Ein Schelm, ein Tod, ein Mahlstrom
Drei Neuerscheinungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Edgar Allan Poe (1809 - 1849) ist heute als Klassiker der Horror- und Schauerliteratur berühmt. Dass er auch eine schelmische, satirische Seite hatte, ist dagegen weniger bekannt. Die lebte er in frühen Geschichten aus, die jetzt in ihrer Originalversion erstmals ins Deutsche übertragen und im Manesse Verlag erschienen sind.
»Die Erzählungen des Folio Club« vereinen zwölf sehr unterschiedliche Kurzgeschichten, die zu Lebzeiten Poes keinen Verlag fanden und für lange Zeit in der Versenkung verschwanden. In den um 1830 entstandenen Erzählungen parodiert Poe literarische Strömungen seiner Zeit, so etwa die in der Romantik beliebten Teufels- oder auch Seefahrergeschichten. In einer anderen Geschichte, »Der Geisterseher«, nimmt er die schwärmerische Italienbegeisterung einiger Literaten aufs Korn. Selbst eine Feinschmeckerburleske hat er beigesteuert. Für uns sind die Erzählungen wegen der vielen zeitgenössischen, heute kaum mehr verständlichen Anspielungen nicht leicht zu konsumieren. Anmerkungen und Nachwort helfen.
Titel Nummer zwei: Multitalent Jackie Dupont mischt zu Beginn der 1920er Jahre die gute Gesellschaft von Venedig auf. Sie ist Privatdetektivin und selbst ernannte Expertin für Juwelen. Nebenbei ist sie mit einem der reichsten Männer der Welt, einem englischen Lord, verlobt. Dazu hat sie auch noch einen wunderlichen Hund, der Leichen riechen kann, die gar nicht mehr da sind. So in einer der Kirchen Venedigs, nur dass das Opfer fehlt. Zusammen mit ihrem Verlobten Christopher geht Jackie trotzdem auf Verbrecherjagd. Ruckzuck landen die beiden Amateurdetektive in einem wahren Labyrinth von Agenten, Verschwörungen und Verfolgungsjagden, in dem außer Jackie bald keiner mehr den Durchblick hat. Eve Lamberts Jackie Dupont löst in »Tod am Canal Grande« bereits ihren dritten Fall. Handlung und Figuren sind völlig überdreht, dabei ausgesprochen unterhaltsam und punkten mit ihrem schwarzen Humor.
Der Kalte Krieg ist zurück, jedenfalls in diesem Buch: Berlin ist 1958 eine aufstrebende Stadt. Das Nachtleben blüht, so auch in Harry’s Ballroom, einem der angesehensten Clubs der Stadt. Umso größer ist der Schock, als der Barkeeper von einem Armbrustschützen erschossen wird. Kriminalassistent Fred Lemke und seine Kollegin Ellen von Stain stellen bald fest, dass der Tote von der Stasi aus Ost-Berlin eingeschleust wurde. Hat sein Tod etwas mit seiner Agententätigkeit zu tun? Prompt melden sich bei Fred Beamte des CIA. Fred und Ellen geraten in den Mahlstrom des Kalten Krieges zwischen Geheimdiensten, Doppelagenten und Spionage. Leonard Bell, Pseudonym eines erfolgreichen deutschen Autors, trifft mit »Der weiße Panther« auf unnachahmliche und fesselnde Weise das Leben im Berlin der 1950er Jahre. Es gibt eben nicht nur die Gewinner des Wirtschaftswunders, sondern mindestens ebenso viele gebrochene Menschen, Opfer des Krieges, Überlebende des Holocaust oder Leidtragende der neuen Diktatur im Osten der Stadt. Ein spannender und sehr bewegender Roman. dpa
Edgar Allan Poe: Die Erzählungen des Folio Club, Manesse Verlag, München, 320 Seiten, 25 Euro, ISBN 978-3-7175-2480-9.
Eve Lambert: Tod am Canal Grande, Penguin Verlag, München, 368 Seiten, 10 Euro, ISBN 978-3-328-10 740 -8
Leonard Bell: Der weiße Panther, Ullstein Verlag, Berlin, 448 Seiten, 10,99 Euro,. ISBN 978-3-548-06 311 -9