Die Seele brennt

Vor 200 Jahren starb der fantastische Dichter E. T. A. Hoffmann
Bamberg -"Der Sandmann" ist eine der bekanntesten Erzählungen E.T.A. Hoffmanns - eines seiner "Nachtstücke". Wenn die Schwarze Romantik hierzulande ein zentrales Werk hat, ist es dies: die Geschichte des Studenten Nathanael, der sich in den menschlichen Roboter Olimpia verliebt, darüber wahnsinnig wird und sich in den Tod stürzt.
Filmemacher, Komponisten und Künstler ließen sich von dem Stoff inspirieren. Auch andere Werke Hoffmanns, "Die Elixiere des Teufels" etwa, die Abgründe und Ängste des modernen Menschen aufgreifen, wirken bis heute fort. Der Dichter Ernst Theodor Amadeus Hoffmann starb vor 200 Jahren, am 25. Juni 1822 in Berlin. Die Schwarze Romantik aber lebt - vor allem im Kino.
Ihren Motiven - diabolische Gestalten, Doppelbödigkeit, Spuk, Krankheit und Wahnsinn, Verführung, Gewalt und Tod - widmet sich ein ganzes Genre. Besonders der Stummfilm war der Schwarzen Romantik zugetan. So greift Ernst Lubitschs Film "Die Puppe" schon 1919 Motive des "Sandmanns" auf. In Fritz Langs Dystopie "Metropolis" (1927) findet sich in Gestalt der reizvollen Roboter-Maria nicht nur der von einem Forscher kreierte Maschinenmensch, sondern auch das Doppelgänger-Motiv - geeignet, allem Vertrauten den Boden zu entziehen. Kaum ein Autor ist so häufig verfilmt worden wie E.T.A. Hoffmann.
An ihm und seinen Werken schieden sich die Geister schon zu Lebzeiten. Von "fieberhaften Träumen eines leichtbeweglichen kranken Gehirns" schrieb Goethe über die Märchen von E.T.A. Hoffmann. Eichendorff lehnte die Romane seines Kollegen ab und Wilhelm Grimm fällte ein vernichtendes Urteil: "Dieser Hoffmann ist mir widerwärtig mit all seinem Geist und Witz von Anfang bis zu Ende."
Anders lasen ihn die Franzosen und Russen. Victor Hugo und Théophile Gautier, Nikolai Gogol, Fjodor M. Dostojewskij und Michail Bulgakow ließen sich von dem deutschen Romantiker inspirieren, Jacques Offenbach machte ihn zum Helden seiner Oper "Hoffmanns Erzählungen", der bechernd im Wirtshaus seine Schauergeschichten zum Besten gibt. Und in den USA reagierte E. A. Poe auf die dunkle Schattenseite der Romantik.
Hoffmann war vor allem Jurist wie sein Vater: "Kammer Gerichts Rath". Aufgewachsen im kauzigen Haushalt seiner psychisch labilen Mutter fand er Halt bei seinem Freund Theodor Gottlieb Hippel, den er auf der Königsberger Burgschule kennengelernt hatte. Nach seinem zweiten Staatsexamen und einer Ausbildung zum Organisten ging er als Referendar ans Berliner Kammergericht. Er komponierte, zeichnete und dichtete neben seiner juristischen Brotarbeit. Nach dem dritten Staatsexamen wurde er 1800 nach Posen versetzt. Dort lernte er seine polnische Ehefrau kennen. Im Frühjahr 1808 war er finanziell am Ende. Hippel half aus. Eine Anstellung als Kapellmeister in Bamberg scheiterte, aber nun begann Hoffmann ernsthaft zu schreiben. Er verfasste Musikkritiken für die "Allgemeine musikalische Zeitung" in Leipzig, wo seine erste Erzählung erschien: "Ritter Gluck". 1814/15 wurde sie in seine "Phantasiestücke in Callots Manier" aufgenommen, wie auch "Der goldene Topf".
Schon damals erfand er in seinen "Kreisleriana" sein literarisches Alter Ego: den exzentrischen Kapellmeister Johannes Kreisler, der 1819/21 in seinem Roman "Lebensansichten des Katers Murr" wiederkehrt. Der Kater mit seinen bürgerlich-engstirnigen Ansichten und die zerrissene Künstlerexistenz Kreisler - sie verkörpern die lebenslange Auseinandersetzung des Künstlers mit sich selbst. "Nachts 'Kater Murr' von Hoffmann (gelesen)", notierte Thomas Mann, als er an seinem "Doktor Faustus" arbeitete.
Hoffmann hat Seelenabgründe aufgerissen, die Nachtseite der Romantik. Dazu hatten ihn die gothic novel aus England und die Geheimbundromane der Romantik angeregt. Seine Seelen-Gespenster suchen den mörderischen Mönch Medardus in den "Elixieren des Teufels" (1816) heim und spuken durch die "Nachtstücke" (1815/17).
Die "Duplizität des Seins", Rationalität und fantastische Welt, musste schon der Student Anselmus im "Goldenen Topf" anerkennen. In der "Prinzessin Brambilla" (1820) ist sie ganz im karnevalesken Humor aufgehoben. In seiner Erzählungssammlung "Die Serapionsbrüder" (1819/21) lieferte Hoffmann mit "Nussknacker und Mäusekönig" die Vorlage für das gleichnamige Ballett von Peter Tschaikowski. Wenn die Rockband "Rammstein" singt "Mein Herz brennt" (2001), hat Hoffmann Pate gestanden: Arbeitstitel des rätselhaften Liedes über Ängste und Albträume von Kindern war der "Sandmann".
Dass Hoffmann bis heute ausgiebig gelesen und von zeitgenössischen Autoren wie Ingo Schulze oder Michael Köhlmeier zitiert wird, ist auch Sigmund Freud zu verdanken. In seinem Essay "Das Unheimliche" bescheinigte er dem Dichter frappierendes Wissen um das Unbewusste - lange bevor die Psychoanalyse aufkam.