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Die Hälfte der Passionsspielzeit in Oberammergau ist um

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Rochus Rückl, einer der Jesus-Darsteller. © picture alliance/dpa

55 Mal hing Jesus schon am Kreuz, 55 Mal muss er noch - und Christian Stückl kratzt an alten Dorftraditionen

Oberammergau -Halbzeit bei der Passion - Zeit für eine Zwischenbilanz und auch dafür, mal wieder ein wenig an den Traditionen des Dorfs zu rütteln: Denn dass nur Menschen am Spiel mitwirken dürfen, die im Ort geboren sind oder seit 20 Jahren dort leben, hält der Dramaturg für überholt.

"Diese Tradition ist eine ganz schreckliche", sagte Stückl, selbst gebürtiger Oberammergauer. Sie sei erst 1960 eingeführt worden, um Flüchtlinge und Vertriebene von den Passionsspielen auszuschließen. Heute sei es jungen Menschen nicht mehr vermittelbar, warum sie 20 Jahre auf einen Einsatz warten müssten.

Zudem kann sich der Spielleiter künftig eine generelle Begrenzung der Darstellerzahl vorstellen: Wegen der coronabedingten Verschiebung des Stücks seien 500 erwachsene Darsteller von insgesamt 2000 Beteiligten abgesprungen, weil sie nicht noch einmal monatelang Urlaub nehmen konnten. Deshalb sei die Bühne in dieser Aufführungszeit nicht mehr so überfüllt wie früher, erklärte Stückl.

Die 42. Spielzeit mit ihren 110 Vorstellungen zwischen Mai und Oktober sei durch und durch von Corona geprägt, stellt Christian Stückl fest. In den vergangenen zwei Wochen habe es zahlreiche Corona-Fälle bei den Darstellern gegeben, in der Spitze waren es bis zu 20 am Tag. Deshalb war es unumgänglich geworden, manche Rollen kurzfristig anders zu besetzen.

Walter Rutz, Geschäftsführer der Passionsspiele, zeigte sich mit den Besucherzahlen zufrieden: "Aktuell liegen wir bei einer Auslastung von 85 Prozent", sagte er. Angesichts der schwierigen Ausgangssituation mit der Pandemie und dem Ukrainekrieg übertreffe das seine Erwartungen. Klar sei dadurch auch: Zugleich könne man bis zur letzten Aufführung noch Karten in allen Kategorien anbieten.

Zufrieden sind auch die Kirchen am Ort, die ein Begleitprogramm zur Passion anbieten. Pro Woche finden in der katholischen Kirche St. Peter und Paul 14 Heilige Messen statt; die evangelische Kreuzkirche feiert jeden Morgen Abendmahl und lädt an den Spieltagen mittags zur Orgelandacht ein. In den dreistündigen Spielpausen am Nachmittag kämen zum Teil weit über 50 Theaterbesucherinnen und -besucher in den Gemeindesaal der Protestanten, um bei Tee und Kaffee über ihre Fragen zum Stück zu sprechen. "Die Menschen sind berührt von der Aktualität der Passion und wie nahe uns das Geschehen mit Krieg und Pandemie gerade ist", sagte der evangelische Ortspfarrer Peter Sachi über die Bedürfnisse der Passions-Besucher.

Für Sachi ist es die zweite Passion - und die erste, an der er selber mitwirkt: Bei 65 von 110 Aufführungen nämlich singt der evangelische Pfarrer im Bass des großen Passionsspiel-Chors mit. Für ihn ist das ein Privileg, denn der gebürtige Münchner lebt erst seit 13 Jahren in Oberammergau.

Die letzte Aufführung am 2. Oktober läutet dann auch seinen persönlichen Abschied vom Passions-Dorf ein: Vom 1. November an ist der Pfarrer nämlich im Ruhestand. epd

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Passions-Leiter Christian Stückl. FOTOs: dpa © epd

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