"Grausiger als der ,Tatort'"

INTERVIEW Joe Bausch über sein neues Buch "Maxima Culpa"
Berlin -"Maxima Culpa - Jedes Verbrechen beginnt im Kopf" heißt das neue Buch von Joe Bausch, der seit 25 Jahren an der Seite von Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär den kahlköpfigen Gerichtsmediziner Joseph Roth im Kölner "Tatort" verkörpert. In seinem Buch beschäftigt er sich mit Mord und Totschlag und seiner Zeit als Gefängnisarzt. Es geht um wahre Fälle und die Frage, was Menschen zu Mördern macht. Joe Bausch kam 1953 in Waldbrunn im Westerwald zur Welt.
Herr Bausch, sind viele schwere Straftaten soziale Unfälle?
Es hat mich schon immer interessiert, was dazu führt, dass Menschen böse werden. Oft lassen sich in der Biografie eines Mörders tatsächlich Entwicklungen ablesen, die man als sozialen Unfall bezeichnen könnte. Die gibt es aber auch bei vielen anderen Menschen, die nicht zum Mörder werden. Da lassen sich keine Algorithmen finden.
Kann trotzdem prinzipiell jeder zum Mörder werden?
Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, dass man jeden dazu bringen kann zu töten, zum Beispiel in Kriegszeiten. Aber nicht jeder kann zum Mörder werden. Wenn Sie ein Spektrum haben von Mutter Teresa auf der einen und Charles Manson auf der anderen Seite, dann liegen die allermeisten Menschen irgendwo in der Mitte. Unser Interesse gilt natürlich mehr den Figuren an den Rändern, völlig klar.
Also braucht man eine gewisse psychische Grundausstattung, um einen einen Mord zu begehen?
So kann man es sagen. Da ist zum Beispiel der narzisstisch Gestörte, der nicht will, dass seine Frau ihn verlässt und mit einem anderen zusammenkommt. Oder der Sadist, der einfach Spaß am Quälen und Morden hat.
Hatten Sie während Ihrer Zeit als Gefängnisarzt Kontakt mit wirklich bösen Menschen?
Ja, hatte ich.
Wie erkennt man die?
Man spürt das, wenn so jemand den Raum betritt, ein Mensch, der offenbar zu keinerlei Empathie fähig ist. Da friert man regelrecht. Ein Psychopath bleibt auch in Haft ein Psychopath und ein Sadist ein Sadist. Solche Typen haben oft eine ganz kurze Lunte und gehen sofort an die Decke, wenn ihnen auch nur das Geringste nicht passt.
Wie haben Sie sich da als Gefängnisarzt Respekt verschafft?
Indem ich immer ganz klar in den Ansagen war, und auch klar in meiner Gefühlswelt. Wenn man selber mit sich im Zweifel ist, hat man schon verloren. Respekt verschafft man sich, indem man authentisch ist und auch macht, was man sagt.
Sie schreiben, die Vorstellung vom genialen Mörder, wie er einem in Literatur und Film begegnet, könne man sich abschminken...
Stimmt, viele Mörder und Menschen, die schwere Straftaten begehen, sind ganz bieder gestrickt. Wenn man so jemanden fragt, was haben Sie sich denn erhofft von der Tat, ist die Antwort oft überraschend kleingeistig. Der Wunsch nach einem dicken Auto oder anderen Wohlstandsinsignien wie einer schönen Wohnung etwa. Was im Film häufig verklärt wird, ist in der Realität dann doch ziemlich ernüchternd (lacht).
Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren beruflich mit den dunklen Seiten der Gesellschaft. Haben Sie einen Ausgleich?
Ja - mich intensiv karitativen Projekten zu widmen, dem Hilfsverein "Tatort - Straßen der Welt" für philippinische Straßenkinder zum Beispiel. Das macht mir eine ungeheure Freude. Eine Abwechslung war für mich aber auch immer die Arbeit als Schauspieler, auch im "Tatort"...
...wo Sie seit 25 Jahren den Gerichtsmediziner Joseph Roth spielen. Macht's nach wie vor Spaß?
Immer noch. Ich habe mit Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär zwei Kollegen, mit denen ich auch privat befreundet bin, und wir machen so weiter. Solange ich mich noch zur Filmleiche runterbücken kann und alleine hochkomme, bin ich dabei (lacht).
Was ist grausiger: kriminelle Realität oder der "Tatort"?
Die kriminelle Realität, weil das alles tatsächlich so passiert ist. Das hat sich keiner ausgedacht. Dafür ist der Fernsehkrimi in der Regel spannender und nicht so banal wie die Realität. Reale Verbrechen sind meistens furchtbar banal. Interview: Martin Weber Maxima Culpa. Jedes
Verbrechen beginnt im Kopf
Ullstein-Verlag, Berlin, 272 Seiten, 12,99 Euro