exotischen Pflanzen, Stauden, Gräser, Blumenbeete. Klar. Und Kunstinstallationen. Das ist bekannt. Aber dass der Frankfurter Palmengarten auch ein Vorreiter in Sachen Sport war, ist weniger geläufig. Der Frankfurter Lehrer und Autor Peter Schermer hat nun ein Buch vorgelegt, dass sich mit dem Sport in der »Belle Époque« beschäftigt. Wie er sagt, gehörte der Palmengarten von 1887 bis 1910 neben dem Main und der Rennbahn zu den wichtigsten Sportstätten der Stadt für Fußball, Radfahren, Tennisspielen, Rugby, Eislaufen. Schau an! pi

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Die Rubrik »Aus dem Reich der Mode« der Kleinen Presse zeigte und erklärte sehr anschaulich, was genau sportliche Damen zu jener Zeit tragen sollten. © Red
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_87051bf6e73cc2e47a80701_4c © Red

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